Liebe Astis,
nach eingehender Beschäftigung mit der
Uni-AntiFa AG, bitten wir euch diese Tagesordnungspunkte für die
nächste FSR-VV aufzunehmen. Wir möchten die Frage
diskutieren, ob die Arbeit der AntiFa weiterhin die Unterstützung
der anderen Fachschaften findet und ob diese Arbeit weiterhin in
dieser Form, zwei kleine SB-Stellen, finanziert werden soll. Für
uns gibt es auf zwei verschiedenen Ebenen mehrere Gründe, dies
in Zukunft nicht mehr zu tun - a) formale und b) inhaltliche.
Zu
a):
1. Haushaltsgelder müssen jedes Jahr nach Beratung neu
zur Disposition gestellt werden. Es gibt kein alteingesessenes Recht
auf Finanzierung.
2. Die bisherige Praxis, mit zwei kleinen
SB-Stellen die FSR-VV bei politischen Entscheidungen zu umgehen, ist
weder legitim noch basisdemokratisch.
3. Die Wahrnehmung des
politischen Mandats muss öffentlich erfüllt werden. Das
Argument der Uni-AntiFa sich durch zwei kleine SB-Stellen einem
äußeren (rechten) Druck entziehen zu können ist nicht
stichhaltig.
Zu b):
Wir können die inhaltliche Arbeit
der Uni-AntiFa nicht unterstützen, deren Äußerungen
einer Entsorgung der nationalsozialistischen Vergangenheit
zuarbeiten:
1. Der Vergleich der palästinensischen
Gebiete mit dem Warschauer Ghetto auf der Internetseite der Uni
AntiFa vom 24.04.02, unter Aktuelles/Da haben wir ja noch mal
Glück gehabt/ (1) stellt die Gleichung Israel ist
Nazi-Deutschland auf. Damit wird die deutsche Geschichte relativiert,
die Verbrechen der Nationalsozialisten verharmlost und Nachkommen der
damaligen Opfergruppe mit den Tätern gleichgesetzt.
2. Für
die Uni-AntiFa hat Zionismus nichts mit Judenverfolgung zu tun und
die Gründung des Staates Israel ist ihrer Meinung nach vor allem
auf die imperialistischen Interessen der USA zurückzuführen.
Ein Zusammenhang mit Auschwitz wird nicht thematisiert (2).
3.
Mit dem von ihnen verteilten Zettel "Lehrjahre Jitzhak Shamirs"
erwecken sie den Eindruck, als sei der Zionismus eine Ideologie von
Nazi-Kollaborateuren und blenden zum wiederholten Male aus, dass der
Zionismus als Folge der Judenverfolgung entstanden ist.(3)
4.
Die von Ralf Giordano geübte Kritik an der Massenunterstützung
der Deutschen für den Nationalsozialismus, wird abgewehrt als
"moralische Reinheit emigrierter bürgerlicher
Intellektueller". Damit verunglimpfen sie einen Versuch der
Aufklärung über die Vergangenheit. (4)
5. Die
schon von der FSR-VV als höchst problematisch kritisierten
Karikaturen aus dem Artikel der Uni AntiFa im fragezeichen
Nr.9 "'Solidarität mit Israel' bedeutet das Ende linker
Politik!", befinden sich nach wie vor auf der Internetseite der
AntiFa. Eine Distanzierung fand nicht statt, es wurde bloß
bedauert, dass sie möglicherweise von der dringend notwendigen
inhaltlichen Debatte über die Politik des Staates Israel und der
Sharon-Regierung ablenken.(5)
Wir fordern mehr
Transparenz in der Finanzierung aller politischen Gruppen an der Uni.
Dafür gilt es Kriterien zu finden. Einige könnten
folgendermaßen aussehen:
Wir erwarten von politisch und finanziell unterstützten Gruppen, dass sie sich selbst immer wieder um eine Rückbindung an die Studierendenschaft kümmern. Um dem Ziel der Einbeziehung möglichst vieler Studierender gerecht zu werden, ist eine für alle Studierenden zugängliche und offene Gruppenstruktur anzustreben.
Eine formale Berichterstattung der Gruppen über ihr eigenes Tun, ist selbstverständlicher Teil der Rückbindung. Es gibt ihrer Arbeit Legitimität und politische Unterstützung.
Politische und politisierende Arbeit zeichnet sich unseres Erachtens dadurch aus, einen Zusammenhang zwischen unserem universitären Alltag und Gesellschaftspolitik herzustellen und damit dauerhaft bewusstseinsbildend zu wirken. Dies sollte Ziel aller Gruppen sein.
Wir unterstützen AntiFa-Arbeit, die sich mit Neonazismus,
Rassismus, Antisemitismus und deren Ursachen auseinandersetzt und
deren Bekämpfung betreibt. Die Förderung solcher Arbeit ist
uns wichtig. Wir rufen die FSR-VV auf, der zurzeit tätigen
Uni-AntiFa AG die politische und finanzielle Unterstützung zu
entziehen.
Mit freundlichen Grüssen
Fachschaft
Sowi
Endnoten
(1) Da haben wir
ja noch mal Glück gehabt: Es gibt in diesem Lande Menschen, die
haben das eh schon immer gewusst. Die Redaktion der Bahamas, die
unsereinen ja schon anlässlich der Euro-Einführung als
Volksfreunde (eine Bezeichnung, die im antionationalen Kontext eine
überaus schlimme Beleidigung darstellt) entlarvt hat, rüstet
angesichts der zart aufkeimenden Solidarität mit Palästina
zum ideologischen Endkampf. Wir hatten ja schon immer viel Spaß
mit der Bahamas, aber dass sie mittlerweile zur Bildung
Internationaler Brigaden aufrufen ist ein starkes Stück.: "Jeder
Antifaschist, der es ernst meint, kann der bewaffneten
Selbstverteidigung Israels die Solidarität nicht verweigern!",
knarzt die Redaktion. Da schließen wir uns doch lieber dem
eisenharten Spanienkämpfer Fritz Teppich an -- der ein
ehrenwerter antifaschistischer Veteran ist, aber immer noch
verbreitet, die POUM (eine sozilarevolutionäre Organisation der
spanischen Revolution) habe im spanischen Bürgerkrieg mit den
Faschisten konspiriert (eine Position, die wir allerdings für --
höflich ausgedrückt -- ein wenig geschichtsklitternd
halten). An den Vorsitzenden des Zentralsrats der Juden in
Deutschland, Paul Spiegel, appellierte Teppich, er möge
"ungeachtet Ihrer wie meiner Ablehnung individuellen Terrors
Verständnis dafür aufbringen, daß gleich den
verzweifelten Aufständischen im Warschauer Ghetto sich in die
Enge getriebene Palästinenser zu Selbstmordattentaten
entschließen".
Rubrik
"Aktuelles" (Eintrag vom 24.04.2002) auf der
Internetseite der AntiFa AG Uni Hannover (Last Checked:
05.07.2003).
(2) Um nur ganz beispielhaft einer
beliebten Geschichtsklitterung entgegenzutreten: Zionismus ist keine
ideologische Konsequenz aus dem Holocaust, sondern hat sich zu Beginn
des 20. Jahrhunderts in Europa (insbesondere in Großbritannien
mit seinem kolonialen Empire) entwickelt. Die USA haben die Gründung
und Existenz des israelischen Staates nicht aus
Menschenfreundlichkeit und antifaschistischem Selbstverständnis
heraus unterstützt, sondern um einen Statthalter westlicher
imperialistischer Interessen im Nahen Osten zu haben.
Aus:
"'Solidarität
mit Israel' bedeutet das Ende linker Politik!", Uni AntiFa
AG, Juni 2002.
(3) "Lehrjahre Jitzhak Shamirs",
auf der Sitzung der Fachschaft SoWi von der Uni AntiFa verteilt, (als
Antwort auf die Frage, was Zionismus ist). Blatt als Anhang
beigelegt.
(4) "Die überwiegende Mehrheit der
damals von ihrem Lebensalter her verantwortlichen Deutschen, und hier
spreche ich als historischer Augenzeuge, war eindeutig pronazistisch,
sie hat mitgemacht, und nichts hätte ihr ferner gelegen als
Widerstand - er ist bezeichnender Weise beim "häßlichen
Deutschen" noch heute verpönt. Hitler hat sich auf sie
verlassen, und er konnte es, wie die Geschichte gezeigt hat."
(Ralph Giordano, Das Problem: Der häßliche Deutsche).
Diese These vereinigt nicht nur elegant die Massenverachtung der
Totalitarismustheorie mit der moralischen Reinheit emigrierter
bürgerlicher Intellektueller, sie ist auch darauf angelegt, den
politischen und sozialen Charakter und die Entstehung des Faschismus
zu vernebeln
.
Aus: "'Solidarität
mit Israel' bedeutet das Ende linker Politik!", Uni AntiFa
AG, Juni 2002.
(5)