Antrag der Fachschaft Sozialwissenschaften zur FSR-VV am 09.07.2003 wg. "Uni-AntiFa"

Liebe Astis,

nach eingehender Beschäftigung mit der Uni-AntiFa AG, bitten wir euch diese Tagesordnungspunkte für die nächste FSR-VV aufzunehmen. Wir möchten die Frage diskutieren, ob die Arbeit der AntiFa weiterhin die Unterstützung der anderen Fachschaften findet und ob diese Arbeit weiterhin in dieser Form, zwei kleine SB-Stellen, finanziert werden soll. Für uns gibt es auf zwei verschiedenen Ebenen mehrere Gründe, dies in Zukunft nicht mehr zu tun - a) formale und b) inhaltliche.

Zu a):
1. Haushaltsgelder müssen jedes Jahr nach Beratung neu zur Disposition gestellt werden. Es gibt kein alteingesessenes Recht auf Finanzierung.
2. Die bisherige Praxis, mit zwei kleinen SB-Stellen die FSR-VV bei politischen Entscheidungen zu umgehen, ist weder legitim noch basisdemokratisch.
3. Die Wahrnehmung des politischen Mandats muss öffentlich erfüllt werden. Das Argument der Uni-AntiFa sich durch zwei kleine SB-Stellen einem äußeren (rechten) Druck entziehen zu können ist nicht stichhaltig.

Zu b):
Wir können die inhaltliche Arbeit der Uni-AntiFa nicht unterstützen, deren Äußerungen einer Entsorgung der nationalsozialistischen Vergangenheit zuarbeiten:

1. Der Vergleich der palästinensischen Gebiete mit dem Warschauer Ghetto auf der Internetseite der Uni AntiFa vom 24.04.02, unter Aktuelles/Da haben wir ja noch mal Glück gehabt/ (1) stellt die Gleichung Israel ist Nazi-Deutschland auf. Damit wird die deutsche Geschichte relativiert, die Verbrechen der Nationalsozialisten verharmlost und Nachkommen der damaligen Opfergruppe mit den Tätern gleichgesetzt.
2. Für die Uni-AntiFa hat Zionismus nichts mit Judenverfolgung zu tun und die Gründung des Staates Israel ist ihrer Meinung nach vor allem auf die imperialistischen Interessen der USA zurückzuführen. Ein Zusammenhang mit Auschwitz wird nicht thematisiert (2).
3. Mit dem von ihnen verteilten Zettel "Lehrjahre Jitzhak Shamirs" erwecken sie den Eindruck, als sei der Zionismus eine Ideologie von Nazi-Kollaborateuren und blenden zum wiederholten Male aus, dass der Zionismus als Folge der Judenverfolgung entstanden ist.(3)
4. Die von Ralf Giordano geübte Kritik an der Massenunterstützung der Deutschen für den Nationalsozialismus, wird abgewehrt als "moralische Reinheit emigrierter bürgerlicher Intellektueller". Damit verunglimpfen sie einen Versuch der Aufklärung über die Vergangenheit. (4)
5. Die schon von der FSR-VV als höchst problematisch kritisierten Karikaturen aus dem Artikel der Uni AntiFa im fragezeichen Nr.9 "'Solidarität mit Israel' bedeutet das Ende linker Politik!", befinden sich nach wie vor auf der Internetseite der AntiFa. Eine Distanzierung fand nicht statt, es wurde bloß bedauert, dass sie möglicherweise von der dringend notwendigen inhaltlichen Debatte über die Politik des Staates Israel und der Sharon-Regierung ablenken.(5)


Wir fordern mehr Transparenz in der Finanzierung aller politischen Gruppen an der Uni. Dafür gilt es Kriterien zu finden. Einige könnten folgendermaßen aussehen:

Wir unterstützen AntiFa-Arbeit, die sich mit Neonazismus, Rassismus, Antisemitismus und deren Ursachen auseinandersetzt und deren Bekämpfung betreibt. Die Förderung solcher Arbeit ist uns wichtig. Wir rufen die FSR-VV auf, der zurzeit tätigen Uni-AntiFa AG die politische und finanzielle Unterstützung zu entziehen.

Mit freundlichen Grüssen
Fachschaft Sowi



Endnoten
(1) Da haben wir ja noch mal Glück gehabt: Es gibt in diesem Lande Menschen, die haben das eh schon immer gewusst. Die Redaktion der Bahamas, die unsereinen ja schon anlässlich der Euro-Einführung als Volksfreunde (eine Bezeichnung, die im antionationalen Kontext eine überaus schlimme Beleidigung darstellt) entlarvt hat, rüstet angesichts der zart aufkeimenden Solidarität mit Palästina zum ideologischen Endkampf. Wir hatten ja schon immer viel Spaß mit der Bahamas, aber dass sie mittlerweile zur Bildung Internationaler Brigaden aufrufen ist ein starkes Stück.: "Jeder Antifaschist, der es ernst meint, kann der bewaffneten Selbstverteidigung Israels die Solidarität nicht verweigern!", knarzt die Redaktion. Da schließen wir uns doch lieber dem eisenharten Spanienkämpfer Fritz Teppich an -- der ein ehrenwerter antifaschistischer Veteran ist, aber immer noch verbreitet, die POUM (eine sozilarevolutionäre Organisation der spanischen Revolution) habe im spanischen Bürgerkrieg mit den Faschisten konspiriert (eine Position, die wir allerdings für -- höflich ausgedrückt -- ein wenig geschichtsklitternd halten). An den Vorsitzenden des Zentralsrats der Juden in Deutschland, Paul Spiegel, appellierte Teppich, er möge "ungeachtet Ihrer wie meiner Ablehnung individuellen Terrors Verständnis dafür aufbringen, daß gleich den verzweifelten Aufständischen im Warschauer Ghetto sich in die Enge getriebene Palästinenser zu Selbstmordattentaten entschließen".
Rubrik "Aktuelles" (Eintrag vom 24.04.2002) auf der Internetseite der AntiFa AG Uni Hannover (Last Checked: 05.07.2003).

(2) Um nur ganz beispielhaft einer beliebten Geschichtsklitterung entgegenzutreten: Zionismus ist keine ideologische Konsequenz aus dem Holocaust, sondern hat sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Europa (insbesondere in Großbritannien mit seinem kolonialen Empire) entwickelt. Die USA haben die Gründung und Existenz des israelischen Staates nicht aus Menschenfreundlichkeit und antifaschistischem Selbstverständnis heraus unterstützt, sondern um einen Statthalter westlicher imperialistischer Interessen im Nahen Osten zu haben.
Aus: "'Solidarität mit Israel' bedeutet das Ende linker Politik!", Uni AntiFa AG, Juni 2002.

(3) "Lehrjahre Jitzhak Shamirs", auf der Sitzung der Fachschaft SoWi von der Uni AntiFa verteilt, (als Antwort auf die Frage, was Zionismus ist). Blatt als Anhang beigelegt.

(4) "Die überwiegende Mehrheit der damals von ihrem Lebensalter her verantwortlichen Deutschen, und hier spreche ich als historischer Augenzeuge, war eindeutig pronazistisch, sie hat mitgemacht, und nichts hätte ihr ferner gelegen als Widerstand - er ist bezeichnender Weise beim "häßlichen Deutschen" noch heute verpönt. Hitler hat sich auf sie verlassen, und er konnte es, wie die Geschichte gezeigt hat." (Ralph Giordano, Das Problem: Der häßliche Deutsche). Diese These vereinigt nicht nur elegant die Massenverachtung der Totalitarismustheorie mit der moralischen Reinheit emigrierter bürgerlicher Intellektueller, sie ist auch darauf angelegt, den politischen und sozialen Charakter und die Entstehung des Faschismus zu vernebeln….
Aus: "'Solidarität mit Israel' bedeutet das Ende linker Politik!", Uni AntiFa AG, Juni 2002.

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