* Rosso:
Von seiner Verwandlung in eine
Regierungspartei der G8-Macht Italien nach dem Wahlsieg der Mitte-Linken im
April 2006 hat sich der Partito della
Rifondazione Comunista (Partei
der Kommunistischen Neu/be/gründung
– PRC) bis heute nicht erholt. Im Gegenteil, die insbesondere von Ende 1998 bis
Ende 2004 auf außerparlamentarische Bewegungen, linksradikale Rhetorik und
politische Autonomie von der Mitte-Linken setzende Rifondazione
ist zu einem weitgehend passiven, angepassten Regierungsverein geworden, in dem
man sich an den vielen neuen Pöstchen und der scheinbaren Wichtigkeit einer
Regierungspartei erfreut. Politisch geht das „Ballastabwerfen“ fröhlich
weiter, will man doch baldmöglichst mit kleinen linkssozialdemokratischen (Uniti a Sinistra
und Associazione per il Rinnovamento
della Sinistra) sowie
linksgrünen (Associazione RossoVerde) Gruppen fusionieren und zur weitgehend
konturlosen Europäischen Linken
mutieren. Seit den massiven Stimmenverlusten bei den jüngsten Regionalwahlen in
Molise, dem Umfragetief und den Unmutsbekundungen der Arbeiter im
FIAT-Stammwerk Turin-Mirafiori gegen die Chefs der
Gewerkschaftsbünde CGIL-CISL-UIL Anfang Dezember 2006 (Bericht und Interviews
folgen), von denen der Rifondazione-„Minister für
Soziale Solidarität“, Paolo Ferrero, eingestand, dass sie „eigentlich
gegen die Regierung gerichtet“ waren, ist sich auch die PRC-Führung
des Problems irgendwie bewusst. Freilich ohne es lösen zu können.
Bereits in einem langen Artikel für
die Zeitung „Progetto Comunista“
, zuerst veröffentlicht auf der Website http://www.progettocomunista.org am
13.6.2006 lieferte der führende Kopf der PRC-Linksabspaltung
Progetto Comunista – Rifondare l’Opposizione dei Lavoratori (PC ROL),
Francesco Ricci (39), ein sehr anschauliches Bild der genetischen Mutation
jener Partei deren Nationales Leitungsmitglied er bis zum 22.April 2006 war.
Sein Bericht hat auch sechs Monate nach Veröffentlichung nichts an Aktualität
eingebüßt.
Rifondazione
Comunista ist verstorben
Francesco
Ricci
Die Regierung Prodi besitzt zwei Presseorgane. Es sind „la Repubblica“ und „Liberazione“.
Die Verzerrung der Wirklichkeit, die sie täglich vollbringen, hat in der
Geschichte des Journalismus nur sehr wenige Vorläufer. Wenn <der neue Finanzminister und
ehemalige EZB-Direktor> Padoa-Schioppa das „kleine Haushaltsmanöver“ ankündigt (10 Milliarden Euro, d.h. 20
Billionen Lire, die aus den Taschen der Werktätigen stibitzt werden sollen),
erscheint <die
Tageszeitung von Rifondazione Comunista> „Liberazione“ mit
einem Aufmacher über den „Rückzug aus dem Irak“. Wenn <der neue Kriegsminister> Parisi in den Irak
fliegt, um „unsere Jungs, die auf Friedensmission sind“, zu begrüßen,
informiert uns „Liberazione“ darüber, dass <der DS-Staatssekretär im
Finanzministerium> Visco beabsichtigt „die Steuerhinterziehung des Großkapitals“ zu bekämpfen (aber
sicher!).
Der Sozialismus ist noch
nicht da, aber – so versichert „Liberazione“ –
er lauert um die Ecke und, abgesehen von einigen kleinen Betriebsunfällen (die
einfach dazugehören, da dieser neuartige Sozialismus unter Mitwirkung der
Bourgeoisie selbst verwirklicht wird), läuft alles auf eine strahlende Zukunft
hinaus.
<Die dem
Großkapitalisten und traditionellen Berlusconi-Feind De Benedetti gehörende
linksliberale Tageszeitung> „La Repubblica“ ist einen Schritt hinter „Liberazione“. Manchmal bringt sie – zu Ehren des „angelsächsischen Journalismus“ – neben
dem enthusiastischen Kommentar auch einige Meldungen. Nebenbei – neben ihrer
Hauptaufgabe das Sprachrohr von Prodi und <DS-Außenminister> D’Alema zu sein –
informiert uns die Tageszeitung des „aufgeklärten
Bürgertums“ (sowie Hauptsponsor der Demokratischen Partei <Anm.1>) täglich über das Verschwinden jedes sichtbaren
kommunistischen Makels an Rifondazione (PRC). Dank
des unfehlbaren Reinigungsmittels Prodi ist nach nur
ein paar Umdrehungen der Regierungsschleuder jede Spur von dreckigem
Kommunismus verschwunden.
So war es „la Repubblica“, die uns darüber informierte, dass die PRC-Abgeordnete Elettra
Deiana (vor 15 Jahren die wichtigste Führerin von
„Bandiera Rossa“ /
LCR / 4. Internationale, d.h. der ehemaligen „ERRE“-Strömung <heute: Sinistra
Critica>)
mit dem PRC-Senator und aktuellen Führer von „ERRE“,
Luigi Malabarba, polemisiert, der sich erlaubt
hatte die militärische Hierarchie anzugreifen (obwohl er den Staatsapparaten
gegenüber im allgemeinen sehr respektvoll auftritt und diverse Male seine
Wertschätzung für „unsere Geheimdienste“ zum Ausdruck gebracht hat). Und
es war wiederum „la Repubblica“, die uns von
dem Fest in Rom berichtet, mit dem die Führung von Rifondazione
Bertinottis Wahl zum Präsidenten der
Abgeordnetenkammer beging. „Lieber Präsident“, „lieber Minister“,
„lieber Staatssekretär“… so begrüßten sich der Aussage des Journalisten
zufolge an jenem Abend mit ostentativer Befriedigung die Führungsmitglieder
jener „kommunistischen“ Partei. Ebenfalls „la Repubblica“
verwendete ganze Zeitungsseiten darauf den Stil zu preisen, mit dem sich <der bisherige Parteichef> Bertinotti verneigte, um
die Fahnen und die Särge der Militärs des Vaterlandes zu küssen, die von
irgendwelchen irakischen Barbaren getötet wurden, die nicht imstande sind, sich
still zu verhalten und den Pfiff der Friedensbotschaft abzuwarten, der sie
ereilt.
Irgendjemand hat versucht
die eindrucksvolle Anzahl der Sessel, Sitze und Schemel zu zählen, die zu
besetzen Rifondazione im Laufe weniger Tage gelungen
ist. Das ist allerdings eine Rechnung, die einen guten Taschenrechner
erfordert. Es gibt nämlich nicht nur die direkten Regierungsposten (einen
Ministersessel, der an den ehemaligen Democrazia Proletaria
– DP – Kader Paolo Ferrero ging, die authentische Imitation eines
Revolutionärs, sowie eine Handvoll Staatssekretäre). Es gibt sodann die
Vorsitzenden der Parlamentskommissionen und jetzt sind die Direktorenposten
(und stellvertretenden Direktorenposten) von Behörden, Verwaltungen usw. an der
Reihe. Wenn man noch den Regen an Assessorenposten in den lokalen <Stadt- und Provinz-> Regierungen hinzuzählt, wird verständlich, was in
der letzten Sitzung der Nationalen Leitung des PRC passiert ist. Auf jener
Sitzung war – wie uns „Liberazione“ ohne
Bescheidenheit informiert – weniger als die Hälfte der Führungsgruppe anwesend,
weil alle Anderen „von offiziellen Regierungspflichten“ in Anspruch
genommen wurden. In Wahrheit scheinen diese Sitzungen nur noch dann irgendein
Interesse zu erwecken, wenn es darum geht, darüber zu entscheiden, welcher
Hintern sich auf einen Sessel setzt. In jedem Fall zeigen sich dann auch
subtile (sehr subtile) Differenzierungen bezüglich der Politik. Ansonsten ist es
so als ob die Führungsgruppe komplett aus dem Gebäude <der PRC-Parteizentrale> in der Viale del Policlinico <in Rom> in
andere, besser ausgestattete Palazzi umgezogen wäre.
Das Tempo dieser Auflösung Rifondaziones in die Regierung ist wirklich unglaublich und
hätte es verdient Thema einer Folge dieser Fernsehsendungen zu sein, die den „Grenzen
der Wissenschaft“ gewidmet sind. Auch diejenigen, die die wertvollen Seiten
gelesen haben, auf denen Lenin die Weisheit erklärt, mit der die Bourgeoisie
die sozialdemokratischen Führer korrumpiert, indem sie sie mit Luxus und
Privilegien überhäuft, kann nicht anders als die chamäleonhafte
Fähigkeit eines Ferrero oder eines Bertinotti zu
bewundern. Einem Ferrero, der (als Minister für Soziale Solidarität in einer
Regierung von Räubern) auf der Klausurtagung der Regierung, die einberufen
wurde, um das „kleine Haushaltsmanöver“
anzukündigen, Padoa-Schioppa, <den stellvertretenden
Ministerpräsidenten> Rutelli
und <Justizminister> Mastella darüber
informiert, dass in seiner Gegenwart niemals „Blut & Tränen“-Politik gemacht wird (die auf
derselben Klausurtagung detailliert beschlossen wurde – vielleicht während sich
Ferrero entfernte, um irgendein physiologisches Bedürfnis zu befriedigen).
Einem Bertinotti
hingegen, der – umringt von Ministern und Generälen – <am 2.Juni 2006> der Parade von Panzern und gepanzerten Fahrzeugen
beiwohnte und durch das wiederholte Reiben an einem Anstecker
in den Regenbogenfarben an diesen wenig „gewaltfreien“ Symbolen eine
Teufelsaustreibung vornahm. (Während sich „Liberazione“,
die als einzige den ironischen Spruch nicht verstanden hatte, unvermeidlich
über einen Prodi aufregte, der die „Friedensparade“
begrüßte.)
Und was tut sich auf peripherer
Ebene im PRC?
Die Vorstände der
Föderationen <d.h. der
Kreis- bzw. Ortsverbände> wurden
rasch durch Bataillone von Assessoren ersetzt. Jede Aktivität der Zirkel <d.h. der Wohngebiets- und
Betriebsgruppen etc.> wurde definitiv beendet (wie man auch aus der
Lektüre der Rubrik „Die Partei“ in der Tageszeitung des PRC ersehen
kann).
Die „kritischen Bereiche“
kritisieren immer weniger und senden sogar Friedenssignale an die Herren des
Hauses Bertinotti (siehe die gemeinsame Enthaltung
von Grassi <Kopf der „l’Ernesto“ / Essere Comunisti-Strömung> und Cannavò <Organisator der „ERRE“ / Sinistra Critica-Strömung> bei der Wahl von Franco Giordano zum Parteisekretär.
Interne Opposition betreibt nur noch die kleine Gruppe von „Falce Martello“ <trotzkistisch, auf „Langzeit-Entrismus“ setzend und an Alan Woods + Ted
Grant orientiert>. <Ihren führenden Köpfen> Bellotti und Giardiello muss eine gewisse Kohärenz / Glaubwürdigkeit
attestiert werden. Das einzige Problem ist, dass man nicht weiß, welche
Perspektive sie den Genossen bieten, die sie (wie es scheint mit geringem
Erfolg) davon zu überzeugen versuchen, im PRC zu bleiben. In einem jüngst
erschienenen Leitartikel versichert Bellotti, dass
eines Tages „Hunderte und Tausende von Genossen sich mit uns zusammen
dieselbe Frage stellen und dieselbe Antwort geben werden“. Wie immer die
Tatsache ignorierend, dass die Rolle der Kommunisten (gerade die Rolle der
Avantgarde) nicht darin besteht, darauf zu warten, dass „spontan“ eine
klassenbewusste Antwort zu Tage tritt, sondern vielmehr die kommunistische
Antworten beizeiten aufzuzeigen.
Was Ferrandos
Partei der Arbeit <letztendlicher
Name: Kommunistische Arbeiterpartei PCL> anbelangt, gibt es dem was Crisecci in dem
Artikel „Fünf gigantische Differenzen“ http://antifa.unihannover.tripod.com/5_Differenzen_PC-ROL.htm) auf unserer Internetseite bereits geschrieben hat,
nicht viel hinzuzufügen. Die Meldungen besagen, dass sich seine Gruppe in
Auflösung befindet, mit dem Verlust eines Großteils der in minimalem Maße
repräsentativen Teile, die beim „natürlichen Führer“ (die Bezeichnung
stammt von seinem natürlichen Schatten Grisolia)
geblieben waren – von Apulien bis zum Piemont, von den Abruzzen bis nach
Ligurien. Während Ferrando die Zahl der
triumphalen Pressemitteilungen vervielfacht, ist das einzig sichtbare Ergebnis
die kontinuierliche Abspaltung seiner lokalen Kerne von Ferrando.
Mit diversen Funktionären, die es vorziehen bei den lauwarmen Positionen des
mitregierenden PRC zu bleiben.
Selbst Jorge Altamira
(der argentinische Führer der internationalen <linkstrotzkistischen> Gruppe von Ferrando
kritisiert die Abspaltung von Rifondazione und
prognostiziert, dass Ferrando die „x’te Propagandagruppe“ ins Leben rufen wird, die „in
Italien vor sich hin vegetiert“ (wörtliches Zitat). Darin stimmt er dem
schonungslosen Urteil von Marco Veruggio zu
(der zusammen mit der ligurischen Gruppe beschlossen hat, in Rifondazione zu bleiben), das gefällt wurde wenige Wochen
nachdem ihm Ferrando die Leitung seiner Zeitung
anvertraut hatte und ihn als seinen (natürlichen) Erben betrachtete.
Das ist der Beleg dafür,
dass eine Leader-Partei (wir empfehlen diesen Namen mit Blick auf die
Anzeige mit der die kommende Versammlung der Partei der Arbeit bekannt gemacht
wurde und in der das Foto des Chefs sowie sein Name größer sind als der Titel),
die frei von politischen und organisatorischen Prinzipien ist, unvermeidlich im
Opportunismus oder im Guru-Kult endet. (Ähnlich dem was mit der ehemals
trotzkistischen Gruppe Socialismo Rivoluzionario – SR – geschah, bei der das
Abdriften ins „Humanistische“ mit dem Zeigen der geweihten Texte von Dario
Renzi verknüpft war, die die Aktivisten anzubeten hatten.)
Notwendig ist etwas ganz
anderes. Es ist (sofort) notwendig am Aufbau einer neuen kommunistischen Partei
zu arbeiten – in dem Bewusstsein, dass es sich um ein Unternehmen handelt, das
(wenn man sich nicht den Heiligen und den Oberheiligen anvertrauen will) voll
und ganz auf den Schultern der kommunistischen Militanten ruht. All denjenigen,
die mit diesem allgemeinen Projekt und mit der Notwendigkeit übereinstimmen,
wieder von den grundlegenden programmatischen Elementen des revolutionären
Marxismus auszugehen, schlagen wir vor, sich ab sofort am Aufbauprozess zu
beteiligen, der am Ende des Jahres mit einem echten Gründungskongress der neuen
Partei (über den Namen wird der Kongress entscheiden) abgeschlossen wird.
Dafür setzt sich Progetto Comunista – Rifondare l’Opposizione dei Lavoratori
(Kommunistisches Projekt – Die Arbeiteropposition neu begründen – PC ROL) ein.
Um darüber zu diskutieren und uns auseinanderzusetzen, führen wir derzeit
Versammlungen in ganz Italien durch, auf denen auch die Mitgliedsausweise
(Militante und Sympathisanten) verfügbar sind, um an der Gründungsphase
teilzunehmen. Der Startseite dieser Website (http://www.progettocomunista.org/) könnt Ihr alle Termine der nächsten Versammlungen
entnehmen.
Anmerkung
1:
Die beiden
größten Organisationen der regierenden Mitte-Links-Union, der Zusammenschluss
der Prodi nahen Liberalen und Christdemokraten – Margerite
– und die Haupterbin der im Februar 1990 aufgelösten italienischen KP (PCI) –
die Linksdemokraten (DS) – wollen in naher Zukunft eine Demokratische
Partei nach US-Vorbild bilden.
Vorbemerkung,
Übersetzung, Anmerkung und Einfügungen in eckigen Klammern: * Rosso
Der Name * Rosso steht
für ein Mitglied der Antifa-AG der Uni Hannover und
des Gewerkschaftsforums Hannover, das bereits in der Vergangenheit den Großteil
der Übersetzungsarbeit beider Gruppen geleistet hat. Nachdem sich die Antifa Uni nach mehr als 17jährigem Bestehen Ende Oktober
2006 aufgelöst hat (siehe: http://antifa.unihannover.tripod.com/Aktuell.html)
werden die explizit politischen Übersetzungen von nun an in individueller
Verantwortung unter diesem Logo veröffentlicht. Die Übersetzungen der
gewerkschaftsbezogenen Texte erscheinen ab sofort nur noch im Namen und in der
Verantwortung des Gewerkschaftsforums.
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wegen Referaten zur politischen und sozialen Entwicklung in Italien (oder in
Palästina) ab jetzt mit einer Mail an: negroamaro@mymail.ch oder gewerkschaftsforum-H@web.de