* Rosso:

 

Wie heiß es so schön? “Undankbarkeit ist der Welten Lohn!” Haben die USA als Führungsmacht der “Freien Welt” nicht alles getan, damit die etwas dekadenten und politisch leicht instabilen, halbfeudalen Regimes in Saudi-Arabien, Kuwait, Katar, Bahrein, VAE, Oman und Jemen die Bedrohung durch das republikanisch-nationalistische Baath-Regime unter Saddam Hussein los wurden und die Islamische Republik Iran ebenfalls auf Abstand gehalten wurde? Und die lokalen (nicht unbedingt „demokratischen“) Potentaten damit in den Sesseln der Macht gehalten? Haben die verschiedenen US-Administrationen der letzten Jahrzehnte nicht dafür gesorgt, dass der Rubel, Verzeihung: der Petrodollar (und in letzter Zeit auch der Euro), kräftig rollte und sich die Ölscheichs durch Milliardeninvestitionen im In- und Ausland – ökonomisch und finanziell – buchstäblich in fürstliche Großkapitalisten verwandeln konnten? Und nun das: Ausgerechnet das saudische Könighaus tritt George W. Bush und seinen Getreuen vors Schienbein und distanziert sich öffentlich von der “ausländischen Besetzung des Iraks”, die “illegal” bzw. “illegitim” sei. Was seinerseits wiederum de facto eine Legitimierung der gegen die Besatzer kämpfenden Guerillaverbände im Irak bedeutet. Dementsprechend wenig erfreut zeigte sich die US-Administration, um die herum es in der Irak-Frage immer einsamer wird (siehe den geplanten Abzug der britischen, polnischen und dänischen Truppen und den bereits erfolgten Abzug der Spanier, Italiener ...).

 

Dieser Schachzug der saudischen Führung ist längst nicht auf den Fall Irak beschränkt, sondern bewegt sich in Richtung einer stärkeren Autonomie von den USA und der Herausbildung einer arabischen Union nach dem Vorbild der EU zunächst einmal auf der arabischen Halbinsel, wie insbesondere die Pläne für die Schaffung einer Währungsunion bis 2010 zeigen (siehe neben stehendes Interview mit Nasser Al Suwaidi in der “FAZ” vom 23.3.2007).

Interessante Details zu dem Vorgang liefert der folgende Bericht aus der “Neuen Zürcher Zeitung” (www.nzz.ch) vom 31.3.2007, auch wenn sich der Autor über die Perspektiven noch etwas im Unklaren ist.

 

 

Verärgerung der USA über Saudi-Arabien

 

Durch Kritik an der “illegalen Besetzung” des Iraks überrumpelt

 

Auf die Kritik des saudischen Königs an der amerikanischen Militärpräsenz im Irak haben die USA ungehalten reagiert. Auch andere Irritationen belasten das Verhältnis der beiden Verbündeten.

 

A.R. Washington; 30. März

 

Der Gipfel der Arabischen Liga hat in den USA eine kühle Reaktion ausgelöst. Grund dafür ist nicht die Tatsache, dass die arabischen Staatsoberhäupter ihr Friedensangebot an Israel bekräftigt haben. Im Gegenteil hatten die USA die Wiederbelebung dieser Initiative im Vorfeld wohlwollend kommentiert. Aber die Administration Bush fühlt sich überrumpelt durch die Missbilligung ihrer Irak-Politik durch den saudischen König Abdallah. Dieser hatte sich zum Auftakt des Gipfels kritisch über die «ausländische Besetzung des Iraks» geäussert, die er je nach Übersetzung «illegal» oder «illegitim» nannte. Das Aussenministerium entgegnete umgehend, dass die amerikanische Militärpräsenz sowohl legal als auch legitim sei. Auch das Weisse Haus wies die Kritik zurück und machte damit klar, dass es die Rüge des engen Verbündeten für deplaciert hielt.

Rätselraten über Abdallah

Die USA sind sich bewusst, dass viele ausländische Regierungen den Einmarsch in den Irak im Jahr 2003 für illegal betrachten, weil er ohne Einwilligung des Uno-Sicherheitsrats erfolgt war. Aber die Fremdpräsenz ist seither auf ein völkerrechtliches Fundament gestellt worden, sowohl durch Beschlüsse der Uno als auch durch die Zustimmung seitens der irakischen Regierung. Ganz unabhängig von rechtlichen Überlegungen haben die USA Grund, Abdallahs Kritik als doppelzüngig zu betrachten. Immerhin hatte Riad den Amerikanern erlaubt, im Rahmen der Invasion von saudischem Boden aus Luftangriffe und Operationen von Spezialkräften gegen den Irak zu lancieren. Es ist zudem kein Geheimnis, dass dem Königshaus die Perspektive eines amerikanischen Abzugs wegen der zu erwartenden Erschütterungen in der Region Sorge bereitet. Es heisst, Abdallah habe im November Vizepräsident Cheney vor einem solchen Schritt gewarnt und gedroht, in diesem Fall die sunnitischen Rebellen finanziell zu unterstützen.

In Washington gibt es verschiedene Erklärungen für Abdallahs Verhalten. Manche Beobachter spielen die Episode am Gipfel herab und glauben, der Monarch buhle einfach um die Anerkennung der «arabischen Strasse». Eine andere Vermutung lautet, das Königshaus richte sich bereits auf die Zeit nach Bush aus und biedere sich bei der Demokratischen Partei an, die der Militärpräsenz lieber früher als später ein Ende setzen möchte. Da und dort wird aber auch die besorgte Frage laut, ob Abdallah auf Distanz zu den USA gehen wolle.

Offiziell beteuert die Administration, ihre Beziehungen zu Riad seien weiterhin ausgezeichnet. Dennoch hat Abdallah die Amerikaner an einem empfindlichen Nerv getroffen. Seit langem beklagen die USA, dass ihre arabischen Verbündeten die von Schiiten dominierte irakische Regierung nicht für voll nähmen. Diese Geringschätzung kommt auch in Abdallahs Worten zum Ausdruck, weil sie indirekt die Souveränität der Regierung Maliki anzweifelt. Schlimmer noch kann der Vorwurf der Illegalität als Ermutigung für die sunnitische Guerilla zu Angriffen auf die «Besetzer» betrachtet werden.

Diplomatischer Affront gegen Bush

Abdallahs Bemerkung hätte wenig Aufsehen erregt, gäbe die saudische Aussenpolitik nicht auch sonst zu Irritationen Anlass. Diese Woche wurde bekannt, der König habe die Einladung Präsident Bushs zu einem Staatsdiner im April ausgeschlagen. Amerikanische Diplomaten machen zudem kein Hehl aus ihrer Enttäuschung über die von den Saudi vermittelte Koalitionsvereinbarung der Palästinenser. Das Abkommen von Mekka ruinierte Aussenministerin Rices Plan, eine Allianz von «moderaten» arabischen Regimen zu schmieden und die Hamas im Lager der «Extremisten» zu isolieren.

Zudem geben die undurchsichtigen Machtverhältnisse am Königshof selbst Kennern grosse Rätsel auf. Im Dezember hatte Prinz Turki, ein Sohn des früheren Königs Faisal, seinen Posten als Botschafter in den USA abrupt aufgegeben. Es heisst, er sei von einer anderen Faktion um den rührigen Prinzen Bandar ausgebootet worden. Bandar hatte als Vorgänger Turkis in Washington eine enge Freundschaft mit der Familie Bush gepflegt und amtiert derzeit als Sekretär des saudischen Sicherheitsrates.

 

 

 

Vorbemerkung:   * Rosso

 

Der Name * Rosso steht für ein Mitglied der Antifa-AG der Uni Hannover und des Gewerkschaftsforums Hannover, das bereits in der Vergangenheit den Großteil der Übersetzungsarbeit beider Gruppen geleistet hat. Nachdem sich die Antifa Uni nach mehr als 17jährigem Bestehen Ende Oktober 2006 aufgelöst hat (siehe: http://antifa.unihannover.tripod.com/Aktuell.html) werden die explizit politischen Übersetzungen von nun an in individueller Verantwortung unter diesem Logo veröffentlicht. Die Übersetzungen der gewerkschaftsbezogenen Texte erscheinen ab sofort nur noch im Namen und in der Verantwortung des Gewerkschaftsforums.

 

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