Antifa-AG der Uni
Hannover & Gewerkschaftsforum Hannover:
Über den
von den drei großen Gewerkschaftszentralen CGIL, CISL und UIL organisierten
landesweiten Streik und die zentrale Demonstration der Beschäftigten im
Öffentlichen Dienst Italiens für einen angemessenen Tarifvertrag berichtet die
linke Tageszeitung „il manifesto“ vom 19.3.2005. Streik und
Demonstration waren von der Mobilisierung her ohne Frage ein Erfolg. Dennoch ist
die auch in anderen Zeitungen genannte Zahl von 200.000 Demonstranten wie so
oft eine „italienische Zahl“, d.h. weit übertrieben. CGIL-Linke aus Genua, die
an der Demonstration teilnahmen und sie auch zählten, um sich selbst ein Bild
zu machen, kamen auf real 7.000 bis 8.000 Teilnehmer.
Erwähnt
werden sollte auch, dass die kleinen linken Basisgewerkschaft des Öffentlichen
Dienstes zeitgleich ebenfalls streikten, allerdings für deutlich höhere
Tarifforderungen und verbunden mit einer klaren Stellungnahme gegen den Krieg
und für den sofortigen Rückzug des italienischen Truppenkontingents aus dem
Irak. (Entsprechende von uns übersetzte Texte finden sich unter http://antifa.unihannover.tripod.com/unter_italien2.html).
„Tarifvertrag sofort! Wir warten
nicht länger!“
Große Demonstration in Rom. Mehr als
200.000 öffentlich Bedienstete auf der Straße, um von der Regierung die Erneuerung
des Tarifvertrages zu fordern. <CISL-Generalsekretär> Pezzotta: „Die Geduld ist zu Ende.“
<CGIL-Generalsekretär> Epifani: „Wenn wir keine Antworten
bekommen, wird der Kampf generalisiert.“
ANTONIO SCIOTTO – ROM
„Berlusconi respektiere den
Pakt. Wir wollen unseren Tarifvertrag!“ „Olelè, Olelà, laß’ den Tarifvertrag
sehen, mach ihn greifbar…“ Und vor allem: „Unterschreib’ ihn und stell’ die
Gelder zur Verfügung!“ Pfiffe, Parolen, rote, grüne und blaue Luftballons und
vielfarbige Spruchbänder. Rentner und Jugendliche, „fest“ angestellte und
prekäre Arbeiter. Feuerwehrleute, Krankenpfleger, Ärzte und Studenten. In den
Ministerien und den Museen, den Finanzämtern, bei den Kommunen, Regionen und
Provinzen Beschäftigte. 200.000 Menschen aus ganz Italien überschwemmten
gestern die Straßen Roms, um die Erneuerung des Tarifvertrages des Öffentlichen
Dienstes zu fordern sowie die Respektierung der Würde derjenigen, die für den
Staat, die lokalen Einrichtungen, das Gesundheitswesen und für die Bürger
arbeiten, die diese Dienstleistungen in Anspruch nehmen, die die Regierung
Berlusconi abbaut. Die Erwartungen von CGIL, CISL und UIL wurden nicht
enttäuscht und sicherlich haben die letzten, von der Regierung und der <Industriellenvereinigung> Confindustria gestarteten – äußerst heftigen –
Attacken „geholfen“. Zweien, die sich verbündet haben, um zu verkünden, dass
die Forderungen <der
Beschäftigten> dieses Sektors zu hoch
sind und verglichen mit denen der Beschäftigten der Privatunternehmen „wenig
konkurrenzfähig“. Messina, Teramo, Vercelli, Taranto, Turin, Arezzo, Sondrio
und Gorizia. Vibo Valentia, Sassari und sehr viele – selbstverständlich – aus
Rom. Es gelingt uns nicht, alle Städte aufzuzählen, die wir beim Überfliegen
der Transparente gesehen haben, als wir uns vom Ende <der Demonstration> wegbewegten, das sich noch auf der Piazza della
Repubblica befand als die Spitze bereits in die Via Merulana einbog.
Enrico Foderà (47 Jahre)
arbeitet seit 27 Jahren bei der Kommune von Caltanissetta <Sizilien>. Als Mitglied der UIL ist er zusammen mit seinem
17jährigen Sohn Aurelio nach Rom gekommen: „Wir sind auf der Straße, weil wir
ein Recht auf den Tarifvertrag haben“, sagt er uns. „Der ist seit nunmehr 15
Monaten abgelaufen und die Kaufkraft geht schnell verloren. Mein ältester Sohn
geht auf die Universität, aber ich glaube nicht, dass ich es mir erlauben kann,
die Anderen auch dahin zu schicken.“ Enricos Frau hat ein kleines Geschäft. Sie
müssen an allem sparen. Aurelio erklärt uns, dass er schwerlich – genau wie
sein Vater – Beschäftigter im Öffentlichen Dienst werden wird: „Wenn das die
Perspektiven sind…“ Im Demoblock aus der Lombardei marschiert Angelo
Sangiovanni (RSU-Delegierter der <christdemokratischen> CISL des Lokalen Gesundheitsbetriebes (ASL) von Legnano): „Ich arbeite
seit 22 Jahren im Krankenhaus“ – erklärt er uns – „aber jetzt hat sich alles
geändert. Es gibt immer weniger Personal. Sie sparen soviel wie nur geht und
die Qualität der Dienstleistungen sinkt. Sie fordern uns auf, alles ganz
schnell zu machen. Es gibt keine Beziehung zu den Patienten mehr. Die
Neueingestellten sind prekär und <auch> ich
verzichte auf Tausend Dinge, um das Monatsende zu erreichen. Viele meiner
Kollegen werden von den Schulden erdrückt.“
Auf der Piazza San Giovannio
laufen wir einer großen Gruppe Feuerwehrleute in Arbeitskleidung über den Weg:
„Wir sind wegen des Tarifvertrages hier“, erklären uns Edmondo Bucchionio und
Davide Maccioni (CGIL-Delegierte aus la Spezia <im südlichen Ligurien>). Und wir kämpfen gegen die von der Regierung
betriebene Militarisierung der Feuerwehr. Die Hierarchien nehmen immer größere
Bedeutung ein. Sie benutzen uns für die Zwangsräumungen und möchten uns in eine
Polizeieinheit verwandeln. Es herrscht Personalmangel und es gelingt uns nicht,
Fortbildungskurse zu besuchen.“ Zahlreich sind die Schüler der <CGIL-nahen,
linkssozialdemokratischen Schülergewerkschaft> UDS (Unione degli Studenti / Schülerunion) vertreten – in Rom ebenso
wie in den 60 Städten, in denen die Gewerkschaften demonstrierten. Paolo
Nerozzi <aus dem
Nationalen Sekretariat der> (CGIL)
stellt fest, dass „Lehrer, Schüler und öffentlich Bedienstete die Rolle des
Öffentlichen schätzen und verteidigen“.
Im Demonstrationszug findet
sich aber nicht nur der Öffentliche Dienst. Ihre Unterstützung bekunden auch
die Sekretäre der <CGIL-Metallarbeitergewerkschaft> FIOM, Gianni Rinaldini und Giorgio Cremaschi. Und
das ist nicht bloß eine formale Teilnahme. Was die Gewerkschaften der <industriellen> Arbeiter auf die piazza getrieben haben,
waren sicherlich die jüngsten Attacken von Regierung und Confindustria: „Die
Äußerungen der stellvertretenden Vorsitzenden der Industriellen, Bombassei und
Pininfarina, waren de facto darauf ausgerichtet die tarifpolitische Blockade
aller Verhandlungen zu erklären, einschließlich der der Metallarbeiter“,
erläutert Rinaldini. „Wir fordern, genau wie der Öffentliche Dienst, eine
Lohnerhöhung von 8% und die Gegenseite bietet 4% an. Das Abkommen der
Bankangestellten und die <tarifpolitische> Plattform der Beschäftigten der
Lebensmittelindustrie bestätigen, dass es keinen Sinn mehr hat, auf die von der
Regierung veranschlagte Inflation zu schauen.“ Cremaschi spricht seinerseits
von einem regelrechten „Tauschhandel zwischen Unternehmen und Regierung: Die
Regierung hat zu dem Plan in Sachen Konkurrenzfähigkeit Ja gesagt. Einem Plan,
der den Unternehmen überhaupt nicht helfen wird. Während die Exekutive die
Tarifverträge des Öffentlichen Dienstes blockiert, um es <dem Metallindustriellenverband> Federmeccanica zu ermöglichen, unangemessene Zahlen
anzubieten.“
Von der Bühne herunter
spricht als Erster Luigi Angeletti (<Generalsekretär der> UIL): „Dies ist die größte Demonstration des Öffentlichen Dienstes in
der italienischen Geschichte“, beginnt er. „Und das deshalb, weil die
Beschäftigten aufgebracht sind. Sie fordern den Tarifvertrag, auf den sie ein
Recht haben. Das wirkliche italienische Wunder?“, fragt er. „Das vollbringen
die öffentlich Bediensteten, um das Monatsende zu erreichen.“ Angeletti
kritisiert auch die Confindustria, „eine schlechte Ratgeberin“ der Regierung:
„Sie wollen die Ziele der Exekutive festlegen, um ihren Beschäftigten dieselbe
Entlohnung zuteil werden zu lassen.“ Auch Savino Pezzotta (<Generalsekretär der> CISL) ist wütend: „Wir sind nicht bereit, noch
länger zu warten. Es ist nicht akzeptabel 15 Monate lang auf einen Tarifvertrag
warten zu müssen. Oder mehr als 3 Jahre lang, wie es bei den Ärzten und beim
wissenschaftlichen Forschungspersonal an den Universitäten der Fall ist. Man
spricht soviel von Konkurrenzfähigkeit, aber wie erreicht man die ohne eine
qualifizierte Verwaltung? Die Regierung betrachtet die Staatsangestellten als
Klotz am Bein und mit einer verfehlten Steuerreform tut sie so als würde sie
etwas geben. Aber in Wirklichkeit steigen die Kosten für Dienstleistungen und
Gebühren. Wir werden hier nicht halt machen“, lautet die Schlussfolgerung. „Wir
werden weitermachen bis wir die Tarifverträge unterschrieben haben.“ Dem Führer
der CGIL, Guglielmo Epifani zufolge „bewegt sich die Regierung wie die Krebse“.
Von dem <Lega
Nord-Arbeits-> Minister Maroni
fordert Epifani klar und deutlich, damit „aufzuhören, die Unterzeichnung der
Tarifverträge zu behindern“. „In seiner Rolle“ – fügt er hinzu – „sollte er im
Gegenteil zu ihrer Erneuerung beitragen.“ Und auch die Confindustria bekommt
ihr Fett weg: „Sie muss aufhören, sich in diese Tarifverträge einzumischen und
zu versuchen, sie zu verhindern. Sie sollte lieber daran denken, ihre eigenen
abzuschließen – zuallererst denjenigen der Metallarbeiter.“ „Wenn die Regierung
keine echten Angebote macht“ – schließt Epifani – „werden wir unsere
Mobilisierung fortsetzen und ausweiten und dafür sorgen, dass sie genereller
wird.“
Vorbemerkung,
Übersetzung und Einfügungen in eckigen Klammern:
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