* Rosso:
Zum Generalstreik
der antiimperialistischen und anti-neoliberalen Kräfte im Libanon, deren Front von
der Hisbollah über die linken, sunnitischen Nasseristen,
linke Drusen, die libanesische KP und den Gewerkschaftsbund CGTL bis hin zum
christlich-laizistischen FPC bzw. FPM von Michel Aoun
reicht, am Dienstag, den 23. Januar 2007, brachte die linke italienische Tageszeitung
„il
manifesto“ am 24.1.2007 den folgenden Kommentar:
Die Revanche der Ausgeschlossenen
Die Opfer der wirtschaftsliberalen Politik des ehemaligen
Ministerpräsidenten Hariri und seiner „Schweiz
des Mittleren Ostens“ sind mit der Hisbollah
Michele Giorgio
Fouad Siniora hat den Libanon im
Chaos des von Gewerkschaften und Opposition ausgerufenen Generalstreiks verlassen
und wird sich heute, vor der 3.Konferenz der Geberländer, die morgen in Paris
beginnt, mit Jacques Chirac treffen. Der libanesische Ministerpräsident wird
seinen westlichen Gesprächspartnern die geplanten Wirtschaftsreformen erläutern,
gegen die zu Hause die Allgemeine Konföderation der Arbeit des Libanon (CGTL)
protestiert.
Wenn von der libanesischen Krise
gesprochen und geschrieben wird, bezieht man sich dabei zumeist ausschließlich
auf die stattfindende politische Auseinandersetzung zwischen den Kräften der so
genannten anti-syrischen und regierungsfreundlichen Front des „14.März“ und der von der schiitischen
Partei Hisbollah angeführten Opposition, der aber auch die christliche Bewegung
der „Freien Patrioten“ des
Ex-Generals Michel Aoun und die andere schiitische
Partei (Amal) angehören. Oder es werden wirkliche und
angebliche Interessen des Iran, der Vereinigten Staaten, Syriens und Israels
hervorgehoben. Zu der politischen Kampagne, die die Hisbollah und die anderen
Oppositionsparteien betreiben, gehören allerdings auch starke wirtschaftliche
Forderungen und ein sozialer Protest, dessen sich der schiitische Leader Hassan Nasrallah und der
Ex-General Aoun nur zum Teil bewusst sind. Von den
aus den schiitischen Stadtteilen Beiruts kommenden Demonstranten und den
Christen aus dem Südlibanon, die seit Anfang Dezember 2006 einen permanenten
Sitzstreik gegen die Regierung im Zentrum Beiruts veranstalten, können sich nur
wenige erlauben 5 bis 6 Dollar für einen Tee in einem der luxuriösen Lokale in
den Stadteilen Jammaizeh oder Achrafiyeh
auszugeben.
Diese Summe bedeutet für die
ärmsten (moslemischen und christlichen) Libanesen Nahrung für drei Tage. In dem
von Rafiq Hariri (der vor zwei Jahren ermordet wurde)
entwickelten ‚Libanon der Marktgesetze’
sind die wirtschaftlichen und sozialen Unterschiede enorm und die Schiiten, die
seit jeher den ärmsten Teil der Bevölkerung repräsentieren, haben in der
Hisbollah nicht nur ihre politische Würde gefunden, sondern auch jene Sozialfürsorge,
die sie von Regierungen, die seit dem Ende des Bürgerkrieges (1990) darauf
ausgerichtet waren, eine Minderheit von Christen, sunnitischen Moslems und
Drusen abzusichern und den Rest der Bevölkerung dabei außen vorzulassen, niemals
in ausreichendem Maße erhalten haben. <Der ehemalige Ministerpräsident und Saudi-freundliche Milliardär> Rafiq Hariri, dessen
Verdienst, zum Wiederaufbau des Libanon beigetragen zu haben, nicht bestritten
werden kann, beging Fehler, deren öffentliche Auflistung sein „Märtyrer“-Status im Libanon nicht erlaubt.
Ausgehend von dem auf die Religionsgemeinschaften
bezogenen / sektiererischen politischen System, dass die Abkommen von Taif (1989) über das Ende des Bürgerkrieges nicht nur nicht
ausgehebelt, sondern sogar noch verstärkt haben, schwebte Hariri ein Libanon
nach Maß der Reichen vor und genau diesen verwirklichte er dann auch. Er
scheiterte bei der Verteilung des nationalen Reichtums, weil er auf den Luxus
eines exklusiven Beiruter Zentrums setzte, das nur für die einheimischen und
ausländischen Reichen und für die Unternehmen erschwinglich ist. Er, der als
äußerst geschickter, mit den saudischen Petrodollars verbundener Geschäftsmann
betrachtet wurde, beging den Fehler sich den Libanon als Finanzzentrum des
Mittleren Ostens vorzustellen, ohne daran zu denken, dass Dubai dabei die
Oberhand haben würde. Bereits seit den 90er Jahren hatten
die Golfstaaten kein Bedarf mehr daran, ihre Geschäfte über den Libanon
abzuwickeln.
Auf dem Libanon, der in Rafiq Hariris Träumen wieder zur „Schweiz des Mittleren Ostens“ werden sollte, lastet stattdessen
eine immense Staatsverschuldung (41 Milliarden Dollar, ca. 180% des
Bruttoinlandsproduktes), die nach dem Willen von Ministerpräsident Siniora die Armen bezahlen sollen. Der Reformplan, den er
morgen präsentieren wird, sieht eine starke Erhöhung der Mehrwertsteuer vor,
Privatisierungen staatlicher Unternehmen sowie die Erhöhung der öffentlichen
Gebühren. Das alles im Namen eines Wachstums von 4% bis 5%, das in den
Armenvierteln von Beirut oder in den Dörfern des Südlibanon nicht
notwendigerweise zu Arbeitsplätzen führt.
Vorbemerkung,
Übersetzung und Einfügung in eckigen Klammern:
* Rosso
Der Name * Rosso steht
für ein Mitglied der Antifa-AG der Uni Hannover und
des Gewerkschaftsforums Hannover, das bereits in der Vergangenheit den Großteil
der Übersetzungsarbeit beider Gruppen geleistet hat. Nachdem sich die Antifa Uni nach mehr als 17jährigem Bestehen Ende Oktober
2006 aufgelöst hat (siehe: http://antifa.unihannover.tripod.com/Aktuell.html)
werden die explizit politischen Übersetzungen von nun an in individueller
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