* Rosso:
Seit Amtsantritt der Mitte-Links-Regierung unter Romano Prodi Anfang Mai 2006 trägt Rifondazione Comunista (PRC) die Regierungspolitik brav mit, egal welche Kröten der christdemokratische ehemalige EU-Kommissionspräsident ihr auch auftischt. In einem Interview für “Die Zeit” vom 8.6.2006 hatte sich Prodi bezüglich der „Kommunisten“ in seinem Kabinett und in seiner Parlamentsmehrheit bereits sehr eindeutig und treffend geäußert: “Wir sind Italiener, aber bei euch erschien mir das ganze Procedere sehr viel angestrengter. Wir haben nur mehr Folklore: die Rifondazione Comunista, die Comunisti Italiani. Aber verglichen mit Lafontaine, ist das eher harmlos.“ (siehe: http://www.zeit.de/2006/24/Prodi-Interview)
Da drängt sich die Frage auf: Was tut eigentlich die innerparteilige linke Minderheit im PRC gegen diesen Niedergang? Immerhin repräsentierten die vier Strömungen der Parteilinken (die KP-Traditionalisten von “l’Ernesto”, die rechtstrotzkistische, dem Vereinigten Sekretariat der 4.Internationale angeschlossene “ERRE”-Gruppe, der linkstrotzkistische “Progetto Comunista” und die kleine an Ted Grant und Alan Woods orientierte “Falce Martello”-Fraktion) auf dem letzten Parteitag zusammen 40% der Mitglieder...
Francesco Ricci (39), bis zur Trennung am 22.April 2006 Mitglied der
Nationalen Leitung von Rifondazione und nun führender Kopf des Progetto
Comunista – Rifondare l’Opposizione die Lavoratori (Kommunistisches Projekt
– Die Arbeiteropposition neu begründen – PC ROL), die sich wegen der
Regierungsbeteiligung vom PRC abspaltete, gibt in einem Artikel für die
zweimonatlich erscheinende Zeitung “Progetto Comunista”
Nr. 5 vom Oktober 2006 einen Überblick über die Positionen der Parteilinken zum
italienischen Militäreinsatz im Libanon. Einer “Mission”, die nicht nur
den imperialistischen Vorposten Israel schützen, sondern auch die ökonomischen
Interessen der G8-Macht Italien in der Region absichern soll. (Italien ist der
größte Handelspartner des Libanon!) Besagter Artikel erschien aufgrund der
aktuellen Entwicklungen bereits am 27.9.2006
mitsamt einer kurzen Einleitung als “Vorabdruck” auf der Website des PC ROL www.progettocomunista.org . Die
folgende Übersetzung beruht auf dieser “Maxiversion”.
Abstimmung über die Libanon-Mission:
Die Einheit der
beiden bürgerlichen Pole und die Heuchelei der “kritischen Linken”
Mit der Zustimmung beider bürgerlicher
Pole der Alternanz hat die Abgeordnetenkammer gestern für die neue “Friedensmission”
des italienischen Imperialismus im Libanon votiert.
Wir veröffentlichen hier
vorab einen Artikel, der den Positionen der “kritischen Linken” von
Rifondazione (“l’Ernesto” und “ERRE”) gewidmet ist und im Rahmen
eines umfangreichen Dossiers erscheinen wird, dass sich in der Ende der Woche
erscheinenden Oktober-Ausgabe von “Progetto Comunista” mit dem Libanon
beschäftigt. Der Artikel wurde vor ein paar Wochen geschrieben. Die
nachfolgenden Ereignisse haben die politische Analyse allerdings bestätigt.
Nach intensivem, “kritischem” Nachdenken stimmten die zu “l’Ernesto”
gehörenden Parlamentarier (die die Presse als “Rebellen” bezeichnete)
für die Mission; während der ERRE-Abgeordnete Salvatore Cannavò soweit
ging... sich nicht an der Abstimmung zu beteiligen. Ohne deshalb allerdings
seine Unterstützung für die Regierung Prodi in Frage zu stellen.
Die Opposition zur
Kolonialmission im Libanon hat im Parlament keine Stimme. Die muss sie auf den
Straßen und in den Arbeitsstätten finden. Als PC ROL setzen wir uns dafür ein,
auch indem wir uns an den kommenden lokalen und nationalen
Mobilisierungsaktionen beteiligen. Die von den Basisgewerkschaften organisierte Demonstration am kommenden Samstag (dem
30.September in Rom) ist ein erster bedeutender Moment. Daher rufen wir zur
Teilnahme daran auf.
Das Feuer der Rebellen brennt nicht mehr
Es wäre interessant (und
befriedigend) auch nur einen Teil jener hunderttausend Artikel
zusammenzutragen, mit denen sie uns zwei Jahre lang traktiert haben. Jene über
die Gewaltfreiheit. Und dann (wie in einem alten Film von Moretti, in dem ein
unverständlicher Kinokritiker dazu gezwungen wurde die in seinen Artikeln
enthaltenen Dummheiten laut vorzulesen) die Autoren dazu zu zwingen sie laut
vorzulesen, allerdings – und da liegt der Unterhaltungswert – im Wechsel mit
den Artikeln, die sie heute über den Libanon schreiben.
Zwei sehr lange Jahre über
hat die linke Presse (nicht nur “Liberazione”, sondern auch “il
manifesto” und jede “Antiglobalisierungs”-Zeitschrift) uns (wie die
Portugiesen den Bacalao / Kabeljau) die auf 365 verschiedene Arten
zubereitete Gewaltfreiheit verabreicht. Es gab kein Argument, das nicht
unvermeidlich genau dahin führte. Es gab kein Gericht, das nicht wenigstens ein
Stückchen davon enthielt. Sie haben uns mit einer Fülle von Details erläutert,
dass die Gewaltfreiheit als absoluter Wert verstanden werden
müsse. Nicht als ein Mittel, sondern als ein Ziel (was immer das
bedeuten kann, wenn es denn etwas bedeutet).
Versucht einmal die Artikel
von Rina Gagliardi <bis
zu den Parlamentswahlen im April 2006 stellvertretende Chefredakteurin der
PRC-Tageszeitung “Liberazione” und seitdem Senatorin !> über die Gewaltfreiheit den Leitartikeln
gegenüberzustellen (und sie abwechselnd mit diesen zu lesen), in denen sie uns
jetzt erklärt, dass die bewaffnete (bis an die Zähne bewaffnete) Libanon-Mission
nicht nur Unterstützung verdient, sondern sogar “eine moralische Pflicht”
sei. Etwas für das man <dem
führenden Linksdemokraten (DS) und Außenminister> Massimo D’Alema danken müssen (auf den sie, im Chor
mit <”il
manifesto”-Mitbegründerin und -Kolumnistin> Rossana Rossanda – Anm.1 – Lobeshymnen singt). Jetzt
ist der Einsatz von Gewalt nicht nur möglich, sondern werden denjenigen, die
dagegen opponieren, auch vernichtende Blicke der Missbilligung
zugeworfen. Gewiss – das muss anerkannt werden – gibt es einen Unterschied: Die
Gewalt, von der jetzt die Rede ist, ist die der imperialistischen Armeen... und
wie es die Tradition will, weiß jeder gute Reformist stets zwischen der Gewalt
der Unterdrückten und derjenigen der Unterdrücker zu unterscheiden (wobei er
sich unfehlbar auf die Seite der Letzteren stellt).
Geht man ein bisschen weiter
nach links ändert sich das Panorama nicht. Die Rebellion der rebellischen
Vorstandsmitglieder des PRC ist bereits beendet. Hin und wieder blasen <der führende Kopf der “l’Ernesto”-Strömung> Grassi und Cannavò ein bisschen ins Feuer, aber es
ist wie bei den Feuerschluckern auf den Dorffesten: Es brennt nichts.
Zur Entsendung italienischer
Militärs in den Libanon (um die Hisbollah zu entwaffnen und Israel gegen die
Palästinenser zu verteidigen) schweigt die größte Minderheit des PRC Essere
Comunisti / “l’Ernesto”. Auf der Internetseite der “Grassi-Anhänger”
findet man zu diesem Thema fast nichts. Leonardo Masella, einer der wichtigsten
Führer dieses Bereiches hat uns jedenfalls zuallererst mal darüber informiert
(Anm.2), dass “diese Angelegenheit ganz anders als der Irak und als
Afghanistan ist” (ach ja, und warum?) und dass Rifondazione “gut daran
getan hat für die von der Regierung vorgeschlagene ‚gute Absicht‘ zu stimmen”.
Wo liegt das Problem und damit die Kritik, die die führenden Vertreter dieses “kritischen
Bereiches” des PRC – wie immer – leisten? Man muss, fügt Masella hinzu, “sehr
genau auch auf die Details” der Mission “achten”. Unterdessen bedarf
es einer “Richtung weisenden Motion”, die sicherstellt, dass die Mission
“einen starken und dauerhaften Frieden im gesamten Mittleren Osten sichern”
will. Wobei “eine Konzeption der Diskontinuität” gegenüber der
vorangegangenen Regierung <Berlusconi> hervorgehoben wird. Sodann “braucht
es eisenharte Garantien, dass die Mission nicht im Laufe der Zeit ihre Natur
ändert und in der Folge von der UNO zur NATO abgleitet”. Also muss man
dafür sorgen, dass die beteiligten Armeen (unter Einbeziehung Chinas und Russlands)
eine “endlich multilaterale” Präsenz schaffen. Schließlich müssen die “Regeln
des Engagements” ganz genau definiert und damit sichergestellt werden, dass
die Mission eine “Peace Keeping- und keine Peace Forcing” <eine friedenserhaltende und keine
Frieden schaffende> Mission ist.
Im Wesentlichen ist
notwendig, dass der Imperialismus auf einem Stück Papier, Schwarz auf Weiß
einige Garantien dafür liefert, dass er in den Mittleren Osten ziehen will (der
zufällig, aufgrund von Erdöl und Erdgas, von dem die Welt lebt, eine
entscheidende Zone ist), nur um sich wie ein Mitglied der Pfadfinder im
Grundschulalter zu verhalten. Unter diesen Bedingungen – “eisenharten
Bedingungen” – können die imperialistischen Truppen den Libanon mit
Einwilligung von Grassi und Masella besetzen.
Die Dinge werden nicht viel
besser, wenn man ein Auge auf die Erklärungen der führenden Vertreter des
anderen Minderheitsbereiches – “ERRE” – wirft, der erst vor einigen
Monaten in Sachen Afghanistan gegen die Regierung “rebellierte”. (Eine
Rebellion, die mit einem Vertrauensvotum für genau diese Regierung und mit der
daraus folgenden Entsendung von Truppen endete.
In einem sehr eindeutigen
Artikel (Anm.3) von Ende August listet Salvatore Cannavò einige “Vorbehalte”
(sic!) bezüglich des Regierungsbeschlusses auf, den er für “überhastet”
hält. Zunächst einmal zeigt er sich zufrieden darüber, dass man (vermutlich als
Ergebnis seiner erbarmungslosen “Kritik”) endlich nicht mehr “das
Schema für Afghanistan benutzt, dass sich auf die NATO-Intervention gründete”.
Dann hebt er als “bedeutenden Umstand” hervor, dass “Italien
Protagonist einer Befriedung und eines positiven Verhältnisses zur
arabisch-islamischen Welt ist” Nachdem das gesagt ist, muss dennoch ein
wenig Kritik geübt werden. Schließlich wäre es besser, wenn die UNO “eine
sehr viel klarere und definitivere Resolution als die Resolution 1701”
beschließen würde, die wirklich – etwas, das einem scharfen Beobachter wie
Cannavò nicht entgeht – “das von Israel begangene Massaker nicht berücksichtigt”
und auf die Entwaffnung der Hisbollah hindeutet.
Woher rühren diese Sorgen
Cannavòs? Von der Tatsache her, dass die Regierung, die sein Bereich
unterstützt, dabei ist – unter dem Deckmantel der UNO – Truppen zu entsenden,
um die Interessen des italienischen Imperialismus auf Kosten der abhängigen
Länder der Region zu schützen? Nein. Cannavò ist besorgt, dass “die
Zweideutigkeiten der UNO (...) für die Sicherheit unserer Soldaten
gefährlich sind” (die Hervorhebung ist das Einzige in diesem Satz, das von
uns stammt) und dass die Möglichkeit besteht, das all dies zu einer “neuen
Delegitimierung der UNO” führt und vielleicht sogar dafür sorgt, dass “Italien
und Europa zwischen zwei Feuern stehen”.
Was also tun? Cannavò
zufolge (und wir wollen hoffen, dass Prodi und die italienischen Generäle diese
Empfehlungen in gebotener Weise berücksichtigen) muss man eine “gebührende
Präzisierung der politischen Basisbedingungen” vornehmen. Man muss dafür
Sorge tragen, dass Italien zur “Organisatorin einer wirklichen
Friedenskonferenz mit allen interessierten (sic!) Seiten” wird, “die
in der Lage ist ein Gesamtabkommen zu finden, um dann eine internationale
Präsenz zur Sicherung dieses Abkommens zu schaffen”, d.h. eine “rein
pazifistische Positionierung zwischen zwei bewaffneten Kontrahenten”.
Hier liegt der wirklich
entscheidende Punkt der Frage, der uns bislang entgangen war. Nicht die
Existenz einer Kolonie des Imperialismus (Israel), die auf der Vertreibung der
Palästinenser von ihrem Land aufbaut und davon lebt, sondern “zwei
bewaffnete Kontrahenten”, die ein neutraler Schiedsrichter (der
italienische und europäische Imperialismus) trennen muss, damit sie aufhören
sich sinnlos zu streiten. Wie soll man all das bewerkstelligen? Cannavò macht
einen ähnlichen Vorschlag wie Masella: Man muss im Parlament eine Diskussion
führen und “ein politisches ad hoc-Dokument” erstellen, “das die
gebotene Klarheit (...) über die Perspektive schafft, in der Italien
beschließt aktiv zu werden ”. Eine Perspektive, die Cannavò ganz klar zu
sehen vorgibt. (Das nehme zur Kenntnis, wer dessen bedarf!)
Wenn man diese Artikel
liest, kann man sich das Gelächter von Prodi und D’Alema auf ihren
sonntäglichen Treffen in Salons vorstellen, die mit Bankiers und Ölmanagern
überfüllt sind, während sie die Fernsehsender der Mitte-Rechten verfolgen, die
die Schwierigkeiten hervorheben, zu denen die Diktate von Ferrero <Rifondazione Comunista +
Minister für Soziale Solidarität>
sowie die (sanften) Neins der rebellischen Parlamentarier in punkto
Regierungsstabilität <angeblich> führen.
Es ist zu hoffen, dass die
ehrlichsten Unterstützer dieser so genannten “kritischen Bereiche” sich
über das Abdriften klar werden, zu dem sie die verschiedenen Grassis und
Cannavòs verurteilen, die (da sie die Sprache, in der die kapitalistische Welt
verfasst ist, nicht verstehen) etliche Hundert Militante, um Galileo Galileis
Worte zu verwenden, dazu zwingen “vergeblich durch ein finsteres Labyrinth
zu irren” (Anm.4).
(1) Siehe den Leitartikel von “il manifesto” vom
30. August 2006: R.Rossanda, “Unsere Wette”, der so endet: “Die
Autorin dieser Zeilen ist gewöhnlich keine Bewunderin von Massimo D’Alema, aber
die außenpolitische Linie, die er der Regierung gibt, ist gut.”
(2) L.Masella, “Libanon: Die Bedingungen, um nicht in
einen wirklichen und wahrhaftigen Krieg hineingezogen zu werden” in “Liberazione”
vom 23. August 2006.
(3) “Die vielen kontroversen Punkte der UNO-Mission im
Libanon” von S. Cannavò in “Liberazione”
vom 24. August 2006.
(4) Galileo schreibt (in “Il Saggiatore /
Der Prüfer bzw. Die Goldwaage, 1623) über das Buch der Natur, “Dass
es uns allen offen vor Augen liegt” und dass “man es nicht verstehen
kann, wenn man nicht zuvor lernt die Sprache zu verstehen und die
Schriftzeichen zu entziffern, in denen es geschrieben ist”. Der Bezug ist –
in seinem Fall – ein mathematischer.
Vorbemerkung,
Übersetzung und Einfügungen in eckigen Klammern: *
Rosso
Der Name * Rosso steht für ein Mitglied der Antifa-AG
der Uni Hannover und des Gewerkschaftsforums Hannover, das bereits in der
Vergangenheit den Großteil der Übersetzungsarbeit beider Gruppen geleistet hat.
Nachdem sich die Antifa Uni nach mehr als 17jährigem Bestehen Ende Oktober 2006
aufgelöst hat (siehe: http://antifa.unihannover.tripod.com/Aktuell.html)
werden die explizit politischen Übersetzungen von nun an in individueller
Verantwortung unter diesem Logo veröffentlicht. Die Übersetzungen der
gewerkschaftsbezogenen Texte erscheinen ab sofort nur noch im Namen und in der
Verantwortung des Gewerkschaftsforums.
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Palästina) ab jetzt mit einer Mail an: negroamaro@mymail.ch oder gewerkschaftsforum-H@web.de