Antifa-AG der Uni Hannover & Gewerkschaftsforum Hannover:

 

Die im engeren Sinne sozialen und gewerkschaftlichen Auseinandersetzungen in Palästina gehen in den Meldungen über den Widerstand gegen die israelische Besatzungspolitik und den Kampf für einen wirklich souveränen und lebensfähigen palästinensischen Staat auf dem gesamten Territorium der 1967 besetzten Gebiete zumeist unter. Um so erfreulicher, dass Vittorio Longhi die jüngsten gewerkschaftlichen Entwicklungen in Palästina (mitsamt dem Verhältnis zum staatstragenden israelischen Gewerkschaftsbund Histadrut) für die unabhängige linke italienische Tageszeitung „il manifesto“ vom 1.Mai 2005 kurz zusammengefasst hat.

(Zur israelischen Gewerkschaftsentwicklung siehe auch den kritischen Artikel des israelischen Gewerkschaftslinken Dani Ben Simhon „Die Demontage der Histadrut“ unter: http://antifa.unihannover.tripod.com/Histadrut-Demontage.htm)

 

PLANET ARBEIT:

 

Israel – Palästina: (Gewerkschaftliches) Übereinkommen

 

VITTORIO LONGHI

 

Die gewerkschaftlichen Beziehungen entwickeln sich mittlerweile im gleichen Schritt wie die politischen. Im neutralen Sitz des Internationalen Bundes Freier Gewerkschaften (IBFG) in Brüssel trafen sich in den vergangenen Tagen der Generalsekretär des palästinensischen Gewerkschaftsbundes, Shaker Sae’d, und der Präsident der israelischen Gewerkschaftszentrale Histadrut, Amir Peretz. Die Beiden diskutierten lange Zeit (zumindest offiziell) nicht miteinander über Kooperationsprojekte zum Schutz der palästinensischen Arbeiter – denjenigen, die unter dem Konflikt am stärksten leiden.

 

Sae’d und Peretz erklärten, dass sie bereit seien, sich zu einem neuen Abkommen zu verpflichten, das der Ausbeutung in den israelischen Unternehmen vorbeugt, den Zugang und die Legalisierung vereinfacht und den Arbeitern eine bessere soziale und Gesundheitsversorgung sichert. Der letzte Pakt dieser Art geht auf das Jahr 1995 zurück als Histadrut versprach, die Gewerkschaftsbeiträge <genauer gesagt 50% davon !> der damals in Israel beschäftigten Palästinenser in die Kassen der PGFTU fließen zu lassen. Eine Überweisung, mit der jedoch niemals begonnen wurde und die nach <Beginn> der 2.Intifada <Ende September 2000> völlig gestoppt wurde als man alle Beziehungen eingefror. Heute hingegen legen die beiden Gewerkschaftsführer Wert darauf, auch die Unterstützung des von der Road Map vorgesehenen Friedensprozesses zuzusichern. Einer Road Map, die Sae’d zufolge die Existenz, die Unabhängigkeit und die Harmonie zwischen den beiden Völkern garantiert.

 

Trotz der entspannten Töne und den erklärten guten Absichten ist jedoch nicht klar, welche Arbeiter Histadrut mit beschützen kann, da die Regierung Sharon vor kurzem angekündigt hat, alle in Israel beschäftigten Palästinenser – als Teil des Rückzugsplans – ausweisen zu wollen. Den Zugang zur Arbeit zu versperren, bedeutet, der palästinensischen Wirtschaft, die auf diese Löhne in starkem Maße zählt und seit jeher (in einem Abhängigkeitsverhältnis) mit der israelischen verbunden ist, den Gnadenstoß zu versetzen.

 

„Unser Produktionssystem ist nicht in der Lage, eine ausreichende Beschäftigung zu sichern“, sagt der palästinensische Arbeitsminister Abu Libdeh. „Dieser weitere Ausschluss wird bei uns ein soziales Desaster hervorrufen.“ Selbst die Weltbank, eine offene Unterstützerin der eindeutigen Trennung zwischen den beiden Staaten, hat vor dem Schaden gewarnt, der durch eine derartige Intervention verursacht würde und rief die <israelische> Regierung auf, den Zeitraum zu verlängern. Der Prozess der Säuberung von der palästinensischen Arbeit ist allerdings mittlerweile am Ende angelangt. Unter dem Vorwand der Intifada und der Selbstmordanschläge ist es Sharon in den letzten Jahren gelungen, den größten Teil der Araber zu entfernen und die Hunderttausenden von Arbeitern, Maurern und Tagelöhner durch <noch> günstigere und erpressbarere Migranten aus Europa und Ostasien zu ersetzen. Seit dem Jahr 2000 wurden mehr als 150.000 Palästinenser von israelischen Unternehmen entlassen und heute sind es nur noch wenig mehr als 12.000 Menschen, die sich jeden Tag aus Cisjordanien und aus Gaza auf die andere Seite der Mauer oder in die Siedlungen begeben, um dort legal zu arbeiten, während die Zahl der Illegalen ca. 20.000 betrage.

 

Alle diese sind Teil der begrenzten Minderheit der Beschäftigten in Palästina. Die Arbeitslosen, zu denen diejenigen gehören, die die Arbeit verloren haben und diejenigen, die nicht mehr aus den Ghettos herauskommen, um welche zu finden, stellen mittlerweile durchschnittlich 75% <der arbeitsfähigen Bevölkerung>. Eine Situation, die mehr als 62% der Bevölkerung unter die Armutsschwelle von 3,50 Dollar am Tag gebracht hat und die dabei ist eine Reihe – auch für die Kontrolle durch die Autonomiebehörde und den <palästinensischen> Gewerkschaftsbund – alarmierende Serie von sozialen Protesten auszulösen. Am 12.März gingen in Gaza mehr als 10.000 Menschen in einer Demonstration gegen Armut und Arbeitslosigkeit auf die Straße, die von den unabhängigen Arbeiterkomitees und dem Zentrum für Demokratie und Rechte von Mohammed Dahman und Hasan Barghuti organisiert wurde. In der, aufgrund der <mittlerweile von Palästinenserpräsident und Fatah-Chef Abbas verschobenen> Parlamentswahlen im Juli angespannten Situation hat die PGFTU, die von der Al-Fatah-Mehrheit beherrscht wird, sofort das Eingreifen der Sicherheitskräfte der Autonomiebehörde gefordert, damit die Aktion der Komitees eingeschränkt wird. Diese Organisationen würden – den Vertretern des Gewerkschaftsbundes zufolge – in illegaler Weise agieren, da sie vom Innenminister nicht anerkannt und stark von einigen Gruppen der <linken Gewerkschafts-> Minderheit „politisiert“ seien. Genauer gesagt von der Nationalen Initiative <Mubadara> des fortschrittlichen Politikers Mustafa Barghuti, von der Volksfront <PFLP> und vor allem von der Hamas.

 

 

Vorbemerkung, Übersetzung und Einfügungen in eckigen Klammern:

Antifa-AG der Uni Hannover und Gewerkschaftsforum Hannover