* Rosso:
Beim
Generalstreik der politischen Opposition und des Gewerkschaftsbundes CGTL am
Dienstag, den 23.Januar 2007, sowie den Straßenkämpfen auf dem Campus der
Amerikanischen Universität Beirut zwischen Oppositionellen und
Regierungsanhängern zwei Tage darauf wurden laut der FAZ vom 25.1. und der “Süddeutschen
Zeitung” vom 27.1.2007 insgesamt mindestens 9 Menschen getötet und ca. 330
verletzt. Verantwortlich für diese Opfer waren zum überwiegenden Teil die
bewaffneten Schlägertrupps der rechtsradikalen (christlich-maronitischen)
Falangepartei “Forces Libanes” (FL) des Massenmörders und
Regierungspolitikers Samir Geagea sowie die Security-Guards der Partei
des (sunnitischen) Großkonzerns Hariri Incorporation (das libanesische
Gegenstück zu Berlusconis Forza Italia und allesamt würdige Partner der
Antideutschen!), die das Ziel hatten die Streikenden und Demonstranten
einzuschüchtern bzw. die Hisbollah zu einem Gegenschlag zu provozieren. Dadurch
sollten die libanesische Armee und die unter dem Etikett UNIFIL 2 im Libanon
stationierten Truppen Frankreichs, Italiens, Spaniens, der BRD etc. zum
direkten militärischen Eingreifen bewegt werden. Das gelang ihnen (von
Warnschüssen in die Luft der ebenfalls innerlich gespaltenen libanesischen
Armee und einer kurzen nächtlichen Ausgangssperre einmal abgesehen) bisher
nicht, auch wenn sich gerade die Falangisten alle Mühe geben.
Zur
Lage im Libanon brachte die unabhängige linke italienische Tageszeitung “il
manifesto” am 26.1.2007 ein Interview mit dem
Führungsmitglied der oppositionellen christlich-laizistischen Partei des
Ex-Generals Aoun, Mai Akl.
“Mit diesem Ministerpräsidenten gibt
es nur Schulden. Die Hilfen sollten an eine neue Regierung gehen.”
Interview mit Mai Akl, dem Berater
des Generals Aoun: “Die Gewalt kommt von den Schlägern der Regierung, nicht
von uns. Wir werden weiter protestieren, um zu einer Exekutive der nationalen
Einheit zu gelangen.” Fürchterlicher, blutiger Tag in der libanesischen
Hauptstadt, wo die Heckenschützen auf die Dächer zurückkehren, wie während des
Bürgerkrieges. Bei den von militanten Regierungsanhängern begonnenen
Auseinandersetzungen auf dem Campus fünf Studenten getötet und Dutzende
Verletzte. Fatwa der Hisbollah: “Geht nach Hause!”
Die Spannung im Libanon ist
immer noch hoch. Zu den gewaltsamen Zusammenstößen am Dienstag zwischen
sunnitischen und schiitischen Moslems und zwischen rivalisierenden christlichen
Parteien (5 Tote und über 100 Verletzte) kamen gestern blutige Zwischenfälle
zwischen Studenten entgegen gesetzter Fraktionen hinzu. Zur selben Zeit
illustrierte Siniora in Paris seinen Plan für Wirtschaftsreformen (die in der
Heimat höchst umstritten sind) und erhielt umfangreiche Hilfen von den
Geberländern. Über das Klima dieser Tage, über die Konferenz in Paris, die
Protestaktionen der Opposition und die Spannungen zwischen christlichen
Parteien interviewten wir Mai Akl, den Sprecher und Berater von Michel Aoun,
der Führer der christlichen Partei “Freie patriotische Strömung” (FPC), dem
wichtigsten Verbündeten der schiitischen Bewegung Hisbollah.
Es fließt wieder Blut.
Befürchtet Ihr nicht, dass die Situation außer Kontrolle geraten kann und das
sowohl für die Mehrheit wie für die Opposition?
“Diese Gefahr ist konkret,
aber wir wissen, dass unsere Aktivisten und ganz allgemein die Anhänger der
Opposition diszipliniert sind und alles tun, um gewalttätige Zwischenfälle zu
verhindern. Leider gilt das nicht für die Anhänger des anderen Lagers.”
Am Dienstag habt Ihr den
Streik ausgesetzt, aber bekräftigt, dass die Proteste weitergehen. Die
Regierung beschuldigt Euch die Unruhen zu schüren.
“Das ist eine Lüge. Im
Gegenteil, gerade am Dienstag haben wir großes Verantwortungsbewusstsein
gezeigt. In Übereinstimmung mit den Gewerkschaften haben wir den Streik
unterbrochen, um die Lage zu beruhigen. Unser Protest ist ein friedlicher
Protest für das Ziel aller Oppositionskräfte: eine Regierung der nationalen
Einheit, die eingesetzt wird, um die Interessen aller Libanesen zu vertreten
und nicht nur die Interessen einiger weniger politischer Kräfte, die die
Korruption nähren. Es stimmt, am Dienstag wurden Straßensperren und Barrikaden
errichtet und einige Aktionen wurden verhindert, aber niemand hatte die Absicht
den Streik gewaltsam durchzusetzen. Das Chaos brach aus als die Schlägertrupps
der Regierungsparteien auf der Straße erschienen und unsere Demonstranten
angriffen. Das Streikrecht wird von der Demokratie garantiert und am Dienstag
haben sich – es ist gut daran zu erinnern – Hunderttausende Libanesen im ganzen
Land daran beteiligt.”
Die Spannung zwischen
gegensätzlichen christlichen Parteien haben ein Niveau erreicht, dass es seit
den Tagen des Bürgerkrieges nicht mehr gab. Der Chef der “Libanesischen
Streitkräfte”, Samir Geagea beschuldigt den CPL des “Verrats” sowie
der Beteiligung an einem Staatsstreich und rief mehrmals die Armee auf, mit
Gewalt gegen die Opposition vorzugehen.
“In einer Demokratie gibt es
unterschiedliche politische Positionen und im Libanon können die Christen in
aller Ruhe die eine oder die andere Partei wählen. Geagea, der ein
Kriegsverbrecher war und bleibt, erkennt dieses Prinzip nicht an und meint,
dass alle christlichen Libanesen im Guten wie im Schlechten auf seiner Seite
seien müssen. Geagea betrachtet seine Partei weiterhin als eine Miliz, die er
gegen Rivalen und Oppositionelle einsetzt. Die Milizionäre benutzen auf seinen
Befehl hin Pistolen und Gewehre, um ihr Gesetz durchzusetzen, aber sie werden
uns nicht einschüchtern. Geagea muss begreifen, dass die Waffen, die er in
seinen geheimen Arsenalen versteckt, den Willen der Libanesen, die eine neue
Regierung fordern, nicht ändern werden.”
Ministerpräsident Sinora
hat auf der Konferenz der Geberländer in Paris sehr großzügige Finanzhilfen
erhalten. Wo und wie sollte der Ministerpräsident die Milliarden Dollar, die er
bekommen hat, Eurer Ansicht nach einsetzen?
“Wir wünschen uns, dass es
nicht Siniora ist, der diese Mittel verwaltet, sondern ein anderer
Ministerpräsident an der Spitze einer Regierung der nationalen Einheit. Sonst
gibt es ein Desaster. Siniora war während der Regierung von Rafiq Hariri (der
vor zwei Jahren ermordet wurde; Anm.d.Red.) Finanzminister und hat diverse Wirtschaftspläne in
die Tat umgesetzt, die sich als Reinfall erwiesen und damit eine enorme
Staatsverschuldung angehäuft (41 Milliarden Dollar, d.h. 180% des
Bruttoinlandsproduktes), die er jetzt zu reduzieren beabsichtigt, indem er die
einkommensschwächsten Teile der Bevölkerung angreift.”
Es wird von Verhandlungen
gesprochen, die in anderen arabischen Hauptstädten im Gange seien, um die
innerlibanesische Krise zu lösen und die Indiskretionen sprechen von einer
Lösung, die Saudi-Arabien und der Iran erreicht hätten. Stehen wir wirklich
kurz vor einem Abkommen?
“Die libanesische Krise wird
allein von den Libanesen gelöst werden, nicht im Ausland. Bis heute sind alle
arabischen Initiativen gescheitert. Es gibt eine einzige Lösung: Die Bildung
einer Regierung der nationalen Einheit und die Beendigung der politischen Linie
von Fouad Sinora.”
Vorbemerkung
und Übersetzung: * Rosso
Der Name * Rosso steht für ein Mitglied der Antifa-AG
der Uni Hannover und des Gewerkschaftsforums Hannover, das bereits in der
Vergangenheit den Großteil der Übersetzungsarbeit beider Gruppen geleistet hat.
Nachdem sich die Antifa Uni nach mehr als 17jährigem Bestehen Ende Oktober 2006
aufgelöst hat (siehe: http://antifa.unihannover.tripod.com/Aktuell.html)
werden die explizit politischen Übersetzungen von nun an in individueller
Verantwortung unter diesem Logo veröffentlicht. Die Übersetzungen der
gewerkschaftsbezogenen Texte erscheinen ab sofort nur noch im Namen und in der
Verantwortung des Gewerkschaftsforums.
Hinweise, Kritik, Lob oder Anfragen
wegen Referaten zur politischen und sozialen Entwicklung in Italien (oder in
Palästina) ab jetzt mit einer Mail an: negroamaro@mymail.ch oder gewerkschaftsforum-H@web.de