* Rosso:
Mit der neuesten Entwicklung der
israelischen Innenpolitik dürften die Erklärungsnöte der pseudolinken Freunde
des Kolonialstaates Israel noch größer werden. Die nach dem verlorenen
Libanon-Krieg tief in der Krise steckende Große Koalition der vom Schlächter
Ariel Sharon gegründeten Kadima-Partei mit der sozialdemokratischen Avoda
(Arbeitspartei) bekommt nämlich Zuwachs: die rechtsradikale Vaterlandspartei
(Yisrael Beitenu) des bekennenden Rassisten Avigdor Lieberman ! Die Urteile der bürgerlichen Presse über
diesen Herrn fallen sehr eindeutig aus: Gideon Levy nannte ihn in der
(überwiegend) linksliberalen israelischen Tageszeitung “Haaretz” vom
16.10.2006 “ein offener Rassist und extremer Nationalist”, “rechtsextrem”
und einen Mann “mit einer faschistischen Weltsicht”. Nach
Ansicht der “Neuen Zürcher Zeitung” vom 29.10.2006 handelt es sich bei
Lieberman um einen “Ultranationalisten” und “Ultrarechten” und
bei seiner Partei Yisrael Beitenu um “eine ultrarechte Partei”. Die
konservative “Frankfurter Allgemeine Zeitung” bezeichnet ihn (am
27.10.2006) als einen “rechtspopulistischen Politiker” und (am
4.11.2006) als „Rechtsextremen“. Damit stellt sie ihn (wie auch schon
Levy) in eine Reihe mit Gestalten wie Jörg Haider (ehemals FPÖ, jetzt BZÖ) oder
den Führer der italienischen Lega Nord, Umberto Bossi. Für den linksliberalen
britischen “Guardian” ist er hingegen schlicht und einfach “ein
bekannter Extremist”, der “nun in Israel (…) reale Macht bekommt”
(27.10.2006). Für Lieberman ist es allemal eine beachtliche Karriere: vom
Rausschmeißer eines Jerusalemer Nachtclubs zum stellvertretenden
Ministerpräsidenten und “Minister für Strategische Bedrohungen”.
Vielleicht sehnt sich die angeblich “einzige Demokratie im Mittleren Osten”
angesichts ihres Niedergangs aber auch einfach nur nach einem schlagkräftigen
Türsteher, der dafür sorgt, dass die Geschlossene Gesellschaft die Privilegien
ihrer Kolonialherrschaft wieder ungestört genießen kann. Liebermans Vorstöße,
wie z.B. seine Forderung aus dem Frühjahr 2006 nach der Todesstrafe für
arabisch-israelische Knesset-Abgeordnete, die sich mit Vertretern der Hamas zu
Friedensgesprächen trafen, schrecken dabei nicht nur nicht mehr ab, sondern
erfreuen sich offensichtlich – bis hinein ins zionistische Establishment –
einer klammheimlichen Sympathie.
Liebermans Vaterlandspartei (Yisrael
Beiteinu) erhielt bei den Knesset-Wahlen am 28.März 2006 281.880 Stimmen (9% – 11 Abgeordnete) und
wurde damit – gleichauf mit dem ebenfalls stramm rechten Rest von Netanyahus
Likud-Block – viertstärkste Partei. Zum Vergleich: Ehud Olmerts Kadima kam auf
22%, Peretz’ Arbeitspartei auf 15,1%. Mit ihren neuen rechtsradikalen
Kompagnons verfügt die Koalition nun über 78 der 120 Sitze in der Knesset.
In einem Kommentar für die linke
italienische Tageszeitung “il manifesto” vom 24.10.2006
analysiert Zvi Schuldiner diese Entwicklung, die auch einiges über die
israelische Sozialdemokratie aussagt. Zvi Schuldiner ist Professor für
Soziologie an der Hebräischen Universität Jerusalem und ein prominenter
Aktivist der Friedensbewegung sowie der israelischen Linken. Er schreibt
regelmäßig in “il manifesto” aber auch in der alternativen Schweizer “Wochenzeitung”
(WoZ).
Israel:
Wenn Avigdor das Wesen von Ehud offenbart
Extremisten: Wer Olmert für einen “Gemäßigten”
hält, wird umdenken müssen. Er war nur in der Lage die Politik der Gewalt zu
betreiben.
Zvi Schuldiner
Es scheint mittlerweile
sicher, dass der Führer der Partei Yisrael Beitenu (Unser Haus Israel), Avigdor
Lieberman, in die von Ehud Olmert geleitete Regierungskoalition eintreten wird.
Es gibt bereits Leute, die den Eintritt eines Rechtsextremisten in die
Regierung verurteilen. Vielleicht muss die Sache aber differenzierter gesehen
werden.
Lieberman ist als Führer
russischer Herkunft bekannt, seine Sprache ist manchmal die brutale Sprache
eines “starken Mannes”. Das hat ihn unter den Israelis sowjetischer
Herkunft sehr populär gemacht. Er hat die Polizei in demagogischer Weise
angegriffen als sie verdächtige Emigranten aus der ehemaligen UdSSR “belästigte”,
forderte eine starke Regierung und ein Wahlsystem mit einer 10-Prozent-Hürde
für den Einzug ins Parlament, die dafür sorgen würde, dass die arabischen und
religiösen Parteien draußen blieben. Er trat für einen “Gebietstausch”
ein, der zur faktischen Ausweisung der arabischen Bürger führen würde. Er
stellt immer klar, wer die “inneren Feinde” sind und schlägt Maßnahmen
totalitärer Art vor, um sie zu bekämpfen.
Vor wenigen Wochen
behauptete Lieberman, dass die Regierung Olmert am Ende sei. Jetzt wird er zu
dem Element, das es Olmert erlauben würde das Ende seiner Amtszeit zu erleben.
Lieberman akzeptiert das Amt eines stellvertretenden Ministerpräsidenten, der
damit beauftragt ist die Strategie gegenüber der iranischen Gefahr
auszuarbeiten.
Wenn irgendjemand mit
ähnlichen Positionen wie Lieberman Mitglied der österreichischen Regierung
würde, würde Israel wahrscheinlich die diplomatischen Beziehungen zu jener
Regierung suspendieren. So wie es nach dem Eintritt des Nationalpopulisten Jörg
Haider in die Wiener Koalition der Fall war.
Liebermans Eintritt in die
israelische Regierung hat etwas Positives. Diejenigen, die <jetzt> noch davon überzeugt sind, dass Ariel Sharon und
Ehud Olmert dem “gemäßigten” Lager angehören, werden sich fragen müssen,
mit wieviel politischer Blindheit sie geschlagen sind. Und schlimmer noch: Es
gibt sogar solche, die die gegenwärtige Regierungskoalition als “mitte-links”
betrachten, wo doch der Führer der Arbeitspartei, Amir Peretz,
Verteidigungsminister ist. Während die Wirtschaftspolitik im Innern von der “Großen
Kirche der an den Freien Markt Glaubenden” diktiert wird, reden Peretz und
Olmert weiterhin von Frieden, lassen aber jede reale Initiative fallen, während
die militärische Repression ein brutales Ausmaß erreicht.
Die Antwort auf die
Entführung Shalits <d.h.
die Gefangennahme des israelischen Besatzungsssoldaten im 25.Juni 2006 durch
palästinensische Guerillas> und auf
die Kassam-Raketen, die weiterhin den Süden Israels treffen? Nur brutale
Gewalt. Die Belagerung der Hamas geht weiter und scheint sich dem Ende der
Regierung von Ismael Hanija zu nähern. Mit amerikanischem Ansporn und
europäischer Gefälligkeit hat Israel eine ökonomische Einkreisung vollzogen,
die die palästinensische Gesellschaft erstickt, um die Hamas-Regierung zu
stürzen, die in freien Wahlen gewählt wurde, welche man im Westen als Teil der
westlichen Zivilisation zur Schau stellt. Darüber hinaus gibt es eine ständige
militärische Eskalation. Die israelische Armee dringt täglich in den Gaza-Streifen
ein und in den letzten Tagen spricht man von einer noch umfangreicheren Aktion.
In den letzten Stunden bestand der Gruß der israelischen Armee zum islamischen Eid-el-Fitr-Fest
in der Tötung von acht Palästinensern. In den offiziellen Mitteilungen der
Armee handelt es sich wie immer um bekannte Terroristen und wie immer schließt
der Saldo der Opfer nicht wenige “Nicht-Terroristen” ein, die sich “leider”
in der Nähe befanden. Das alles unter der Leitung eines Verteidigungsministers,
der als “Taube” bezeichnet wird und für eine Repressionspolitik
verantwortlich ist, die seinen Vorgänger <den rechtsradikalen Ex-Generalstabschef> Shaul Mofaz nicht blamiert hätte, der sich durch
eine blinde Politik der gezielten Morde auszeichnete.
Lieberman mit seiner
rechtsextremen Xenophobie hilft die wahre Natur einer Regierung zu
entschlüsseln, die sich als “gemäßigt” tarnt und jede Friedensinitiative
ablehnt, das palästinensische Volk erstickt und den gesamten Mittleren Osten
noch weiter zu destabilisieren droht.
Vorbemerkung,
Übersetzung und Einfügungen in eckigen Klammern: *
Rosso
Der Name * Rosso steht für ein Mitglied der Antifa-AG
der Uni Hannover und des Gewerkschaftsforums Hannover, das bereits in der
Vergangenheit den Großteil der Übersetzungsarbeit beider Gruppen übernommen
hatte. Nach Auflösung der Antifa Uni (nach mehr als 17jährigem Bestehen Ende Oktober
2006; siehe: http://antifa.unihannover.tripod.com/Aktuell.html)
erscheinen die explizit politischen Übersetzungen von nun an in individueller
Verantwortung unter diesem Logo. Die Übersetzungen der gewerkschaftsbezogenen
Texte erfolgen ab sofort nur noch im Namen und in der Verantwortung des
Gewerkschaftsforums Hannover.
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