* Rosso:

 

Versucht man einen Überblick über die Reaktionen der unterschiedlichen Teile der italienischen Linken auf die Krise und den (von Staatspräsident Napoletano abgelehnten) Rücktritt der Regierung Prodi zu geben, so darf die offizielle Stellungnahme der drittgrößten Regierungspartei Rifondazione Comunista (Partei der Kommunistischen Neu/be/gründung – PRC) natürlich nicht fehlen. Das Schlussdokument der außerordentlichen Tagung der Direzione Nazionale (Nationalen Leitung) des PRC vom 23.2.2007, beschäftigt sich auch mit dem Schicksal des dissidenten Senators aus der Parteilinken, Franco Turigliatto (Sinistra Critica), der Prodis Kriegs- und Kolonialpolitik am 21.Februar die Stimme verweigerte und damit (zusammen mit dem ehemaligen PdCI-Senator Rossi)den Stein ins Rollen brachte. Veröffentlicht wurde das Statement noch am gleichen Tag u.a. auf der stark frequentierten Website der größten Fraktion der Parteilinken www.lernesto.it Es handelt sich um einen bzw. zwei Texte, bei denen man sich jedes Wort auf der Zunge zergehen lassen sollte. Ein wahrhaft aussagekräftiges Schlussdokument der Nationalen Leitung einer Partei, die sich selbst gern als „radikal links“ und zuweilen gar als „revolutionär“ feiert.

 

 

Nationale Leitung des PRC – 23. Februar – Schlussdokument

 

Das Programm, die Regierung, die Krise und Rifondazione

 

Von der Nationalen Leitung beschlossenes Schlussdokument

 

Das gravierende Votum im Senat darf das Experiment / die Erfahrung der Regierung Prodi nicht unterbrechen.

 

Wir sind der Auffassung, dass diese Forderung im Einklang steht mit dem innerhalb unserer Anhängerschaft sowie den demokratischen Bewegungen und Verbänden weit verbreiteten Empfinden. Ein Empfinden, das vor allem bei denjenigen verbreitet ist, die in den letzten Monaten die großen Mobilisierungen ins Leben gerufen haben, die im ganzen Land stattfanden.

 

Der PRC bemüht sich um eine Lösung der Krise, deren Dreh- und Angelpunkt die Respektierung des Wählervotums ist, die der Mitte-Links-Union die Regierungsverantwortung übertragen hat.

 

Wir bekräftigen daher unser Vertrauen in den Ministerpräsidenten und bestätigen eine tatkräftige und loyale Zusammenarbeit bei der Fortsetzung des Experiments / der Erfahrung, aus der vor einem Jahr die von Romano Prodi geleitete Exekutive hervorgegangen ist.

 

Wir sind der Meinung, dass in diesem Rahmen politischer Bündnisse und des Regierungsbündnisses das reformerische Profil des Handelns der Exekutive neu geschärft werden muss, das in der Lage ist eine starke Beziehung zur Anhängerschaft der Union, zu den sozialen Kräften sowie den Bewegungen zu festigen und fähig, sich zu den demokratischen und progressiven Sensibilitäten zu verhalten, die im Parlament präsent sind.

 

Wir sind der Auffassung, dass die Punkte, die Ministerpräsident Prodi der Führung der Mitte-Links-Union als vorrangiges Anliegen vorgelegt hat, eine allgemein geteilte Grundlage innerhalb der Linien des Programms der Union und der bereits auf den Weg gebrachten Gesetzesvorhaben darstellen.

 

Ein starker und geschlossener politischer Rahmen, eine volle Übernahme der Verantwortung durch alle politischen Kräfte der Union, die Bestätigung der Kollegialität bei der Teilung der Verantwortung in den Entscheidungen und dem Handeln der Regierung können das erneute Beschreiten eines Gewinn bringenden Weges ermöglichen. Rifondazione Comunista wird weiterhin mit Entschlossenheit in den Bewegungen, in den Parlamentssälen und in den Institutionen die eigene Initiative verfolgen, um auf dem Weg der Veränderung, die das Land braucht, weiter voran zu kommen.

 

Die Nationale Leitung des PRC appelliert an die Partei, an ihre lokalen Leitungsgremien und an die Mitglieder in diesen Tagen eine außerordentliche Anstrengung in Form der Öffnung, der Debatte mit den Bürgern, der Diskussion, der Treffen / Veranstaltungen sowie der öffentlichen Aktionen zu leisten.

 

 

Die Überweisung von Turigliatto an das Bundesschiedsgericht der Partei (Collegio nazionale di garanzia)

 

Von der Nationalen Leitung gefällter Beschluss

 

Die Nationale Leitung des PRC dankt den Senatorinnen und Senatoren der Parlamentsfraktion für ihr Votum zur Unterstützung der außenpolitischen Linien, die im Plenarsaal vom Außenminister dargelegt wurden.

 

Der Senator Franco Turigliatto hat im Gegensatz dazu die schwerwiegende Verantwortung übernommen, sich nicht an der Abstimmung zu beteiligen, womit er einen äußerst gravierenden Schaden am öffentlichen Erscheinungsbild der Partei hervorgerufen hat und es auf diese Weise ermöglichte, dass eine schwerwiegende Kampagne entfesselt werden konnte, die die Seriosität der Beschlüsse der Partei und ihrer Fähigkeit, bei den übernommenen Verpflichtungen konsequent zu sein, in Frage stellt.

 

Die Tatsache, dass das Votum des Genossen Turigliatto beim negativen Ausgang der Abstimmung nicht entscheidend war, mindert nicht die Schwere der zugefügten Wunde. Das Recht eines jeden Genossen und einer jeden Genossin auf eine abweichende Meinung steht nicht in Frage.

 

Auch in der jüngsten Debatte haben einige Senatoren des PRC im Plenarsaal das Wort ergriffen, die bestimmte Dinge hervorhoben und Kritik äußerten und wir schätzen es, dass diese Genossen beschlossen haben, der Verpflichtung treu zu bleiben und ihre Stimme in einer Passage von so großer Bedeutung nicht zu verweigern.

 

Das Problem besteht ausschließlich in der Legitimität durch das eigene Verhalten eine Verzerrung der Position und sogar der politischen Stellung hervorzurufen, die die Leitungsgremien der Partei und die Parlamentsfraktionen demokratisch beschließen.

 

Auf diese Weise werden die allgemeinen und kollektiven Prinzipien der einheitlichen Vertretung unserer Partei <nach außen> durch ihre Parlamentsfraktionen verletzt; es werden Anordnungen verletzt, die von den Leitungsgremien beschlossen und von den Parlamentsfraktionen diskutiert und umgesetzt wurden; bei der Berufung auf das Recht auf Dissens wird es unterlassen, daran zu erinnern, dass die Wahl über die von den Leitungsgremien beschlossenen Kandidatenlisten zustande kam; und es werden die Prinzipien des Statuts verletzt.

 

Außerdem wird eine privilegierte Position ausgenutzt, um eine Separierung zu praktizieren, die die Krise der Politik verschärft, weil sich der Ort der Entscheidung von den Orten der demokratischen Entscheidung hin zu denen der institutionellen Selbstbezogenheit verlagert.

 

Es wurde eine unheilbare Wunde geschlagen. Es gibt eine Nichtzugehörigkeit zur und eine Unvereinbarkeit mit der politischen Gemeinschaft Rifondazione Comunista. Die Nationale Leitung des PRC überweist den Genossen Franco Turigliatto an das Bundesschiedsgericht (Collegio nazionale di garanzia), damit die entsprechenden Maßnahmen ergriffen werden.

 

 

 

Vorbemerkung, Übersetzung und Einfügungen in eckigen Klammern:   * Rosso

 

Der Name * Rosso steht für ein Mitglied der Antifa-AG der Uni Hannover und des Gewerkschaftsforums Hannover, das bereits in der Vergangenheit den Großteil der Übersetzungsarbeit beider Gruppen geleistet hat. Nachdem sich die Antifa Uni nach mehr als 17jährigem Bestehen Ende Oktober 2006 aufgelöst hat (siehe: http://antifa.unihannover.tripod.com/Aktuell.html) werden die explizit politischen Übersetzungen von nun an in individueller Verantwortung unter diesem Logo veröffentlicht. Die Übersetzungen der gewerkschaftsbezogenen Texte erscheinen ab sofort nur noch im Namen und in der Verantwortung des Gewerkschaftsforums.

 

Hinweise, Kritik, Lob oder Anfragen wegen Referaten zur politischen und sozialen Entwicklung in Italien (oder in Palästina) ab jetzt mit einer Mail an: negroamaro@mymail.ch  oder  gewerkschaftsforum-H@web.de