* Rosso:
Am 18.November 2006 fanden, aufgrund
der Spaltung der „Bewegung“ in einen zivilgesellschaftlich-mitte-linken
und einen links-radikalen Teil zwei landesweite Friedensdemonstrationen zum
Thema Palästina und „Naher Osten“ statt. Die Braven demonstrierten in
Mailand und die „Bösen“ in Rom. Über die Demos, von denen vor allem die
römische Schlagzeilen machte und skandalisiert wurde,
und die politischen Hintergründe der Spaltung wird noch berichtet werden. Hier
soll es zunächst „nur“ um ein nicht ganz unwesentliches „Detail“ gehen: um das
legendäre Führungsmitglied der marxistischen Volksfront für die Befreiung
Palästinas (PFLP), Leila Khaled, die Hauptrednerin auf der Demonstration in Rom
seien sollte, der aber im letzten Moment von Prodis
Mitte-Links-Regierung (an der zwei dem Namen nach „kommunistische“ Parteien beteiligt sind: Rifondazione
und der PDCI !) das Einreisevisum verweigert wurde. Sie sandte den Teilnehmern
daher die unten stehende Grußbotschaft und „il manifesto“
brachte am 19.11.2006 das darauf folgende Interview mit ihr.
Die Botschaft von Leila
Khaled
An die Demonstration
am 18.11.2006 in Rom
Liebe Genossinnen, liebe
Genossen,
ich hätte unter Euch sein
wollen, um Euch die Grüße der Palästinenser zu überbringen, aber das wurde mir
verboten. Es scheint, dass in dieser unipolaren Welt nur die Waren, nicht aber
die Personen zirkulieren können und die durch ein unendliches Embargo
dezimierten Palästinenser erreichen nicht einmal die Waren. Auch deshalb sind
Solidaritätsdemonstrationen, wie die Eure, essentiell für uns. Danke, dass Ihr
uns helft die Mauer des Schweigens zu durchbrechen, die zusammen mit der
anderen mauer, die sich kilometerlang in den Besetzten Gebieten erstreckt,
unser Volk in einen Open-Air-Käfig einsperrt.
Deshalb ist die Aktion
sinnvoll und teile ich Euren Vorschlag: Fordern wir von der italienischen
Regierung die militärischen Kooperationsabkommen mit Israel abzuschaffen und
das Ende all jener Abkommen wirtschaftlichen und / oder wissenschaftlichen
Charakters, die die Kriegswirtschaft nähren.
Fordern wir, dass das gegen
unser erniedrigtes und rechtloses Volk reihenweise verhängte Embargo
durchbrochen wird. Fordern wir die Rückkehr der vor 60 Jahren vertriebenen
Flüchtlinge. Fordern wir es zusammen mit allen fortschrittlichen Kräften und
allen Bewegungen, die sich eine andere Welt wünschen.
Liebe Genossinnen, liebe
Genossen, unser Leiden ist groß und unsere Gegenwart ist unsicher, aber wir
sind entschlossen Widerstand zu leisten
Der Kampf für ein freies
Palästina wird der Beitrag unseres Volkes für die Freiheit Aller sein. Für die
Verwirklichung einer Welt, in der die Freiheit nicht nur ein leeres Wort ist.
18.November 2006 Leila Khaled
In der linken
italienischen Tageszeitung „il manifesto“
vom 19.11.2006 erschien dieses Interview mit ihr:
„Stoppt das Embargo. Schluss mit den reinen Medienevents!“
Geraldina
Colotti
Visa für PFLP-Führungsmitglied Leila Khaled verweigert. In
Rom trifft nur ihre Botschaft an die Demonstranten an. Und eine Polemik: Ja zu
Verhandlungen. Nein zu den Führungen, die kein Problem lösen.
Leila Khaled ist eine
historische Figur des palästinensischen Widerstandes, Mitglied des
Nationalrates <der
PLO> und eine Vertreterin der
Volksfront für die Befreiung Palästinas (PFLP): Sie hätte persönlich an der
Demonstration in Rom teilnehmen sollen. Eingeladen worden war sie von der Unione Democratica Arabo-Palestinese (UDAP), den COBAS und auch einigen <mitte-linken> Parlamentariern, die behaupten, dass ihnen die
Ausstellung eines Visas von der italienischen
Botschaft in Amman <Jordanien> zugesichert worden sei. Das Visa
sei aber von unserem Außenministerium verweigert worden <Anm.1>. Und von Leila kam in Rom nur eine Botschaft an, die
auf der Piazza verlesen wurde. Wieso? „Das
hatte ich nicht erwartet. Prodi“ – sagt sie am
Telefon – „hat erklärt, er wolle eine neue Seite in den Beziehungen zum
Mittleren Osten aufschlagen. Aber wie soll das gehen, wenn wir uns nicht einmal
auf Einladung Eurer Parlamentarier bewegen dürfen?“
Was erwarten Sie von
Italien? Prodi, Chirac und Zapatero
wollen eine Friedenskonferenz abhalten.
„Als Mitglied des Politbüros
der PFLP (ich bin für das Flüchtlingsproblem zuständig) fordere ich die
italienische Regierung zum Widerruf der militärischen Abkommen mit Israel auf
und zu einer Beendigung des Embargos. In 60 Jahren Exil und verweigerter Rechte
hat es viele Friedenskonferenzen gegeben. Alle ohne Ergebnis, weil es niemandem
gelungen ist, Israel zur Einhaltung der UNO-Resolutionen zu bewegen. Wir werden
immer jeden Verhandlungsspielraum ausnutzen. Ein weiterer Medienevent ohne
Zweck / Zusammenhang bringt jedoch nichts.“
Wie sehen Sie die
politische Lage in Palästina?
„Die PFLP hat immer zur
Einheit aufgerufen und setzt sich dafür ein eine Übereinkunft zwischen allen palästinensischen
politischen Komponenten zu finden. Wir sind uns der starken internen
Meinungsverschiedenheiten bewusst. In einer Befreiungsbewegung bedarf es
allerdings einer Übereinstimmung, die in der Lage ist der Hegemonie des
Besatzers und derjenigen, die ihn unterstützen, entgegenzutreten und es bedarf
eines wirkungsvollen organisatorischen Schirms. Deshalb arbeiten wir daran,
wieder eine PLO zu schaffen, die eine legitime Repräsentantin des
palästinensischen Volkes ist, für seine Selbstbestimmung kämpft, für die
Rückkehr der Flüchtlinge und für die Schaffung eines unabhängigen
palästinensischen Staates mit der Hauptstadt Jerusalem. Die Hamas ist
demokratisch gewählt worden, hat aber (aufgrund eines mörderischen Embargos)
nicht die Möglichkeit gehabt zu regieren. Jetzt sind wir dabei eine Regierung
der Nationalen Einheit zu bilden, deren erstes Ziel es ist das Embargo zu
brechen. Jedenfalls wollen wir nicht, dass sich bei der Hamas die Erfahrung der
Vergangenheit wiederholt, als die Fatah von den politischen Entscheidungen der
Palästinenser abgewichen ist, ohne irgendein Ergebnis nach Hause zu bringen.
Die Erfahrung hat uns gelehrt, dass in Palästina keine Organisation allein das
Schicksal unseres Volkes bestimmen kann.“
Hana Awwad, eine enge
Mitarbeiterin von Arafat hat „il manifesto“
gegenüber erklärt, dass der Rais ermordet wurde und
das eine Untersuchung eingeleitet werden müsse. Wie denken Sie darüber?
„Bei uns gilt es als
ausgemachte Sache, dass Arafat vergiftet wurde. Es gibt mehr als einen sicheren
Beleg dafür. Es bleibt herauszufinden, wer es gewesen ist. Die PFLP gehört zu
den Initiatoren einer Untersuchungsgruppe, die die Wahrheit herausfinden soll
und derzeit die Ermittlungen vorantreibt. Ein Mann von solcher Größe verdient
kein obskures Ende.“
Welches sind die
Verbündeten des palästinensischen Widerstandes?
„Zweifellos sind die
arabischen Massen sowie die linken und demokratischen Kräfte unsere natürlichen
Verbündeten – zusammen mit dem, was von Panarabismus
übrig ist. Gegenwärtig findet im Libanon eine Konferenz mit panarabischem
Charakter statt, in dessen Mittelpunkt die Solidarität mit dem
palästinensischen, dem libanesischen und dem irakischen Widerstand steht. Die
Völker Lateinamerikas, die Regierungen gewählt haben, die gegen die
Repressionspolitik sind, sind unsere Verbündeten. Mit dem Ende des Bipolarismus haben sich die Widerstandsformen verändert,
sind weltweite Bewegungen gegen die Globalisierung entstanden. Ihre politischen
Umrisse sind manchmal für diejenigen, die sich – wie wir – weiterhin auf einen
marxistischen Analyserahmen beziehen, nicht definiert, aber wir bewegen uns in
dieselbe Richtung.“
Sie waren eine der ersten
Guerillakämpferinnen, sind laizistisch und Feministin. Wie beurteilen Sie die
Selbstmordaktionen, an denen sich auch Frauen beteiligen?
„Der bewaffnete Kampf war
keine individuelle Entscheidung, sondern diejenige eines Volkes, dass (nach 1967) versuchte seine politischen Rechte
durchzusetzen und von der Welt nicht als ein humanitäres Problem betrachtet
werden wollte. Seitdem sind 40 Jahre vergangen. Wir haben alle Wege ausprobiert
und alle Wege wurden <uns> versperrt. Bevor Ihr uns fragt, wieso ein
Jugendlicher, anstatt an das Leben zu denken, dazu kommt seinen Körper als
Waffe einzusetzen, solltet Ihr Euch fragen, warum weitere Gebiete konfisziert
wurden und die Bauern ohne die Mittel dastehen, mit denen sie ihren Unterhalt
bestreiten. Die Siedlungen wachsen von Tag zu Tag und genauso nehmen die
gezielten Exekutionen zu, die Tötungen von Zivilisten und die kollektiven
Bestrafungen, während uns eine Mauer bei lebendigem Leib begräbt. Die Israelis
kommen, entreißen uns ein weiteres Stück Erde, zäunen es ein, stellen Zelte auf
und verwandeln sie in Gefangenen- und Foltercamps. Jeden Tag ein angekündigter
Tod. Versucht Euch vorzustellen, was das bedeutet.“
Anmerkung 1:
Amtierender italienischer Außenminister ist der
führende Linksdemokrat (DS) und ehemalige Ministerpräsident Massimo D’Alema, der in der Vorgängerpartei (dem Partito Comunista Italiano – PCI) Chef der Jugendorganisation FGCI und
letzter PCI-Fraktionsvorsitzender in der
Abgeordnetenkammer war. Auch ansonsten ist das Außenministerium fest in „linker“
Hand. Eine der Staatssekretärinnen ist Patrizia Sentinelli
von Rifondazione Comunista !
Vorbemerkung,
Übersetzung, Anmerkung und Einfügungen in eckigen Klammern: * Rosso
Der Name * Rosso steht
für ein Mitglied der Antifa-AG der Uni Hannover und
des Gewerkschaftsforums Hannover, das bereits in der Vergangenheit den Großteil
der Übersetzungsarbeit beider Gruppen geleistet hat. Nachdem sich die Antifa Uni nach mehr als 17jährigem Bestehen Ende Oktober
2006 aufgelöst hat (siehe: http://antifa.unihannover.tripod.com/Aktuell.html)
werden die explizit politischen Übersetzungen von nun an in individueller
Verantwortung unter diesem Logo veröffentlicht. Die Übersetzungen der
gewerkschaftsbezogenen Texte erscheinen ab sofort nur noch im Namen und in der
Verantwortung des Gewerkschaftsforums.
Hinweise, Kritik, Lob oder Anfragen
wegen Referaten zur politischen und sozialen Entwicklung in Italien (oder in
Palästina) ab jetzt mit einer Mail an: negroamaro@mymail.ch oder gewerkschaftsforum-H@web.de