* Rosso:

 

Das linke römische “Radio Città Aperta (Radio Offene Stadt; http://www.radiocittaperta.it/nuovo/index.php), das der linken Basisgewerkschaft RdB und dem, aus einem Flügel der Autonomia-Bewegung von 1977 hervorgegangenen, Rete dei Comunisti (Netzwerk der Kommunisten) nahe steht, brachte am 23.2.2007 den folgenden, sehr scharfen Kommentar zur Krise der Mitte-Links-Regierung von Romano Prodi und der Rolle die die sog. “radikale Linke” (also Rifondazione Comunista, PdCI und Grüne) dabei spielen:

 

 

Die Mitte-Links-Union oder der Jahrmarkt der Heucheleien

 

Editorial von Radio Città Aperta am Freitag, den 23.Februar 2007

 

Wenn die Situation nicht tragisch wäre, müsste man darüber lachen und sich sogar den Bauch halten vor Lachen.

 

Der Führer einer Partei, die sich als “radikal” bezeichnet, wie Franco Giordano <Generalsekretär von Rifondazione Comunista (PRC)>, tut seit Tagen nichts anderes als zu wiederholen, dass die Rede von Massimo D’Alema <Führungsmitglied der Linksdemokraten (DS) und Außenminister> im Senat “weiter links” gewesen sei “als man hätte erwarten können”. Was für eine Rede hat Giordano da bloß gehört? Seit wann sind der Krieg, die kolonialen Militärmissionen, die Militarisierung der Territorien und die Erhöhung der Militärausgaben linke Politik? Die Tatsache, dass George Bush den von D’Alema angestrebten Multilateralismus nicht mit Wohlgefallen betrachtet, bedeutet durchaus nicht, dass dieser Letztere nicht den Interessen Washingtons entsprechen würde, sondern nur, dass es auf der anderen Seite des Atlantiks eine Bande von Wirrköpfen und gefährlichen Dr. Seltsams gibt.

 

Nur eine enorme Überdosis Heuchelei kann die Bombardements Friedensmissionen nennen. Außer einer guten Dosis Zynismus natürlich.

 

<Die beiden dissidenten kommunistischen Senatoren> Turigliatto und Rossi hatten, um das Dokument über die Außenpolitik der Regierung Prodi unterstützen zu können, auch Öffnungsgesten symbolischer Natur gefordert, die in gewisser Weise die Forderungen nach Diskontinuität <zur Regierung Berlusconi> befriedigen könnten und die wenige Tage zuvor von der riesigen und entschlossenen Demonstration in Vicenza gestellt worden waren. Massimo D’Alema hingegen hatte es in einem Allmachtswahn für notwendig erachtet, zu bekräftigen, dass die Verweigerung der Erlaubnis zur Verdoppelung der Basis in Vicenza einen feindseligen Akt gegenüber unseren Freunden in Washington bedeutet hätte. Das Erstaunliche ist nicht das Votum der beiden dissidenten Senatoren, sondern dass die so genannte „radikale Linke“ für ein außenpolitisches Programm stimmte, das im Gegensatz zu den Bestrebungen und Zielen der Bewegungen steht, die sich dem Krieg widersetzen.

 

Die von den Sekretariaten Rifondaziones, des PdCI und der Grünen ausgehende schändliche Lynchaktion gegen die beiden Senatoren – die offenkundig zu viel Würde besitzen, um sich auf die Bänke des Palazzo Madama zu setzen – kann die Ohnmacht und die Unterordnung der drei Parteien, die (nachdem sie Millionen radikaler Stimmen im Namen des Anti-Berlusconismus auf den Haufen geworfen haben) uns nun sogar auffordern, für “die Verteidigung der Regierung Prodi zu demonstrieren, längst nicht verbergen. Das haben wir alles schon mal erlebt! Diejenigen, denen in Kürze von einem neoliberalen und kriegstreiberischen Gerichtshof der Prozess gemacht werden soll, werden aufgefordert zur Verteidigung

des Henkers zu demonstrieren! Verlangt Ihr nicht auch noch, dass wir mit einem Lächeln auf den Lippen aufs Schafott steigen sollen?

 

Diejenigen, die uns in den letzten Monaten zu Geduld und Treue aufgefordert haben, in Erwartung, dass es der radikalen Linken gelinge, ihren Einfluss geltend zu machen, wobei man nicht genau weiß, ob als eine Exekutive zur Verteidigung der starken Mächte <verbreitetes Synonym für: Kapital, Zentralbank, Armee, Vatikan etc.>, liefern sich nun in Handschellen einem Prodi aus, der freie Hand fordert und erhält, um Krieg zu führen und die ausländischen Militärbasen zu erweitern, die Hochgeschwindigkeits-Bahnstrecke TAV zu bauen und die Renten zu kürzen. Wenn gesagt wird, dass das kleinere Übel (d.h. die Mitte-Linke) das Übel vorbereitet, sagt man nichts Banales, sondern spricht eine sakrosante Wahrheit aus.

 

Wir haben den Eindruck, dass die wirkliche Parole der für Sonntag von der Europäischen Linken angesetzten Demonstration lautet: “Regieren, Regieren, Regieren!” Da machen wir nicht mit. Wir bevorzugen bei weitem die Losung: “Widerstand, Widerstand, Widerstand!”

 

Marco Santopadre

 

Quelle: direttore@radiocittaperta.it

 

 

Vorbemerkung, Übersetzung und Einfügungen in eckigen Klammern:   * Rosso

 

Der Name * Rosso steht für ein Mitglied der Antifa-AG der Uni Hannover und des Gewerkschaftsforums Hannover, das bereits in der Vergangenheit den Großteil der Übersetzungsarbeit beider Gruppen geleistet hat. Nachdem sich die Antifa Uni nach mehr als 17jährigem Bestehen Ende Oktober 2006 aufgelöst hat (siehe: http://antifa.unihannover.tripod.com/Aktuell.html) werden die explizit politischen Übersetzungen von nun an in individueller Verantwortung unter diesem Logo veröffentlicht. Die Übersetzungen der gewerkschaftsbezogenen Texte erscheinen ab sofort nur noch im Namen und in der Verantwortung des Gewerkschaftsforums.

 

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