Gewerkschaftsforum Hannover:
Dass die israelische Regierung Olmert / Peretz nach dem
verlorenen Libanon-Krieg vom letzten Sommer schwer angeschlagen ist und das
ganze Land eine tiefe politisch-psychologische Krise durchmacht, die durch eine
Vielzahl von aufgedeckter Skandale genährt wird, ist
offensichtlich und sehr erfreulich. Diesen Umstand nutzte jetzt – wenn auch
spät – der israelische Gewerkschaftsbund Histadrut zu
einem erfolgreichen Generalstreik, wie die linke italienische Tageszeitung „il
manifesto“ am 22.3.2007
berichtet. Bei aller Freude über diesen Erfolg der Arbeiterbewegung sollte die
strikt pro-zionistische Ausrichtung des israelischen Gewerkschaftsbundes allerdings
nicht vergessen werden. In diesem Zusammenhang ist Dani Ben Simhons
Kritik der Geschichte der Histadrut nach wie vor eine
sehr empfehlenswerte Lektüre. In deutscher Sprache unter: http://antifa.unihannover.tripod.com/Histadrut-Demontage.htm
Erst wenn es der israelischen Arbeiterbewegung gelingt,
diese grundlegende Schwäche zu überwinden und insbesondere zu einer gleichberechtigten Zusammenarbeit mit
den palästinensischen und den übrigen arabischen Arbeitern zu finden, wird sie
wirkliche politische und soziale „Triumphe“ erringen können. Was nicht
bedeutet, dass die Entwicklungen bis dahin bedeutungslos wären.
Israel legt die Arbeit nieder und die Regierung Olmert
gibt sofort nach
Michele
Giorgio – Jerusalem
Der gestern
von der israelischen Gewerkschaftszentrale Histadrut
proklamierte Generalstreik dauerte nur wenige Stunden. Die Arbeitsniederlegung,
an der sich ungefähr 200.000 öffentlich Bedienstete beteiligten, trug
allerdings sofort die erhofften Früchte ein.
Der
Generalsekretär der Histadrut, Ofer
Eini, verkündete gestern Nachmittag, dass dank
eines mit den betroffenen Innen- und Finanzministerien erreichten Abkommens den
ca. 4.000 Beschäftigten der verschiedenen Gemeindeverwaltungen, die seit
mehreren Monaten kein Geld mehr bekommen hatten, die Gehälter ausgezahlt
werden. Weitere 600 werden die ausstehende Entlohnung aus dem Hilfsfond der
Gewerkschaft erhalten. Und nicht nur das, sagte Eini:
Es wurden auch harte Sanktionen gegenüber denjenigen Kommunen beschlossen
(einschließlich der Absetzung von Bürgermeistern und der Auflösung von
Gemeinderäten), die es in Zukunft, aufgrund von Haushaltsproblemen, erneut
unterlassen sollten, die Gehälter auszuzahlen.
Das war ein
Erfolg für die Arbeitenden, aber Eini kann sicher
nicht von einem Triumph sprechen. Das Gelingen des Streiks stellt de facto das
Scheitern der abwartenden und auf endlosen Dialog mit der Regierung und den
Gemeindeverwaltungen ausgerichteten Linie dar, die Eini
zum Ärger der auf ihre Gehälter wartenden öffentlich Bediensteten wochenlang
verfolgt hatte. Vor circa zwei Wochen hatte die <linksliberale> Tageszeitung „Haaretz“ über die
Frustration der Arbeiter aufgrund des Verhaltens des Gewerkschaftsführers
berichtet, der in dem Augenblick als er das Amt des Histadrut-Vorsitzenden
anstelle von Amir Peretz (der in der
Zwischenzeit Verteidigungsminister geworden ist) übernahm, kämpferische Appelle
von sich gegeben hatte, denen dann allerdings sehr wenige konkrete Aktionen
folgten.
Der
gestrige Streik begann um 8 Uhr italienischer Zeit. Nachdem die mit der Regierung
in extremis geführten Verhandlungen zum x’ten Mal gescheitert waren, war Eini
letztendlich gezwungen die Arbeitsniederlegung zu proklamieren. In Israel kam
das Leben zum Erliegen. Bei den neuralgischen Dienstleistungen, wie dem
öffentlichen Nahverkehr, den staatlichen Behörden und selbst den von den Feuerwehr garantierten Notdiensten ging nichts mehr.
Die Arbeit
eingestellt haben auch die Beschäftigten des internationalen Flughafens „Ben-Gurion“, die nur bereit waren die Landung des
Flugzeugs mit der englischen Fußball-Nationalmannschaft an Bord zu garantieren,
die am Samstag gegen die lokale Vertretung in einer für die Qualifikation zur
Europameisterschaft 2008 entscheidenden Partie antreten muss. Der Streik sollte
ohne zeitliche Begrenzung fortgesetzt werden. Am Nachmittag gab die Regierung –
nachdem das Oberste Arbeitsgericht die von den Behörden eingereichten
Widersprüche abgewiesen hatte – allerdings nach. Das Problem hätte bereits sehr
viel früher gelöst werden können, aber das Desinteresse der Regierung, der auch
die Arbeiterpartei angehört, sowie das Zögern Einis
(der mit doppeltem Faden mit dem Verteidigungsminister Amir Peretz verbunden ist, welcher seine Vergangenheit als
Gewerkschafter bereits vergessen hat) zogen die ganze Angelegenheit über Monate
hin.
Die Wut der
auf ihre Gehälter wartenden Beschäftigten erreichte ihren Höhepunkt als die
israelische Presse über das achtstündige Verhör berichtete, dem Finanzminister Avraham Hirschson (Kadima-Partei) vor zwei Tagen von der Polizei unterzogen
worden war, weil er verdächtigt wird, 13,5 Millionen Dollar aus den Kassen der
Nationalen Arbeiterunion entwendet zu haben, einer rechten Gewerkschaft, deren
Generalsekretär Hirschson bis 2005 zehn Jahre lang
war. Ein Wirtschaftskommentator der Tageszeitung „Haaretz“
merkte an, dass die Regierung aufgrund der ständigen Untersuchungsverfahren „gelähmt
ist“, denen ihre Minister (angefangen bei Ministerpräsident Ehud Olmert)
ausgesetzt sind.
In der
Zwischenzeit heben die Medien weiterhin das Wachstum des Bruttoinlandsproduktes
(BIP) um 4% im Jahr 2006 hervor und zeigen sich optimistisch, was die
wirtschaftliche Zukunft Israels anbelangt. Wobei sie die Schwindel erregende
Zunahme der Armut und der realen Arbeitslosenquote in den letzten Jahren
vergessen. Einer Arbeitslosenquote, die bei 20% liegt und damit sehr viel höher
ist als die auf 8,5% festgesetzte offizielle. „Niemand spricht allerdings
von den Milliarden Dollar, die die (israelische) Offensive des vergangenen
Sommers im Südlibanon gekostet hat“ – sagte „il manifesto“
gegenüber der Ökonom Shir Hever. „In dieser Situation müsste die
Gewerkschaftszentrale eine erstrangige Rolle für die Rechte der Erwerbslosen,
der prekär Beschäftigten bzw. der schwächsten Teile der Bevölkerung spielen. Aber
die Histadrut verteidigt in Wirklichkeit nur die
Rechte der abgesichertsten und am höchsten entlohnten
Beschäftigten.“
Vorbemerkung, Übersetzung, Hervorhebungen und Einfügungen in eckigen
Klammern:
Gewerkschaftsforum Hannover