* Rosso:
Neben dem 1991 vom linken Flügel der
Italienischen Kommunistischen Partei (PCI), die sich kurz zuvor selbst
aufgelöst hatte, der ehemals maoistischen Democrazia Proletaria
(DP), verschiedenen trotzkistischen Gruppen und zahlreichen Unorganisierten
gegründeten Partito della
Rifondazione Comunista
(PRC, 95.000 Mitglieder, landesweiter Wähleranteil: rund 7%) ist noch
eine weitere „kommunistische“ Partei im italienischen Parlament und in
der Regierung Prodi vertreten: die Partei der
Italienischen Kommunisten (PdCI, nominell
35.000 Mitglieder, Wähleranteil: 2,5%), eine Rechtsabspaltung von Rifondazione aus dem Oktober 1998. Obwohl sich der PdCI unter Führung von Armando Cossutta
(inzwischen aus der Partei gedrängt), Oliviero Diliberto
und Marco Rizzo gerade deshalb von Rifondazione abspaltete, um die damalige Mitte-Links-Regierung
– trotz Beteiligung am Jugoslawien-Krieg etc. – unter allen Umständen weiter zu
unterstützen, präsentiert sich die Partei gern als „die einzig wahre Kommunistische Partei“, die allen Widrigkeiten
zum Trotz „orthodox“ und „unbeugsam“ unbeirrt ihren „antikapitalistischen“
und „antiimperialistischen“ Weg geht. Viel Theaterdonner und
Melodramatik mit wenig dahinter. Dennoch soll den Interessierten im
deutschsprachigen Raum die Sichtweise auch dieses Teils der italienischen
Linken nicht vorenthalten werden. Zumal PdCI-Generalsekretär
und Ex-Justizminister Oliviero Diliberto (geboren
am 13.10.1956 in Cagliari, von Beruf Jura-Professor) im Interview für die
unabhängige, linke Tageszeitung „il manifesto“
vom 1.3.2007 auch ein, zwei richtige Sachen sagt:
„Gefahr aus der Mitte. Wir müssen uns vereinen!“
„Ich weiß sehr gut, dass es in der
Linken sehr viel schwieriger ist, etwas aufzubauen als etwas zu zerstören. Aber
ich sehe heute zum ersten Mal vonseiten Rifondaziones
die Bereitschaft über dieses Thema zu diskutieren und darüber bin ich
glücklich. Wir sind seit Jahren dazu bereit.“ Oliviero Diliberto: „Ich
schätze Bertinottis Öffnung. Zum ersten Mal gibt es
auf der Linken eine gemeinsame Arbeitsgrundlage. Ich bestehe nicht auf der
Konföderation. Die Gemäßigten sind zu stark. Sie wollen uns aus dem Bipolarismus ausschließen, aber wir sind eine Kraft von
12%.“
Andrea Fabozzi
Oliviero Diliberto, Sekretär der Partei der Italienischen
Kommunisten, die Regierung ist dank einer Handvoll Stimmen gerettet, aber für
die Linke der Regierungskoalition beginnt die Fastenzeit.
„Die Krise hat zu einer
moderaten Stärkung der Regierung geführt. Daran besteht kein Zweifel. Wir sind
nicht aufgrund eines einfachen Unfalls untergegangen, sondern aufgrund der
gemeinsamen Intervention dreier verschiedener Kräfte, die in den Biographien
der Senatoren auf Lebenszeit Andreotti, Pininfarina und Cossiga zusammengefasst
sind, d.h. des Vatikans, der <Industriellenvereinigung> Confindustria und der Vereinigten Staaten von Amerika. In
die 12 Punkte hat Prodi Themen aufgenommen, die
diesen Kräften Signale senden und das in expliziter wie in impliziter Weise,
wobei es unterlassen wird einige Dinge zu benennen. Der eklatanteste Fall ist
der der Gleichstellung nicht-ehelicher Lebensgemeinschaften (DICO). Dennoch hat
mir Prodis Rede am Dienstag wieder Mut gemacht. Weil
es auch bezüglich einiger heikler Themen, wie der Außenpolitik und den Renten,
sehr gut war einige Dinge zu sagen, die voll auf der Linie des Programms der
Koalition liegen.“
Aber sowohl <Staatspräsident und
Linksdemokrat (DS)> Napoletano als auch Prodi haben
die Krise auf die Streitereien in der Regierungsmehrheit zurückgeführt. Ist das
nicht auch die Schuld der Konkurrenz zwischen Rifondazione
und dem PdCI?
„Meines Erachtens hat diese
Konfliktträchtigkeit – die es gibt – keinen Einfluss auf die Krise gehabt. Sie
ist allerdings objektiv ein Problem. Sie ist sogar das große Problem, vor dem
wir, d.h. alle Kräfte der Linken, seit Jahren stehen.“
Warum sollte es Euch
dieses Mal gelingen das Problem zu lösen?
„Ich würde sagen, dass das
Übel sein Gutes haben kann. Aus einem Trauma, weil es sich genau darum handelt,
gehen wir mit einem neuen Klima auf der Linken hervor. Es kann banal
erscheinen, aber es ist wichtig sich anzuschauen, was vorher war. Es herrscht
ein Klima der Auseinandersetzung und des Dialogs, das dazu dienen kann die
Grundlagen für ein Einheitsprojekt auf der Linken zu schaffen, an dem mir seit
vielen Jahren sehr viel liegt. Bertinotti hat in
einem engagierten Interview für <das Parteiorgan von Rifondazione
Comunista> ‚Liberazione’ zum ersten Mal eine gemeinsame
Arbeitsgrundlage eröffnet. Und andererseits repräsentiert das, was Bertinotti die kritische Masse der Linken nennt, in aller
Ruhe 12% des Landes. Und es kann in Zukunft noch sehr viel mehr
repräsentieren.“
12% auf der Grundlage
welcher Berechnung?
„Das sind die bei den
Parlamentswahlen gewonnenen Stimmen: Rifondazione,
wir und die Grünen. Aber auch ein Teil der Linksdemokraten (DS), weil die
mittlerweile sichere Gründung der Demokratischen Partei dazu führt, dass man
sich fragt, ob die Linke in Italien weiter existieren soll oder nicht.“
Sagen wir, dass wir es
hoffen.
„Also müssen wir eine neue
Phase beginnen, die nicht in der Erweiterung einer Partei oder einer anderen
besteht, sondern in der Schaffung einer anderen Subjektivität. Die als solche
als Anziehungspol auch für die Genossen der DS
fungieren kann, die sich nicht der Demokratischen Partei anschließen. Ich weiß
sehr gut, dass es in der Linken sehr viel schwieriger ist, etwas
aufzubauen als etwas zu zerstören. Aber ich sehe heute zum ersten Mal vonseiten
Rifondaziones die Bereitschaft über dieses Thema zu
diskutieren und darüber bin ich glücklich. Wir sind seit Jahren dazu bereit.
Wenn wir heute die Achse der Regierung nach links ausbalancieren wollen und auf
der Grundlage der Prodi-Rede bestehen die
Voraussetzungen dafür, dann dürfen wir nicht zerklüftet, sondern müssen vereint
sein.“
Eine Verteidigungs- und
keine Angriffsstrategie also?
„Reden wir Klartext: Es gibt
jemanden, der an einer anderen Mitte-Linken arbeitet als der heutigen: die
Demokratische Partei und ein kleinerer Teil vom Typ der <zusammen 10% der Wähler
repräsentierenden rechtschristdemokratischen Parteien> UDEUR plus Casinis UDC.
Das heißt eine Mitte-Linke, die in Wirklichkeit in der Mitte angesiedelt wäre
und die Linke ausschlösse. Und wie kann die Linke auf einen
Ausgrenzungsversuch, ja quasi einen Versuch des Ausschlusses aus dem
italienischen Bipolarismus reagieren? Sie muss darauf reagieren, indem
sie sich vereint und ihre Stärke in die Waagschale wirft. Wenn irgendjemand
sagt, dass diese Linke dem Land nicht dient <ein viel beachteter Spruch von DS-Außenminister D’Alema Ende Februar 2007>, dann muss sie ihm zeigen, dass sie existiert und groß ist und zählt.
Unser Bestreben ist es wieder Teil einer großen politischen Gruppierung zu sein,
die somit nicht ausgeschlossen werden kann.“
In jenem langen Interview
für „Liberazione“ redet Bertinotti
nicht mehr von der Partei der Europäischen Linken und fordert sogar dazu auf,
keine Zeit mit der Planung neuer Parteiarchitekturen zu verlieren. Ist der PdCI bereit auf seinen Vorschlag einer Konföderation zu
verzichten?
„Die Konföderation ist eine
der möglichen Formen der Einheit. Die Phantasie der Politik kann es uns – umso
mehr in Italien – ermöglichen andere Formen zu finden. Ich bin nicht verliebt
in die Konföderation. Ich finde nur, sie ist die realistischste Hypothese.“
Für ein neues
Linksbündnis würde sich das Problem des Namens und sogar des Symbols stellen.
Ist Diliberto bereit auf den Namen und das Symbol
seiner Partei zu verzichten?
„Nun, soweit ich weiß haben
sowohl Rifondazione als auch der PdCI
das Adjektiv ‚kommunistisch’ im Namen und ‚Hammer und Sichel’ in
ihrem Symbol. Ich bin realistisch und glaube, dass jeder von uns mit dem
eigenen Namen und dem eigenen Symbol in dieser gemeinsamen Subjektivität der
Linken mitwirken sollte. Wir sollten kein Teil verlieren. Dazu sollte die
Konföderation dienen. Sie sollte weitere Zersplitterungen vermeiden. Ich habe
aber kein Problem damit eine Formel zu suchen, die für alle neu ist und die es
jedem erlaubt in einem größeren Behälter er selbst zu sein.“
Ein Behälter, der jedoch
Gefahr läuft die x’te Architektur von
parlamentarischen Kräften zu sein und die Bewegungen sowie all das, was
außerhalb der Parteien existiert, außen vor zu lassen.
„Aber die Parteien
existieren und sind ein Instrument der organisierten Beteiligung. Man kann sie
nicht ausschließen. Wer diesen Einwand erhebt, hat in Wirklichkeit kein
Interesse daran, einen Schritt voran zu kommen. Sicherlich muss man auch die
Bewegungen einbeziehen.“
Leicht gesagt, aber wenn
ein Parlamentarier so abstimmt, wie es die Bewegungen fordern, wird er aus
Euren Parteien verjagt.
„Dem ist nicht so. Die große
Mehrheit der Bewegungen hat von uns das Gegenteil gefordert; will heißen: keine
Krise herbeizuführen. Es sind nur Teile der Bewegungen, die die Parlamentarier
dazu auffordern wie auch immer nur auf ihr Gewissen zu hören und die
politischen Auswirkungen dabei nicht zu bedenken. Die sind wirklich eine
eindeutige Minderheit. Was das anbelangt, bin ich mir nicht unschlüssig.“
Das heißt, wären Sie noch
Mitglied von Rifondazione, dann hätten Sie für den
Parteiausschluss von Turigliatto gestimmt?
„Wenn ich noch Mitglied von Rifondazione wäre, hätte ich Turigliatto
nicht als Kandidaten aufgestellt. Das Problem hätte sich für mich gar nicht
gestellt.“
Aber Rossi <der ehemalige PdCI-Senator, der wie Turigliatto
Prodis Kriegs- und Aufrüstungspolitik die Stimme
verweigerte> hat kandidiert.
„Weil Rossi als er Kandidat
wurde keine andere Position hatte als die Partei. Das haben wir erst hinterher
gemerkt, sagen wir es so.“
Vorbemerkung,
Übersetzung und Einfügungen in eckigen Klammern: * Rosso
Der Name * Rosso steht
für ein Mitglied der Antifa-AG der Uni Hannover und
des Gewerkschaftsforums Hannover, das bereits in der Vergangenheit den Großteil
der Übersetzungsarbeit beider Gruppen geleistet hat. Nachdem sich die Antifa Uni nach mehr als 17jährigem Bestehen Ende Oktober
2006 aufgelöst hat (siehe: http://antifa.unihannover.tripod.com/Aktuell.html)
werden die explizit politischen Übersetzungen von nun an in individueller
Verantwortung unter diesem Logo veröffentlicht. Die Übersetzungen der
gewerkschaftsbezogenen Texte erscheinen ab sofort nur noch im Namen und in der
Verantwortung des Gewerkschaftsforums.
Hinweise, Kritik, Lob oder Anfragen
wegen Referaten zur politischen und sozialen Entwicklung in Italien (oder in
Palästina) ab jetzt mit einer Mail an: negroamaro@mymail.ch oder gewerkschaftsforum-H@web.de