* Rosso:
Bei den Neuwahlen zum Senat und zum
Repräsentantenhaus musste in den USA am 7.November 2006 die regierende
Republikanische Partei zur Hälfte der zweiten Amtszeit ihres Präsidenten George
W. Bush eine empfindliche Niederlage hinnehmen. Bei den Wahlen zum
Repräsentantenhaus büßten sie fast 30 Sitze an die oppositionellen Demokraten
ein und verloren in beiden Kammern die Mehrheit. Der Stimmenanteil der
Republikaner sank bei den Wahlen zum Repräsentantenhaus von 52,6% im
Jahr 2002 auf jetzt 47,5% (- 5,1%), während sich die Demokraten von 47,4% auf
52,5% steigerten (+5,2%). Absolut gesehen verloren Bushs Republikaner sogar
10,8% ihrer Wähler von 2002, wohingegen die Demokraten ihre Stimmenzahl um 9,2%
erhöhen konnten. Bei den Wahlen zum Senat war eine ähnliche Tendenz zu
beobachten, die Bandbreite der Resultate allerdings sehr viel größer. Die
schwersten Verluste mussten die Republikaner hier in Ohio und Pennsylvania
hinnehmen, wo sie 36,9% bzw. 33,5% ihrer Wähler aus dem Jahr 2000 verloren,
während die Demokraten dort ihre Stimmenzahl um 34,6% bzw. 8,7% steigerten.
Ansonsten bewegen sich die Resultate der Grand Old Party zwischen Verlusten von
19,8% und 18,0% in Rhode Island und Virginia sowie einem Stimmengewinn von
+7,1% in Missouri.
Unmittelbare Konsequenz war die Entlassung des neokonservativen Hardliners und
Stützpfeilers der US-Administration Donald Rummmsfeld,
der als Kriegsminister vom ehemaligen CIA-Direktor Robert Gates abgelöst wird.
Die “kommunistische” italienische Tageszeitung “il manifesto” brachte am 11.11.2006
zu dieser Entwicklung das folgende Interview mit dem Direktor des linken
US-Magazins “Counterpunch”, Alexander Cockburn, der allerdings vor übertriebenen Hoffnungen auf
einen Politikwechsel warnt:
“Die Demokraten im Irak-Sumpf”
Der
Direktor von “Counterpunch” Alexander Cockburn:
Rumsfelds Rücktritt bedeutet keine Wende. Der
ehemalige Verteidigungsminister ist nur das von Bush angebotene Opferlamm. Bush
versucht die gegnerische Partei in das Bagdader Desaster hineinzuziehen.
Marco D’Eramo – Chicago
Außer Koautor eines sehr
schönen Buches über die Amazonas-Landschaft mit dem Titel “The Fate of the
Forest: developers, destroyers and defenders of the Amazon” ist Alexander Cockburn (zusammen mit Jeffrey St. Clair)
auch Direktor des bissigsten linken Newsletters in
den Vereinigten Staaten “Counterpunch” (www.counterpunch.org). Er lebt im
Norden Kaliforniens auf dem Land und ich erreiche ihn per Telefon.
Ist Donald Rumsfelds Rücktritt ein Zeichen für eine wirkliche
Veränderung?
“Nach der Niederlage musste
die republikanische Administration irgendeinen opfern und er war der Mann, der
geopfert wurde. Der neue Verteidigungsminister Bob Gates gehört zum Gefolge von
James Baker, der die neue graue Eminenz ist.”
Aber bedeutet das nicht
einen Einflussverlust für den Vizepräsidenten Dick Cheney?
“Mit Sicherheit. Das wird
aber bedeuten, dass George Bush nun Direktiven von James Baker und von den
Männern seines Vaters und nicht mehr von Cheney entgegennimmt, der nicht zum
Clan von Bush senior gehörte, sondern sich mit denen sogar einen harten Kampf geliefert
und sich als unglaublich inkompetent erwiesen hat.”
Aber was meinst Du, kurz
gesagt, zu den Wahlergebnissen?
“Mit Blick auf die 2008
anstehenden Präsidentschaftswahlen hätte es für die Republikanische Partei
schlimmer ausgehen können. Sie hätten die Mehrheit in einer der beiden
Parlamentskammern behalten können (oder sogar in beiden), was sie für 2008 in
eine dramatische Lage gebracht hätte. Sie hätten dann als die
Alleinverantwortlichen dagestanden. So können sie hingegen die Demokraten für
den Schlamassel im Irak mit verantwortlich machen. Und sie können sich darauf
vorbereiten 2008 einen Kandidaten wie John Mc Cain zu unterstützen, der in jedem Fall ein Wahnsinn ist.”
Heißt das, dass es in
Sachen Irak keinen Kurswechsel geben wird?
“Bereits jetzt sagt Mc Cain, dass, wenn der Irak nach
dem Abzug der US-Truppen dreigeteilt wird (etwas das auch in Anwesenheit unserer
Truppen dort geschieht), dies eine Demütigung für die Vereinigten Staaten
bedeute. Vom Standpunkt des Imperiums aus hat er Recht. Für das Imperium ist es
eine Demütigung sich aus dem Irak zurückzuziehen und einen Trümmerhaufen zu
hinterlassen. Aus diesem Grund können, auch wenn sich die Wähler klar und
deutlich für einen sofortigen Rückzug ausgesprochen haben, die Demokraten – von
ihrer Logik her – auf diesem Weg nicht sehr weit gehen, sonst werden sie sich
die Verantwortung für diese Ohrfeige aufbürden, die das Imperium einsteckt. Die
Demokraten können in jedem Fall nichts Besonderes tun. Siehst Du sie den
Patriot Act abschaffen, die geheimen Militärtribunale
schließen, die unverhältnismäßigen großen Steuergeschenke abschaffen, die Bush
den Reichen gemacht hat, Vorschriften für die Buchhaltung der großen
Aktiengesellschaften formulieren, eine aggressive Umweltschutzpolitik gegen die
Umweltverschmutzer betreiben, ein nationales Gesundheitssystem einrichten, den
Freihandelsvertrag revidieren (erinnert Ihr Euch daran, dass der
Nordamerikanische Freihandelsvertrag NAFTA von Bill Clinton ratifiziert wurde)?
Nichts von alledem wird geschehen. Sie werden einige Stipendien mehr für
einkommensschwache Studenten einrichten und den Mindestlohn auf 7,55 Dollar
anheben, was nichtsdestotrotz lächerlich ist. Wenn Du einem Jugendlichen aus
der Nachbarschaft 7 Dollar die Stunde anbietest, damit er Dir den Rasen mäht,
spuckt er Dir ins Gesicht. Die illegal aus Mexiko eingewanderten Arbeiterinnen
bekommen einen Lohn von 15 Dollar die Stunde als Haushaltshilfe. Und das
Parlament der Vereinigten Staaten beschließt diese wagemutige Anhebung auf 7,50
Dollar! Aber bringt uns nicht zum Lachen. Die Demokraten werden sich zwangsweise
auf Mini-Reformen der kleinen Küstenschifffahrt dieser Art beschränken müssen.”
Ich sehe Dich nicht sehr
optimistisch…
“Die Sache ist, dass es hier
in den Vereinigten Staaten keine radikale Linke gibt. Es gibt keinen mehr, der
eine antikapitalistische Position hat. Einst gab es sogar welche, die die
Verstaatlichung der Giganten der Ölindustrie vorschlugen. Heute beschränken sie
sich nur noch auf eine kosmetische Veränderung des Bestehenden. Sogar der Black
Caucus (die schwarze Parlamentsfraktion; Anm.d.Red.) ist nicht mehr das, was er mal war. Sicher, es gibt immer noch Leute
mit interessanten Ideen, wie Barbara Lee oder Maxine Water oder Cinthya McKenney. Aber es gibt keine Linke mehr, die diesen Namen
wert wäre. Was seinen Grund hat: Macht Deiner Ansicht nach eine extreme Linke
im römischen Senat für eine anti-imperiale Politik
Sinn?”
Vorbemerkung,
Übersetzung und Einfügungen in eckigen Klammern: * Rosso
Der Name * Rosso steht
für ein Mitglied der Antifa-AG der Uni Hannover und
des Gewerkschaftsforums Hannover, das bereits in der Vergangenheit den Großteil
der Übersetzungsarbeit beider Gruppen geleistet hat. Nachdem sich die Antifa Uni nach mehr als 17jährigem Bestehen Ende Oktober
2006 aufgelöst hat (siehe: http://antifa.unihannover.tripod.com/Aktuell.html)
werden die explizit politischen Übersetzungen von nun an in individueller
Verantwortung unter diesem Logo veröffentlicht. Die Übersetzungen der
gewerkschaftsbezogenen Texte erscheinen ab sofort nur noch im Namen und in der
Verantwortung des Gewerkschaftsforums.
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