* Rosso:
Zur Krise der italienischen Mitte-Links-Regierung
unter dem christdemokratischen ehemaligen EU-Kommissions-Präsidenten und ehemalige
Chefmanager der Staatsholding IRI, Romano Prodi sowie
ihrer (vorläufigen) Beilegung brachte die unabhängige, linke Tageszeitung “il
manifesto” am 27.2.2007
auch ein Interview mit dem führenden Kopf der linksradikalen Disobbedienti (Ungehorsamen) Nordostitaliens, Luca
Casarini. Auch wenn sich das Disobbedienti-Netzwerk
bereits vor rund zwei Jahren aufgelöst hat, sind die Aktivisten und örtlichen
Gruppen nach wie vor vorhanden und – nun unter wechselnden Namen – aktiv. Da
eines der wichtigsten Aktionsfelder dieser Gruppen Anti-Kriegs-Aktionen sind,
ist notgedrungen auch die Spaltung der Bewegung in den regierungsfreundlichen
und den regierungs-kritischen Teil Thema des Interviews. Eine Spaltung, die
auch deshalb eine Schwächung bedeutet, weil der Teil der Friedensbewegung, der
in der Prodi-Exekutive seine “befreundete
Regierung” sieht, fast alle Proteste eingestellt hat und sich – wie
beispielsweise die parteilose, 1999 und 2004 auf der Liste von Rifondazione Comunista (PRC) ins
Europaparlament gewählte, Luisa Morgantini (66) –
nicht zu schade ist, den radikalen Teil der Bewegung zu diffamieren, wo immer
es geht.
“Anti-Krieg: eine Phase 2 ohne Querverbindungen”
Luca Casarini: Die einzig möglich Wende ist das System des
Krieges zu blockieren. Indem man sich gegen eine Regierung wehrt, die versucht,
uns zu absorbieren.
“Die
Anti-Kriegs-Bewegung, so wie wir sie uns vorgestellt und praktiziert haben,
existiert nicht mehr. Heute stehen wir vor einer neuen Bewegung gegen den
Krieg, weil wir in eine neue Phase des permanenten globalen Krieges eingetreten
sind: dem multilateralen Krieg. Dessen Laboratorium Afghanistan ist.” Luca Casarini spart nicht
mit Kritik an der Bewegung, an den Nicht-Regierungs-Organisationen (NGO’s) und an all jenen Organisationen, die der Regierung
zuzwinkern. Und er schlägt all jenen, die außerhalb der Schaltzentrale
geblieben sind, einen neuen “Start” vor.
Das Verhältnis zwischen
einigen Parteien, wie dem PRC und den Bewegungen scheint in die Krise geraten
zu sein.
“Zum Teil ist das Täuschungsmanöver
der Regierung, die von sich behauptete zwei Eisen im Feuer zu haben (wie <Rifondaziones
Galionsfigur> Bertinotti
sagte) in der Regierung und in der Bewegung aufgeflogen. Und endlich ist auch
die Rolle jener Organisationen deutlich geworden, die – wie Negri
und Hardt behaupten – das Tribunat der NGO’s
repräsentieren, d.h. ein funktionaler Teil des Imperiums sind. Es sind jene NGO’s, die vom Mechanismus des permanenten globalen Krieges
dazu aufgerufen sind, ihre Aufgabe innerhalb jener Vorrichtung zu spielen. Im
Austausch dafür erhalten sie natürlich eine Rolle innerhalb der Vorrichtung
selbst. Wir könnten dieses Konzept mit einem Bild zusammenfassen: Gegen die
Staatssekretärin von Rifondazione <im Außenministerium> Patrizia Sentinelli
haben auf dem Weltsozialforum in Nairobi Jugendliche aus Korogocho
protestiert. Die Versammlung am Samstag in Rom war ein Abbild der Tatsache,
dass wir uns in einer neuen Phase befinden.”
Du glaubst also nicht an
die Möglichkeit die Linie der Regierung von innen heraus zu verändern?
“Diese Regierung entsteht in
einer Krise, weil die Souveränität innerhalb der vom globalen Szenario
festgelegten Punkte, mit denen sie kompatibel sein muss, begrenzt ist. Das
Laboratorium ist Afghanistan, wo es im Frühjahr Tausende unschuldiger Toter
geben wird. Die Wende besteht darin, sich nicht an der Mission zu beteiligen,
um zu versuchen die Zahl der Toten zu begrenzen. Der einzig mögliche Bruch
besteht darin das System des Krieges zu blockieren.”
Wie?
“Es kann keine mögliche
Zukunft außerhalb des Krieges geben, wenn ein Dualismus der Mächte fehlt, d.h.
das Kommando und die Bewegung, die sich diesem widersetzt. Die multipolare
Regierung versucht diese Bestrebungen gegen das Kommando zu absorbieren. Der
dritte Weg ist allerdings nicht die Beziehung zwischen <dem sozialdemokratischen
DS-Außenminister> D’Alema
und der <linken
Kulturdachorganisation> ARCI,
um es mit einem Schlagwort zu sagen. Ich bin davon überzeugt, dass wir nicht
mit der Schande des Krieges leben können. Deshalb frage ich mich, wenn <die beiden “dissidenten” ex-PdCI- bzw. PRC-Senatoren> Rossi
und Turigliatto kritisiert werden, die
Lichtjahre von mir entfernt sind, ob es wirklich nicht mehr Spielraum für das
individuelle Schamgefühl gibt, dass Dich dazu bringt, gegen den Krieg zu
votieren. Ich stehe auf der Seite derjenigen, die wieder menschlich werden und
die Logiken hinter sich lassen, die dazu führen, dass auch die Schande der
Zerstörung von Tausenden von Menschenleben akzeptiert wird.”
Du sagtest, dass wir vor
einem Neubeginn stehen.
“Es beginnt ein neuer
Prozess. Und der Appell, den ich an jene richte (ich denke da an <den zwar sozialdemokratischen,
aber konsequent pazifistischen Leiter der Hilfsorganisation Emergency> Strada, an Zanotelli <Pax Christi>, an Cremaschi <linker Flügel von Rifondazione, Nr.2 der Metallarbeitergewerkschaft FIOM und
Kopf des radikalsten Teils der CGIL-Linken>
und an Bernocchi <Basisgewerkschaft Confederazione COBAS> lautet: Wir müssen das Bewusstsein erhöhen, Prozesse wie die in Vicenza und Novara stärken, in
ihnen wirken und uns darauf vorbereiten in dem Augenblick zu intervenieren, in
dem wir – leider – die Auswirkungen einer bereits angekündigten militärischen
Eskalation erleben. Es ist notwendig eine neue Absichtserklärung zu verfassen,
die sich mit dem multilateralen Krieg, mit der Rolle der NGO‘s
beschäftigt, die sich innerhalb jener Logik bewegen. Ich denke, dass das ‚Ohne
wenn und aber!‘ ohne weiteres auf die Ablehnung des Krieges angewendet
werden muss, während wir bezüglich der Modalitäten der Ablehnung tausend Wenn’s
und Aber’s haben müssen. Darüber müssen wir
uns auf Versammlungen Gedanken machen und auseinandersetzen, deren Anzahl wir
vervielfachen müssen. Und auf denen auch über neue Legalitäten diskutiert
werden muss, die der offiziellen Legalität von unten entgegen gesetzt werden.
Wenn diese Regierung ihre Bagger nach Vicenza
schickt, werden wir uns dagegen wehren und Dinge tun, die für sie illegal sind.
Nach der Unterstützung von Prodi und dem
multilateralen Krieg ist es nicht möglich, dass man uns eine Diskussion mit
ARCI vorschlägt. Selig seien die Bauherren und diejenigen, die eine Rolle in
diesem Krieg akzeptiert haben! Es ist besser uns an die Bewegungen zu wenden,
wie der in Vicenza, die in der Lage waren das Lokale
und das Globale miteinander zu verbinden und ein Absinken in den Lokalismus zu vermeiden.”
Vorbemerkung,
Übersetzung, Hervorhebungen und Einfügungen in eckigen Klammern:
* Rosso
Der Name * Rosso steht
für ein Mitglied der Antifa-AG der Uni Hannover und
des Gewerkschaftsforums Hannover, das bereits in der Vergangenheit den Großteil
der Übersetzungsarbeit beider Gruppen geleistet hat. Nachdem sich die Antifa Uni nach mehr als 17jährigem Bestehen Ende Oktober
2006 aufgelöst hat (siehe: http://antifa.unihannover.tripod.com/Aktuell.html)
werden die explizit politischen Übersetzungen von nun an in individueller
Verantwortung unter diesem Logo veröffentlicht. Die Übersetzungen der
gewerkschaftsbezogenen Texte erscheinen ab sofort nur noch im Namen und in der
Verantwortung des Gewerkschaftsforums.
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wegen Referaten zur politischen und sozialen Entwicklung in Italien (oder in
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