* Rosso:
Die gezielte Ermordung des
libanesischen Industrieministers und Führungsmitgliedes der rechtsradikalen
Falange, Pierre Gemayel, am 21.November 2006, die offenkundig durch sehr
gut informierte und versierte Profikiller erfolgte und einen
Geheimdiensthintergrund nahe legt, nutzt zynischerweise dem proimperialistischen
Lager, dem das Opfer angehörte, und schadet den antiimperialitischen
Kräften im Libanon – allen voran der Hisbollah. Die linke italienische
Tageszeitung „il manifesto“ fragte
daher den Chefredakteur der Nachrichtenredaktion des viel zitierten
Fernsehsenders der Hisbollah „Al Manar“, Ibrahim
Moussawi, nach seiner Einschätzung dieses Mordes.
Das Interview erschien am 23.11.2006.
„Ein Mord, um die Geburt einer Regierung der
nationalen Einheit zu blockieren“
Interview
mit Moussawi: „Die Regierung Siniora
ist illegitim. Man kann nicht gegen die Mehrheit regieren.“ Es spricht der Chefredakteur des
Fernsehsenders der Hisbollah.
Stefano Chiarini
„Die Tötung für Pierre
Gemayel ist ein schreckliches Verbrechen, dass die Führung der Hisbollah in den
schärfst möglichen Worten verurteilt hat. Ein reiner Akt des Terrorismus, der
ausgeführt wurde, um das Land ins Chaos und in den Bürgerkrieg zu drängen und
die friedliche Mobilisierungskampagne zu stoppen, die von der Opposition
vorbereitet wird, um eine Regierung der nationalen Einheit oder Neuwahlen zu
erreichen, deren Beginn für heute vorgesehen war. Ein Kampf für die
Respektierung der Demokratie und der Verfassung. Die Regierung Sinora ist seit dem Augenblick illegitim und
verfassungswidrig, wo in ihr eine der beiden wichtigsten Gemeinden des Landes
nicht mehr repräsentiert ist. Man kann den Libanon nicht ohne eine Regierung
stabilisieren, die Ansehen genießt und die Zustimmung des ganzen Landes
genießt.“ Der Chefredakteur der
Nachrichtensendungen des der Hisbollah nahe stehenden Fernsehsenders „Al Manar“, der mittlerweile zu einem der wichtigsten
Sender des Libanon und des gesamten Mittleren Ostens geworden ist, Ibrahim Moussawi, gesteht uns seine Besorgnis und seine Empörung
über die Tötung von Pierre Gemayel und die möglichen, verheerenden
Konsequenzen. „Jetzt, angesichts dieses Verbrechens, hat die breite
Oppositionsfront“ – fährt Moussawi fort – „die
von der Amal und der Hisbollah über die
Kommunistische Partei und viele ehemalige Ministerpräsidenten bis zur Mehrheit
der maronitischen Gemeinde, die auf General Aoun Bezug nimmt, und bis zu bedeutenden sunnitischen
Sektoren reicht, beschlossen, die Kampagne gegen die Regierung zu bestätigen.
Man sah sich allerdings, aus diesem Verantwortungsgefühl heraus, das einem
großen Teil der Regierungsmehrheit leider fehlt, gezwungen, ihren Beginn zu
verschieben.“
Die Vereinigten Staaten (und
nicht nur sie) scheinen entschlossen, die Regierung Sinora
um jeden Preis zu stützen…
„Eine Minderheitsregierung,
die sich anmaßt, ihren Willen mit Gewalt und sogar mit der Hilfe ausländischer
Streitkräfte durchzusetzen, kann nur ins Chaos führen. Der Versuch, den Libanon
zu kontrollieren, indem man sich auf eine Gemeinschaft gegen die andere stützt,
ist noch nie gelungen und hat immer tragische Konsequenzen gehabt.“
Und jetzt? Es gibt Leute,
die bereits von einem neuen Bürgerkrieg sprechen…
„Die Situation ist
gravierend, aber die wichtigsten Kräfte, die ihn real führen könnten, haben
nicht die Absicht dies zu tun und diejenigen, die sich so sehr darüber erregen,
weil sie in Wirklichkeit darauf hoffen, seinen Ausbruch zu fördern, sind nicht
in der Lage ihn zu führen. Ich wünsche mir, dass die Regierung sich die
Gefahren bewusst macht, denen wir ausgesetzt sind, und – indem sie das von der
Opposition halb geöffnete Fenster nutzt – eine Kompromisslösung akzeptiert.
Leider habe ich in diesen Tagen den Eindruck, dass der Ministerpräsident Siniora weiterhin sehr bedeutende Entscheidungen trifft,
wie die Zustimmung zur Einrichtung eines internationalen Tribunals und das ohne
die Anwesenheit unserer Minister, was diese Beschlüsse null und nichtig macht.“
Warum habt Ihr die
Regierung verlassen?
„Weil Siniora
jeden Kompromiss abgelehnt und das vereinbarte Programm nicht respektiert hat.
Wir sind nicht bereit die Notare für Entscheidungen zu spielen, die vom
US-Botschafter getroffen werden.“
Die Regierung hat Euch
beschuldigt gegen einen internationalen Gerichtshof bezüglich des Mordes an
Hariri zu sein…
„Das stimmt überhaupt nicht.
Wir sind dafür, aber wir wollen die Sonderrechte dieses Gerichtshofes
grundlegend diskutieren und überprüfen ob und in welchem Maße diese die
Souveränität des Landes verletzen und wir wollen Sicherheiten dafür, dass er
nicht dazu benutzt wird ausländische Agendas
voranzubringen, die nichts mit der Gerechtigkeit zu tun haben.“
Es gibt Gefahren für die
UNIFIL im Süden…
„Alle sind bereit die UNIFIL
zu akzeptieren, wenn sie sich darauf beschränkt die libanesische Armee zu
unterstützen. Leider habe ich aber den Eindruck, dass es in der Praxis eine
Veränderung ihres Mandats gibt, das bereits einige Zwischenfälle provoziert
hat, insbesondere in dem Sektor, in dem die spanischen Militärs operieren. Aber
nicht nur da. Es besteht die Gefahr, dass der Honigmond der UNIFIL im
Südlibanon zu Ende geht.“
Vorbemerkung,
Übersetzung und Einfügungen in eckigen Klammern: * Rosso
Der Name * Rosso steht
für ein Mitglied der Antifa-AG der Uni Hannover und
des Gewerkschaftsforums Hannover, das bereits in der Vergangenheit den Großteil
der Übersetzungsarbeit beider Gruppen geleistet hat. Nachdem sich die Antifa Uni nach mehr als 17jährigem Bestehen Ende Oktober
2006 aufgelöst hat (siehe: http://antifa.unihannover.tripod.com/Aktuell.html)
werden die explizit politischen Übersetzungen von nun an in individueller
Verantwortung unter diesem Logo veröffentlicht. Die Übersetzungen der
gewerkschaftsbezogenen Texte erscheinen ab sofort nur noch im Namen und in der
Verantwortung des Gewerkschaftsforums.
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