Antifa-AG der Uni Hannover & Gewerkschaftsforum Hannover:
Wenn auch unbeabsichtigt, stellen die Äußerungen des Generalsekretärs der größten italienischen Gewerkschaftszentrale CGIL, Guglielmo Epifani, zur Friedensbewegung und zur Möglichkeit eines weiteren (diesmal ernsthaften) Generalstreiks gegen den Krieg, doch faktisch eine recht direkte Antwort auf den nebenstehend dokumentierten Vorstoß der Basisgewerkschaft Sin Cobas dar. Interessant sind an den Aussagen des CGIL-Chefs neben seiner Klassifizierung der Anti-Kriegs-Bewegung auch die Antwort auf den Versuch der Linksdemokraten (DS)-Parteiführung und des mitte-linken Olivenbaum-Bündnisses, diese zu spalten (und den Versuch von Rifondazione Comunista sie mit dem Referendum zur Ausweitung des Kündigungsschutzes zu verbinden) sowie die Hinweise auf Mobilisierungsprobleme der Gewerkschaft. Wobei Epifani die schlechte organisatorische Vorbereitung des landesweiten zweistündigen Streiks nach Kriegsausbruch (am 20.März 2003) und die vom Apparat produzierten Probleme aufgrund eines übermäßigen Hanges zum Administrieren geflissentlich verschweigt. Insgesamt sollte man beim Lesen im Hinterkopf behalten, daß die CGIL - unter dem Druck der Verhältnisse und auf Anregung ihres im September 2002 aus Altergründen zurückgetretenen Ex-Generalsekretärs Sergio Cofferati - seit ca. 2 Jahren in nationalen politischen Fragen (insbesondere beim Kündigungsschutz) einen deutlich konfliktbereiteren und am linken DS-Flügel orientierten Kurs verfolgt. Ein Kurs, der zu erheblichen Zerwürfnissen mit den untertänigeren Bünden CISL und UIL geführt hat und dennoch in jeder Hinsicht halbgar bleibt.
Das Interview mit Epifani erschien in der unabhängigen linken italienischen Tageszeitung il manifesto vom 24.3.2003.
Der Frieden akzeptiert kein Diktat !
Interview mit dem Generalsekretär der CGIL, Guglielmo Epifani: Die Spaltungen der Bewegung nach der doppelten Demonstration vom Samstag, die Beziehungen zu den politischen Parteien und Gruppen sowie die große Neuheit der pazifistischen Supermacht.
Paolo Andruccioli
Wir verbergen unseren Verdruß und unsere Irritation aufgrund der Spaltung, die am Samstag mit der doppelten Demonstration in Rom stattgefunden hat, nicht. Was mich betrifft und was die CGIL betrifft, ist es das erste und letzte Mal, daß wir eine derartige Sache akzeptieren, die unserer gesamten einheitlichen / Bündnis-Tradition zuwiderläuft. Das Paradoxe ist aber, daß das passiert ist als sich alle einig waren und als gerade von der Kriegsfront immer tragischere Nachrichten kamen. Was mehr zählt, ist jetzt, über die Absurdität dieses Krieges und über die bedeutendste Neuheit dieser Periode nachzudenken. Das heißt über die Existenz einer Friedensbewegung, die wirklich zur zweiten Supermacht geworden ist. Guglielmo Epifani (Generalsekretär der CGIL) setzt bei den letzten Demonstrationen gegen den Krieg im Irak an, um zu erklären, was die Gewerkschaft in den kommenden Tagen zu tun gedenkt und in welches Verhältnis man sich zur Friedensbewegung und zu den anderen europäischen Gewerkschaften stellen will.
Sekretär, ist es passend von der Friedensbewegung als der zweiten weltweiten Supermacht zu sprechen ?
Diese Definition stammt, wie wir wissen, von einer großen amerikanischen Zeitung. Es scheint mir, daß sie wirklich ins Schwarze trifft. Es ist in der Tat eines der Paradoxe der gegenwärtigen Geschichte. Der größten militärischen und technologischen Supermacht tritt ein zweiter Pfeiler entgegen, der von Personen gebildet wird, von einer Einheit vieler einzelner Individuen. Es handelt sich um eine ganz und gar neue Sache. Es genügt die Demonstrationen vom Samstag zu betrachten. Die waren in den lateinischen Ländern (Frankreich, Spanien, Italien) groß, aber sie waren auch in den USA, in England und in Australien sehr groß - <das heißt> in den Ländern, die in diesem Krieg in der vordersten Reihe stehen. Das Aufsehenerregende ist aber, daß es in den demokratischen Ländern mehr Demonstrationen gibt als in den islamischen. Auch darüber sollte man mehr nachdenken. Das Nein zum Krieg wird durch den Eindruck eines Landes verstärkt, das nur aus einer Machtlogik heraus entscheidet. Trotz der Propaganda hat man in der Welt die ökonomischen und Machtinteressen begriffen, die in diesem Moment auf dem Spiel stehen. Die Leute haben einfach begriffen, daß die (möglichen) Vorteile eines derartigen Krieges in jedem Fall Vorteile für Wenige sind, während die Risiken alle betreffen. Bereits seit den Auswirkungen des Krieges klärt sich die Situation. Die UNO ist auf vielleicht unumkehrbare Weise in die Krise geraten. Die Europäische Union ist in die Krise geraten (und wir hoffen nicht auf unumkehrbare Weise). Der ganze Bereich des Mittleren Ostens wird destabilisiert. Die palästinensische Frage wird nicht gelöst und man leitet Wasser auf die Mühlen des Fundamentalismus. Man denkt <aber> auch nicht genügend über eine kulturelle Sache nach: In den islamischen Ländern ist der Zeitbegriff anders als bei uns. Die Reaktionen kommen nicht sofort und daher können wir voraussagen, daß es auch lange danach, nach Jahren der Inkubation <noch> Reaktionen auf den Krieg geben wird.
Um auf die Bewegung zurückzukommen, was kann man über ihre Charakteristika sagen ? Und wie gelingt es uns bloß hier in Italien uns auch in bezug auf die Opposition gegen einen illegitimen Krieg zu spalten ?
Das Hauptcharakteristika dieser Bewegung ist, daß sie es versteht Tausende von Jugendlichen zu (ver-)sammeln, aber auch Tausende von Leuten mit unterschiedlichen Ideologien und unterschiedlichem Glauben. Es gibt die Kommunisten, die Katholiken, die Reformisten, die Gewerkschafter und die Intellektuellen. Kurz: sehr unterschiedliche politische Kulturen und Positionen. Deshalb muß man vereint bleiben und müssen Spaltungen wie die vom Samstag vermieden werden. Ich wiederhole es: Für uns ist es das letzte Mal gewesen. Wir werden keine derartigen Spaltungen mehr akzeptieren. Wir sagen das klar und deutlich an die <Adresse der> Freunde vom <mitte-linken> Olivenbaum-Bündnis, aber auch an die anderen Bewegungen und Vereinigungen.
Ihr habt ausgeschlossen, daß man zu einem neuen Generalstreik schreiten könnte. Ist das so ? Und wie denkt Ihr dann, daß man der Empfehlung des EGB (der europäischen Gewerkschaften), die Mobilisierung bis zur Wiederherstellung des Friedens fortzusetzen, Folge leisten kann ?
Wir haben den Streik ausgeschlossen, weil wir nicht mit einem Streik nach dem anderen weitermachen können. Wir schließen ihn jedoch in dem Fall nicht aus, daß sich Situationen ergeben, in denen es notwendig ist, mit der größtmöglichen Sichtbarkeit zu antworten. Unser Ziel (und wir sind zufrieden, daß es dasselbe wie das des Europäischen Gewerkschaftsbundes ist) lautet, den Frieden zurückzuerobern. Deshalb müssen wir die Initiativen vervielfachen. Die zentralen Demonstrationen sind wichtig, aber wichtig sind auch die vielen Initiativen <bzw. Aktionen>, die jeden Tag, jeden Abend in vielen verschiedenen Städten stattfinden. Denken wir an Initiativen wie jene von Sigonella und die vielen anderen, die in den Schulen und in den Universitäten sowie in den Stadtteilen stattfinden. Die Bewegung muß andauern und es ist nicht möglich sie allein über den Großmut / die Freigiebigkeit der Leute am Leben zu erhalten, die immer dieselben Sachen machen. <Eine zarte Anspielung auf die Lohnausfälle der an den Streiks Beteiligten !> Unsere Organisation und unsere Aktiven haben bereits sehr viel getan - von den Streiks bis zu den Demonstrationen. Deshalb müssen wir mit sehr präzisen Zielen weitermachen.
In Großbritannien und auch in Italien sind die Mobilisierungen gegen den Krieg vor allem von den Gewerkschaften ausgegangen. In welchem Verhältnis werdet Ihr zum fortschrittlichen Lager stehen ?
Der Diskurs ist sehr einfach. Wenn die Umfragen stimmen, die von ungefähr 80% der Italiener sprechen, die gegen den Krieg sind, dann müssen wir uns an diese wenden. Man muß dieser Frage der politischen Beteiligung die größtmögliche Aufmerksamkeit schenken, ohne Instrumentalisierungen und kleine Tricks zu versuchen. Mich irritieren z.B. Flugblätter wie jenes, das ich am Samstag gesehen habe und dessen Aussage Nein zum Krieg und Ja zum Referendum <für die Ausdehnung des Kündigungsschutzes, den Rifondazione Comunista, die Basisgewerkschaften, die CGIL-Linke, die centri sociali u.a. fordern, die CGIL-Führung aus Realismus aber ablehnt !> lautete. Warum müssen wir immer alles vermischen ? Bei allem Respekt für die politischen Parteien und die Politik wiederhole ich, daß wir niemanden ersetzen wollen und vielmehr bekräftigen, daß wir eines der Subjekte auf dem Schlachtfeld sein und für die Einheit dieser Anti-Kriegs-Bewegung arbeiten wollen.
In diesem Augenblick ist es schwierig Voraussagen auch über die Strategien zu machen. Diejenigen allerdings, die von einem kurzen Krieg sprachen, scheinen bereits widerlegt worden zu sein...
In diesem Fall gibt es eine abgrundtiefe Kluft zwischen der medialen Propaganda und den tatsächlichen Fakten. Das ist typisch für jeden Krieg. Auch die Weltkriege waren heimlich begonnen worden und es war dann die Geschichte, die den wirklichen Verlauf der Ereignisse bestimmte. Nun erleben wir die ersten Hindernisse eines Krieges, der als perfekt beschrieben worden war. Das ist der xte Beweis dafür, daß der Papst Wojtyla Recht hat. Wir stehen einem tragischen Abenteuer gegenüber, dessen reale Konsequenzen niemand vorhersehen kann. Und das, was gestern geschehen ist, sowie die dramatischen Bilder, die uns die Fernsehsender der ganzen Welt liefern, sind ein Beleg und vielleicht <auch> eine Ankündigung dessen, was passieren könnte, wenn man diesen Krieg nicht stoppt.
Vorbemerkung, Übersetzung und Einfügungen in eckigen Klammern:
Antifa-AG der Uni Hannover und Gewerkschaftsforum Hannover