Antifa-AG der Uni Hannover & Gewerkschaftsforum Hannover:
Unmittelbar nachdem die beiden kleineren (und rechteren) italienischen
Gewerkschaftsbünde CISL und UIL sich - unter Bruch der Gewerkschaftseinheit
- zur Wiederaufnahme der Verhandlungen über die Aufweichung des Kündigungsschutzartikels
18 in der Konzertierten Aktion mit der Regierung Berlusconi und dem Kapitalistenverband
Confindustria bereit erklärt und damit ihren Kniefall dokumentiert hatten,
fällte die CGIL-Führung die nachfolgend übersetzten
Beschlüsse, die u.a. auf der Webseite des selbstorganisierten und zur
CGIL-Linken zählenden Coordinamento Nazionale dei delegati RSU veröffentlicht
wurde (www.ecn.org/coord.rsu).
Man kann vor diesem Hintergrund ohne Übertreibung von historischen Dokumenten
sprechen, auch wenn sie den Erfordernissen aus gewerkschaftslinker und marxistischer
Sicht natürlich nicht gerecht werden. Dennoch sind sie unseres Erachtens
für die gewerkschaftliche Diskussion in Europa von erheblichem Interesse
und es kommt nicht von Ungefähr, daß die Informationspolitik der
DGB-Gewerkschaften über die Entwicklung in Italien sehr begrenzt und
oberflächlich ist.
Mitteilung des Nationalen Sekretariates
der CGIL und beschlossenes Kampfprogramm
Rom, 5. Juni 2002
Mit der am Freitagabend verwirklichten separaten Übereinkunft verschärft
die Regierung ihre Strategie des Angriffes auf die fundamentalen Rechte der
italienischen Arbeiterinnen und Arbeiter, angefangen beim realen Schutz gegen
die unbegründete Entlassung.
Dies ist durch die ausdrückliche Unterstützung aller Unternehmerverbände
und durch die unerklärliche Nachgiebigkeit der anderen Gewerkschaftsorganisationen
(vornehmlich von CISL und UIL, die in den vergangenen Monaten zusammen mit
der CGIL die italienischen Arbeiter wiederholt zum Kampf aufgerufen haben,
um jene Vorschläge zurückzuweisen, denen sie heute ausdrücklich
zustimmen) besonders gravierend und besorgniserregend geworden.
Das Konföderale Sekretariat der CGIL erkennt darin eine schwerwiegende
Degeneration der sozialen Beziehungen und wendet sich an die gesamte Welt
der Arbeit und bekräftigt erneut seine unveränderte Entschlossenheit,
jeden Rückzug an der Front der Rechte und der Schutzbestimmungen für
die arbeitenden Menschen zurückzuweisen und stattdessen für die
Notwendigkeit ihrer Ausdehnung einzutreten.
Den scheinselbständigen Arbeitern und den Jugendlichen, die sich dem
Arbeitsmarkt zuwenden, wollen wir eine Perspektive der, auf sicheren individuellen
und kollektiven Rechten fußenden, persönlichen und beruflichen
Betätigung bieten. Zu diesem Zweck hat die CGIL bereits förmlich
bedeutende Vorschläge vorgebracht.
Für die Arbeiter der kleinen und ganz kleinen Unternehmen muß
analog dazu ein sicherer und realistischer Weg für die Ausdehnung der
fundamentalen Rechte und Schutzbestimmungen aufgezeigt werden. Zu diesem
Zweck ist die CGIL dabei, konkrete Vorschläge vorzubereiten, die mit
jenen Arbeitern zu diskutieren sind und um die herum im Land und im Parlament
Konsens zu schaffen ist.
Aufgrunddessen wird das Sekretariat der Versammlung des Leitungskomitees
ein Mobilisierungs- und Kampfprogramm aller Arbeiterinnen und Arbeiter vorschlagen,
den Generalstreik inbegriffen.
Außerdem wendet sich das Konföderale Sekretariat an alle italienischen
Bürger, an die Welt der Kultur und der Wirtschaft und an die politischen
Kräfte, damit sich die bereits anläßlich der historischen
Manifestation vom 23. März und des Generalstreikes vom 16. April zum
Ausdruck gekommene breite Unterstützung weiter verstärkt.
Das Nationale Sekretariat beschließt 6
Stunden Streik
4stündiger, nach Regionen gestaffelter Generalstreik, gemäß
einem bereits festgelegten Kalender und weitere 2 Stunden Arbeitsniederlegung
zu Modalitäten, die später festgelegt werden.
Die regionale Staffelung der ersten 4 Stunden Generalstreik <lautet wie
folgt>:
Lombardei: Donnerstag, 20. Juni
Kampanien: Donnerstag, 20. Juni
Ligurien: Mittwoch, 26. Juni
Piemont: Donnerstag, 27. Juni
Basilicata: Freitag, 28. Juni
...
Abschlußdokument
Das am 11. und 12.Juni 2002 in Rom versammelte Leitungskomitee
der CGIL verabschiedet die folgenden Beschlüsse.
Nach den Mobilisierungen der vergangenen Monate, in denen sich eine außerordentliche
und wachsende Zustimmung zu den Positionen der CGIL und der Konföderalen
<d.h. berufsgruppenübergreifenden> Gewerkschaft <Synonym auch
für CGIL-CISL-UIL> manifestierte, hat die Regierung den sozialen
Parteien auf dem Treffen vom 31. Mai erneut eine Arbeitslinie vorgeschlagen,
die in der Methode und in der Sache in verschärfter Form die Positionen
bestätigt, gegen die sich die Kämpfe der Arbeiter (lavoratori)
vom letzten Dezember an richten:
der Wille den realen Schutz gegen die ungerechtfertigten individuellen Entlassungen
in gravierender Weise zu verschärfen;
die Verletzung des Systems von Normen, die der Garantie der Person (insbesondere
der jungen Generation) auf dem Arbeitsmarkt dienen;
die Einführung eines doppelten Beitragssystems in Sachen Vorsorge, die
für die <einzelnen> Personen ungerecht und für das Gleichgewicht
des Systems verheerend sind;
ein Strukturreformprojekt voll und ganz zugunsten der höheren Einkommen
und unvereinbar mit der Bewahrung und der Qualifizierung des Sozialstaates
sowie dem Schutz der Kaufkraft von Löhnen und Renten.
Noch dazu hat die Regierung jede Bereitschaft verneint, Verhandlungen in
der Sache - wie von uns verlangt - über die Themen Bildung, Schule und
Gesundheit einzuleiten und sie hat auch keine Antwort auf die sich verschärfenden
Unsicherheiten bezüglich der Sozialausgaben im Hinblick auf das nächste
Haushaltsgesetz geliefert.
Aus diesen Gründen (was die Methode und was die Sache anbelangt) teilt
das Leitungskomitee in Übereinstimmung mit den Gründen, die die
Zustimmung der Arbeiter und Arbeiterinnen zu den Mobilisierungen der vergangenen
Wochen motiviert haben, die vom konföderalen Sekretariat <der CGIL>
vollzogene Entscheidung, das von der Regierung vorgeschlagene und von allen
anderen gewerkschaftlichen und Arbeitgebervertretungen geteilte Protokoll
einer Übereinkunft <zur Aufweichung des Kündigungsschutzes etc.>
nicht zu unterschreiben und teilt den Beschluß, nicht an den nachfolgenden
Verhandlungen zum Thema Beschäftigungspolitik teilzunehmen, da der Beginn
jener Verhandlungen ausdrücklich die Akzeptanz der Veränderungspläne
in bezug auf den Artikel 18 des Arbeiterstatutes durch die Beteiligten beinhaltet.
Der Verlauf der nachfolgenden Verhandlungssessionen zum Thema Steuern, Mezzogiorno
(Süditalien) und Kampf gegen die Schwarzarbeit verstärkt unsere
Abneigung gegen die von der Regierung verfolgten wirtschafts- und sozialpolitischen
Strategien weiter. Sie bestätigt deren wirtschaftsliberale / freihändlerische
Inspiration und die Merkmale sozialer Ungerechtigkeit. Noch dazu wird dort
eine schwere Verdrehung der Funktion der sozialen Vertretungen geplant, indem
die direkte Einbeziehung in mißbräuchliche Funktionen institutionellen
Charakters, wie die Kontrolle des Territoriums zur Unterdrückung der
Schattenwirtschaft und die direkte Regelung des Verhältnisses zwischen
Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt vorgeschlagen wird.
Das Leitungskomitee beurteilt das Fehlen jeglichen Regierungshandelns gegenüber
der Verschärfung der Situation unserer Wirtschaft und das Fehlen jeder
Vorstellung von Industriepolitik auch angesichts der äußerst schwerwiegenden
Strategie- und Perspektivkrise, die den größten italienischen
Industriekonzern <FIAT> peinigt, als besonders gravierend und besorgniserrengend.
Das aufsehenerregende Auseinanderklaffen zwischen den pathetischen Ankündigungen
und den realen Konjunkturdaten zeugt vom Scheitern der Regierungspolitik:
Schulden und <Haushalts->Defizit wachsen, die Ausgaben sind außer
Kontrolle und die Zunahme des Bruttoinlandsproduktes (BIP) beträgt <nur>
die Hälfte des erwarteten. Es gibt keine Spur von Interventionen zur
Unterstützung der Binnennachfrage und der Investitionen und die Beschäftigung
wächst ausschließlich in Zusammenhang mit der Flexibilität.
Auch auf die Mahnungen, die von der EU kommen, hat die Regierung mit besorgniserregender
Indifferenz reagiert.
In einem derartigen Kontext teilt das Leitungskomitee die vom Konföderalen
Sekretariat gefällten Kampfbeschlüsse (6 Stunden Generalstreik
- 4 plus 2 -, die im Juli mit regionaler Staffelung durchgeführt werden
sollen), beurteilt sie als vollauf begründet und proklamiert einen weiteren
Generalstreiktag, der in Verbindung mit der Entwicklung des gesetzgeberischen
Dienstweges der Änderung des Artikels 18 Arbeiterstatut durchzuführen
ist.
Zu diesem Zweck überträgt das Leitungskomitee dem Sekretariat das
Mandat, um geeignete Daten und Modalitäten festzulegen. Es ist unerläßlich,
unsere Gegenaktion gegen jede Verletzung der fundamentalen Rechte der arbeitenden
Menschen mit rigoroser Kohärenz1 lebendig zu halten und gleichzeitig
die Vorschläge der CGIL für die Ausdehnung der Rechte und der Schutzbestimmungen
zu vertreten.
Deshalb ist die CGIL, in Kontinuität mit den auf der vorangegangenen
Tagung des Leitungskomitees gefällten Beschlüssen (Ausdehnung der
Rechte und der Schutzbestimmungen auf die scheinselbständige Arbeit,
soziale Abfederungen, Vorgehensweisen für die Lösung der Kontroverse),
dabei einen eigenen Vorschlag für die Ausdehnung der Rechte auf alle
Personen, die in den Kleinunternehmen arbeiten, auszuarbeiten.
Es ist unerläßlich derartige Vorschläge allen Arbeitern und
Arbeiterinnen in der umfassendsten Weise zur Kenntnis zu bringen, um die
Zustimmung zu unserer Mobilisierung zu erweitern und die Bedingungen für
eine Verwandlung jener Vorschläge in Volks-Gesetzentwürfe zu schaffen.
In diesem Sinne ruft das Leitungskomitee alle Strukturen der CGIL zu einem
besonders beharrlichen und verbreiteten Engagement auf.
EINSTIMMIG ANGENOMMEN
(Angenommene) Tageslosung
Bezüglich der Initiative des <von Rifondazione Comunista betriebenen>
“Referendums zur Abschaffung der Anwendungsgrenzen des Artikels 18 des Arbeiterstatutes”
teilt das Leitungskomitee der CGIL die bereits vom Konföderalen Sekretariat
mit der, mit Datum vom 4.Juni 2002 verbreiteten, Mitteilung geäußerten
Einschätzungen. Die CGIL hält es, gerade weil sie die Ausdehnung
der Rechte auf diejenigen, die sie heute nicht genießen, als fundamental
und unverzichtbar betrachtet, für unbedingt notwendig, dieses Ziel über
entsprechende Initiativen zu verfolgen, um die herum Zustimmung zu schaffen
ist und die mit der gewerkschaftlichen Mobilisierung zu fördern sind.
Umgekehrt eignet sich das Instrument Referendum aufgrund seines Charakters
besser zum Zwecke, ungerechte Regelungen, die die Parlamentsmehrheit trotz
der nachdrücklichen Opposition der Welt der Arbeit billigt, <wieder>
abzuschaffen. Dies ist so sehr der Fall, daß sich die CGIL im Falle
der Annahme der angekündigten gesetzgeberischen Intervention bezüglich
des Artikels 18 oder eine andere Regelung, die die grundlegenden Rechte der
arbeitenden Menschen, angreifen, auf eine Referendumsinitiative zur Abschaffung
<dieser Neuregelung> vorbereitet.
Kraft solcher Überlegungen teilt das Leitungskomitee der CGIL die Forderung
des laufenden Referendums <d.h. der Unterschriftensammlung für seine
Zulassung> nicht und richtet einen nachdrücklichen Appell an das
Initiatorenkomitee und an diejenigen, die bislang ihre Unterstützung
für jene Initiative zum Ausdruck gebracht haben, damit sie selbige(s)
zurückziehen und ihre Unterstützung für die Gesamtheit der
Initiativen manifestieren, die die CGIL derzeit vorbereitet.
Ja-Stimmen: 89
(Abgelehnte) Tageslosung
Das Leitungskomitee der CGIL verpflichtet die Gesamtheit der Organisation,
im Rahmen der Bekräftigung der Richtigkeit der Kämpfe und der Initiativen
zur Verteidigung des Artikels 18 des Gesetzes Nr. 300/1970 (Arbeiterstatut),
zur Unterstützung des Referendumsinitiative, die darauf ausgerichtet
ist, die in puncto Schutz vor Entlassungen ohne richtigen Grund und Rückkehr
auf den Arbeitsplatz vorgesehenen Rechte auszudehnen.
Zu diesem Zweck wird vorgeschlagen, daß im Haushalt <der CGIL>
ein Posten mit einem spezifischen Kostenpunkt eingerichtet wird, der auch
zur ökonomischen Unterstützung der Referendumskampagne bestimmt
ist.
Ja-Stimmen: 2
<Da dem Leitungskomitee der CGIL insgesamt 100 Personen angehören,
enthielten sich in diesem Punkt 9 Mitglieder der Stimme.>
Vorbemerkung, Übersetzung und Einfügungen in eckigen Klammern:
Antifa-AG der Uni Hannover und Gewerkschaftsforum Hannover