Antifa-AG der Uni Hannover & Gewerkschaftsforum Hannover:


Die bei weitem größte und bedeutendste Metallarbeitergewerkschaft Italiens ist die (der Gewerkschaftszentrale CGIL angeschlossene) FIOM. Sie ist innerhalb des grundsätzlich sozialpartnerschaftlichen Gewerkschaftsspektrums des Landes soetwas wie der linke Eckpunkt, was u.a. dazu führte, daß der gegenwärtig allgemeine Riß in diesem Spektrum (zwischen CGIL einerseits und CISL bzw. UIL andererseits) über Fragen des Kündigungsschutzes, des Staatshaushaltes und der tarifpolitischen Strategie bei ihr, d.h. während der letzten italienischen Metalltarifrunde 2001 begann und dort bis heute am tiefsten ist. Zugleich ist die FIOM diejenige der offiziellen Gewerkschaften, die sich als erste und am intensivsten an der Anti-Globalisierungs-Bewegung beteiligt hat und dies auch weiterhin tut. Um so interessanter dürfte sein, welche Antworten der Generalsekretär der FIOM, Gianni Rinaldini, auf dem Höhepunkt der gegenwärtigen gravierenden Krise des FIAT-Konzerns anzubieten hat. Daher im Folgenden sein entsprechendes Interview aus der linken italienischen Tageszeitung “il manifesto” vom 15.10.2002:



Ein Generalstreik der Metallarbeiter


Das schlägt die FIOM zur FIAT-Angelegenheit vor. Und Gianni Rinaldini erläutert, was “die öffentliche Intervention” ist.


Carla Casalini


Eine Versammlung nach der anderen. Da ist eine Pause ein günstiger Moment, um den Generalsekretär der FIOM, Gianni Rinaldini, zu erreichen und bezüglich des “angekündigten Dramas”, der Angelegenheit FIAT, zu befragen.


Heute schlagt Ihr eine öffentliche <d.h. staatliche> Intervention vor, um “Arbeiter und Werke” zu retten, aber in Italien gibt es ein langes Echo ähnlicher Initiativen, die allgemein mit der öffentlichen Übernahme der Kosten und privaten Gewinnen ausgingen...


“Durchaus nicht. Wir schlagen nicht vor – wie es andere heraufzubeschwören scheinen – daß öffentliche Gelder ausgegeben werden, um die von FIAT verfaßte Industrielle Planung (vielleicht “verbessert”) zu ‚begleiten‘. Das heißt um FIAT bei dem Verkauf zu begleiten, der – dies ja – eine reine Rettungsaktion für die Familie Agnelli wäre. Die FIOM ist der Auffassung, daß eine auf zwei untrennbaren Elementen aufbauende Intervention notwendig ist: eine neue Industrielle Planung und damit zusammenhängend eine neue Eigentümerordnung, die die öffentliche, auf die Neulancierung des Automobilsektors und auf die Verteidigung der Beschäftigung und der Werke ausgerichtete Präsenz vorsieht. Der von FIAT aufgestellte Plan ist ein ganz anderer. Es ist jener, der mit General Motors vereinbart wurde und der Fabrikschließungen sowie Entlassungen vorsieht, um den Verkauf vorzubereiten. Und was die neue Eigentümerordnung anbelangt: Wir fordern die öffentliche Intervention für eine Entscheidung der ‚Diskontinuität‘ – einen Stop des Abbauprozesses der bedeutendsten Teile unseres industriellen Systems. Daher eine Ordnung, die jedes ‚Zerstückelungs‘-Vorhaben ausschließt.”


Bezüglich der öffentlichen Intervention scheint Ihr keine große politische Zustimmung bekommen zu haben. Angefangen beim <mitte-linken> Olivenbaum-Bündnis...


“Ich habe noch nicht richtig begriffen, an was <DS-Generalsekretär> Fassino und die Linksdemokraten (DS) denken, was sie beabsichtigen. Wenn es diese öffentliche Intervention nicht gibt, was gibt es dann anderes als die Beschleunigung des Verkaufes von FIAT-Auto ?”


Welches Zerstückelungsrezept ist ihnen in den Sinn gekommen ?


“Na, z.B. eine Gesellschaft, die sich auf FIAT-Auto reduziert und dabei IVECO, FIAT-Avio <die Luft- und Raumfahrtsparte> etc. ausschließt. Oder eine ‚Entscheidung innerhalb der Autosparte von Alfa, Maserati und Ferrari und der ganze Rest geht zugrunde.”


Kurz: ‚Diskontinuität‘ für die Zukunft, angefangen bei der Veränderung des Ausgangspunktes, der – wie Ihr sagt – in keinem Fall die Industrielle Planung von FIAT sein kann.


“Absolut nicht. Es genügt daran zu denken, daß es in diesen 7 bis 8 Monaten das dritte Mal ist, daß FIAT einen ‚Industriellen Plan‘ präsentiert. Bei der ersten Gelegenheit (im vergangenen Dezember) sprach sie von Interventionen zur ‚Reorganisation‘ und von Entlassungen in den Werken außerhalb Italiens. Dann, nachdem sie in der ‚Reorganisation‘ fortgefahren war, trat sie vor 3 Monaten mit dem Rausschmiß von 3 500 Arbeitern in Erscheinung und jetzt tritt sie mit der Schließung zweier Werke und dem Rausschmiß von 8 500 Arbeitern erneut auf. Die ‚Planung‘ ist immer dieselbe. Zur Einschätzung genügt es von hier auf das Jahr 2004 (das Datum des FIAT-GM-Abkommens <für die endgültige Übernahme des Restes von FIAT-Auto durch den US-Multi>) zu projizieren...”


Kurz, der FIAT-Plan ist schlicht der Plan zum Ausverkauf von FIAT ?


“Daran gibt es keinen Zweifel und es wäre der Abschluß eines bereits abgesteckten Weges, mit dem Ende der Autosparte, die im besten Falle als reiner Montagebereich übrigbleiben würde. Die x’te Demonstration jenes fortschreitenden industriellen Abbaus, von dem ich sprach. Mit einem immer mehr auf ein Gebiet der Zulieferung und der Kommerzialisierung von Produkten reduziertes Italien. Unser Vorschlag garantiert die Beschäftigung und den Fortbestand der Werke mit der 'Diskontinuität' in der Investition in Innovation. Deshalb denken wir auch an die öffentliche Verantwortung, an die Intervention von Staat und Regionen. Kurz, wir denken an ein Interventionsmodell wie das bei Volkswagen. Weil FIAT in den letzten Jahren alles andere <als das> gemacht hat. Weder Innovation noch Produktqualität in Richtung der neuen Grenzen bis hin zum ‚kompatiblen‘ Auto. Stattdessen war sie nur auf dem Gebiet der Kosten tätig. Das heißt bezüglich der Situation und der Retribution der Arbeiter. Die FIOM beklagt das seit langem.”


Die FIOM beklagte seit langem die Desinvestition FIAT’s und heute nehmen das alle zur Kenntnis. Auch der Gouverneur der italienischen Zentralbank, Fazio, hat die niedrigsten FIAT-Investitionen in “Forschung und Entwicklung” entdeckt. Aber hat die Gewerkschaft nicht FIAT etwas zu lange machen lassen ?


“Wir nicht. Es gibt eine noch offene Tarifauseinandersetzung und <die Metallergewerkschaften der kleineren Bünde CISL und UIL> FIM und UILM sind mit einer anderen Einschätzung als die FIOM aufgetreten – bis hin zum Separatabkommen mit FIAT. Heute, wo die dramatische Krise offensichtlich ist, sind wir dabei gemeinsam Kampfinitiativen zu entwickeln – angefangen bei dem 4stündigen Streik in den Werken.”


Die FIOM hat FIM und UILM auch einen Generalstreik der Metallarbeiter vorgeschlagen. Wird es dazu kommen ?


“Warten wir es ab. Es ist ein Solidaritätsstreik mit dem Kampf der FIAT-Arbeiter und gegen die Schließung der Werke sowie die Kurzarbeit mit Null Stunden.”


Und die Idee, die Produktion zwischen den Fabriken aufzuteilen – eine Art von Solidaritätsabkommen zwischen Nord- und Süditalien ?


“Ja, das ist der Vorschlag der RSU-Delegierten von Melfi <in der kleinen süditalienischen Region Molise>. Es ist offensichtlich, daß auch eine positive Lösung (die vorläufig nicht zu erkennen ist) eine komplizierte Übergangsphase mit sich bringen würde. Und es ist offensichtlich, daß die Ziele und die Instrumente beisammen sind. So setzen die RSU-Delegierten von Melfi der Kurzarbeit Null eine Rotationskasse entgegen, die die Produktion in allen Fabriken (in Termini vor allem) erhalten würde.”


Man sagt (das heben auch die Linksdemokraten – DS – mit Inbrunst hervor), daß von FIAT wieder ein einheitliches Verhältnis zwischen den Gewerkschaften <d.h. CGIL-CISL-UIL !> ausgehen kann.


“Für die FIOM ist das, was entscheidet, wie immer der Kern der Sache im Verhältnis zu den anderen Organisationen bezüglich der Dinge, die zu tun sind. Es ist allerdings unangemessen, den Entscheidungen, die man mit diesem Kriterium trifft, eine Bedeutung von allgemeinem Charakter zuzuweisen. Für uns findet der Generalstreik der CGIL am 18. Oktober in der FIAT-Angelegenheit weitere Bestätigungen.”


Bleibt eine Frage: Die FIOM gehört zu den Betreibern des Europäischen Sozialforums, agiert aber unterdessen in der FIAT-Krise auf der ausschließlich nationalen Ebene, in der Konkurrenz zwischen den Großkonzernen...


“Gerade deshalb ist das Forum wichtig. Es besteht die Notwendigkeit einer Zunahme gemeinsamer Initiativen ausgehend vom europäischen Terrain, ausgehend von den Tarifverträgen.”



Vorbemerkung, Übersetzung und Einfügungen in eckigen Klammern:

Antifa-AG der Uni Hannover und Gewerkschaftsforum Hannover