Antifa-AG der Uni Hannover & Gewerkschaftsforum Hannover:


Zur Krise des FIAT-Konzerns und den gewerkschaftlichen Schlußfolgerungen daraus gab der erst wenige Wochen amtierende neue Generalsekretär des größten italienischen Gewerkschaftsbundes CGIL, Guglielmo Epifani, der links-unabhängigen Tageszeitung “il manifesto” vom 5.10.2002 das nachfolgende Interview:



“Die Arbeit und nicht die Rendite”


Epifani kritisiert die FIAT-Entscheidungen, verteidigt die Entscheidungen der <CGIL-Metallarbeitergewerkschaft> FIOM und ruft die Regierung auf, in der Sache etwas zu tun.


Loris Campetti



Guglielmo Epifani hatte in bezug auf das Risiko, das die italienische Automobilindustrie einging, bereits Alarm geschlagen bevor die Nachrichten über die sich überstürzende FIAT-Krise verbreitet wurden. In diesem Interview lanciert der neue Generalsekretär der CGIL eine deutliche Botschaft damit “die industrielle Logik die Interessen der Aktionäre überwiegt. Man kann aus der Krise eines der Knotenpunkte der italienischen Industrie nicht herauskommen, indem man den Vorrang der Rendite akzeptiert.”


Man spricht von weiteren Tausenden überschüssigen Arbeitskräften in der Automobilbranche beim Fehlen jeglichen Projektes zur industriellen Sanierung und Neulancierung. Ist das die Bestätigung der von der FIOM getroffenen Entscheidungen als sie es abgelehnt hat, das Rezept des Unternehmens zu unterschreiben ?


“Dies ist eine breit angekündigte Krise und das sie sich bewahrheitet, bestätigt leider unsere Ansichten. Es gibt ein allgemeines Problem der Automobilindustrie. Wenn es allerdings passiert, daß FIAT auch bei einem Wiederaufschwung des Marktes weiter bei Verkaufszahlen und Marktanteilen verliert, dann bedeutet dies, daß bei FIAT etwas nicht läuft. In einem immer umkämpfteren Markt triffst Du entweder die richtigen Entscheidungen oder Du wirst hinausgedrängt. <Die FIAT-Zentrale in Turin-> Lingotto hat falsche Entscheidungen in bezug auf das Produkt, die Innovation und die Forschung getroffen. Und wahrscheinlich auch bezüglich der Allianz mit General Motors. Der italienische Markt ist für FIAT immer der wichtigste gewesen – für einen FIAT-Konzern, dessen Vorstandsmitglieder sich nicht damit trösten können, wenn sie in Europa den Bruchteil eines Prozentpunktes zurückgewonnen haben. Vor nur drei Jahren konkurrierten die italienischen Autos mit Volkswagen. Heute befinden wir uns am Tabellenende. Es sind keine Modelle in den gehobenen Segmenten entwickelt worden und es gibt kein Qualitätsflaggschiff. Man hat immer und ausschließlich auf die Kleinen abgezielt. Und auch in der C-Klasse sind die neuen Modelle ein Reinfall.”


Mir scheint, das Hauptproblem ist, ob es für das italienische Auto und seine Arbeiter eine Zukunft geben kann und zu welchem Preis.


“Es ist klar, daß man auf die Zukunft setzen müßte, aber ich habe den Eindruck, daß die Entscheidung der Aktionäre in eine ganz andere Richtung geht. Schau‘, auch andere Produzenten haben Krisenphasen durchgemacht. Ich denke da an die französischen Fälle, aber auch an Volkswagen, die in der Lage waren zu verändern, zu erneuern und neu zu lancieren.”


Du sprichst von den Aktionären, um gar nicht an die Familie Agnelli zu denken...


“Das Problem der Familien ist ein ungelöstes Problem und es wird noch komplizierter, wenn die Familien zahlenmäßig stark sind. Wir sind der Gefahr des Vorranges der Rendite zum Schaden der industriellen Investitionen ausgesetzt. Und der Zukunft für die Arbeiter. Ein inakzeptabler Weg.”


Wie denkst Du über den möglichen Verkauf an GM ?


“Gerüchte sind viele zu hören... Es ist nicht nur von Bedeutung an wen, sondern auch wie man verkauft. Die erste Sache, die es im Fall einer Veränderung der Eigentümerschaft zu verhindern gilt, ist der Verkauf in kleinen Stücken, der Geschichte, Know-how, Arbeit und Industriekultur beseitigen würde. Um was zu tun ? Um die Rendite zufriedenstellend ausfallen zu lassen, indem man Kasse macht und die Kürzungen vervielfacht ?”


Glaubst Du nicht, daß die Regierung und die Verwaltungen in den gefährdeten Gebieten Entscheidungen treffen sollten ?


“Gewiß, die lokale Regierung kann sich nicht für außen vor stehend erklären, aber es ist die <Zentral-> Regierung, die mehr Instrumente <zur Verfügung> hat und sie nutzen müßte. Will uns diese Regierung mitteilen, ob sie daran interessiert ist, daß eine starke italienische Industrie bestehen bleibt oder ob wir uns in Zukunft darauf beschränken müssen, im Ausland gebaute Autos zu kaufen und Zehntausende von Arbeitsplätzen zu verlieren ? Abgesehen davon wer der zukünftige Eigentümer des Unternehmens sein wird.”


Heute hat <die Belegschaft des FIAT-Hauptwerkes in Turin-> Mirafiori in Massen gestreikt. Aber als Gewerkschaft kämpft die FIOM allein.


“Bei FIAT haben FIM und UILM denselben Fehler gemacht wie CISL und UIL als sie den Pakt für Italien unterschrieben. Sie irren sich, wenn sie denken, daß der Verhandlungstisch ein Ziel und nicht ein Mittel ist, um ein Abkommen zu unterschreiben. Ein Abkommen ist gut, wenn es positive Effekte produziert. Wenn Du bei FIAT wie beim Pakt für Italien nach zwei Monaten merkst, daß in der Schachtel nichts drin ist, hast Du ein schlechtes Abkommen abgeschlossen. Ich bin kein Theoretiker des Konfliktes aus Prinzip, aber ich denke, daß – wenn Du Deinen kritischen Standpunkt geltend machst – Du über die Verteidigung der Arbeiter hinaus <auch> einem Unternehmen helfen kannst, aus der Krise herauszukommen.”


Vorbemerkung, Übersetzung und Einfügungen in eckigen Klammern:

Antifa-AG der Uni Hannover und Gewerkschaftsforum Hannover