Antifa-AG der Uni Hannover:


Durch die doppelte Repression (einerseits seitens der Razzien und Mordanschläge der israelischen Armee andererseits seitens der Polizeitruppen Arafats) sind Interviews und Stellungnahmen der wichtigsten Organisation der palästinensischen Linken, der Volksfront für die Befreiung Palästinas (PFLP), mittlerweile nur sehr schwer zu bekommen. Das aktuellste und im deutschsprachigen Raum noch unbekannte Interview veröffentlichte die linke italienische Basisgewerkschaft Confederazione Cobas in ihrer Zeitung “COBAS” Nr. 0 vom November 2002, die anläßlich des Europäischen Sozialforums in Florenz erschien:



Interview mit dem Sekretariat der PFLP von Gaza



Gaza, August 2002


Frage: Wie sehen gegenwärtig die Kontakte zwischen der Volksfront und der Nationalen Palästinensischen Autorität <d.h. der Autonomiebehörde von Arafat> aus ?


Antwort: “Es gibt keine großen Kontakte zwischen uns und denen, auch wenn einige Mitglieder des Palästinensischen Legislativen Rates (die jedoch nicht der Front angehören, weil sie niemals an den in den <Besetzten> Gebieten abgehaltenen Wahlen teilgenommen hat) einen Dialog versuchen, um eine gemeinsame Front aufzubauen. Arafat hat allerdings keinerlei Absicht einen Dialog mit uns zu führen, weil die PFLP von einer deutlichen Kritik an den Osloer Abkommen ausgeht und vor allem weil Arafat seine Führerschaft aufrechterhalten und sie mit niemandem teilen will. Nach der Erschießung von Zeevi <dem rechtsradikalen Parteiführer und Tourismusminister durch den bewaffneten Arm der PFLP als Vergeltung für die gezielte Ermordung ihres Generalsekretärs Abu Ali Mustafa durch einen israelischen Raketenangriff> hat die Autonomiebhörde die Forderungen Israels akzeptiert, die Mitglieder der Volksfront zu verhaften, hat den bewaffneten Arm der PFLP als illegal betrachtet und versucht unsere Büros zu schließen. Dieses Büro, in dem wir Euch zu Gast haben, ist offen, weil es eine Art von Volksaufruhr gab, der sich gegen die Schließung gewehrt hat.”


Welche Vorstellung haben Sie von der Unabhängigkeit und welche Art von Demokratie denkt Ihr in dem zukünftigen Staat Palästina zu erreichen. Und denkt Ihr außerdem, daß die Demokratie westlichen Typs als Bezugspunkt genommen werden kann ?


“Welche Demokratie ? Demokratie existiert auf der Welt nicht. Bush und die Anderen sollten von den Palästinensern lernen. Es bedarf keines Platonschen Gesetzes oder eines von anderen Philosophen, um zu begreifen, was Demokratie ist oder um sie anzuwenden. Sie ist etwas, das man Tag für Tag lebt und heute gibt es nur Wirtschaftsliberalismus / Freihandel. Die PFLP ist marxistisch inspiriert. Daher haben wir eine Demokratieauffassung, die mit unseren Idealen verbunden ist. Das was wir jetzt brauchen, ist das Erringen der Unabhängigkeit vom Staate Israel. Wenn dieses Ziel bzw. die Anerkennung eines unabhängigen Staates Palästina einmal erreicht ist, werden wir innerhalb dieses Staates darum kämpfen eine antikapitalistische Volksdemokratie zu erreichen.”


Leistet die Volksfront auch eine Arbeit innerhalb des palästinensischen Volkes, um zu erklären, was die westliche Demokratie, die von den Palästinensern als die Regierungsform angesehen wird, die sie sich geben wollen, wirklich ist ?


“Vor allem in Gaza, bei der starken islamischen politischen Präsenz, versucht man einen Diskurs über die Demokratie zu führen – basierend auf dem gegenseitigen Respekt und auf der Akzeptanz auch der anderen Ideen, ohne Überschreitung der Grenzen des Erlaubten. Das Problem in Palästina ist, daß wir einerseits eine islamische Gesellschaftsauffassung haben und andererseits haben wir ein System, das nicht demokratisch ist, sondern auf dem Wirtschaftsliberalismus basiert. Die PFLP befindet sich dazwischen. Es ist also ein kulturelles Problem, das wir mit Seminaren und anderen Initiativen zu lösen versuchen – vor allem bei der palästinensischen Jugend. Allerdings intervenieren wir oft <mit Diskussionsbeiträgen> in Versammlungen, die von Gruppen organisiert werden, die nicht der Volksfront angehören, ihr jedoch nahestehen, wie dem von fortschrittlichen Jugendlichen organisierten Sommercamp von Gaza.”


Vorbemerkung, Übersetzung aus dem Italienischen und Einfügungen in eckigen Klammern:

Antifa-AG der Uni Hannover