Antifa-AG der Uni Hannover:

Das folgende Interview behandelt zwar längst nicht alle im Zusammenhang mit dem Nahost-Konflikt interessanten Fragen, es verleiht allerdings einem Teil der palästinensischen Bewegung Stimme, der ansonsten oftmals untergeht: den Palästinensern im israelischen Kernstaat, die zwar Staatsbürger Israels sind, aber dennoch auf vielfältige Weise rassistisch diskriminiert werden. Und in diesem Fall speziell einem Vertreter der Bewegung Abnaa el Balad (Kinder der Heimat), einer marxistisch inspirierten linksradikalen Bewegung, die in den letzten Jahren unter den “israelischen” Palästinensern  deutlich an Stärke gewonnen hat und als die zweitstärkste Kraft der arabischen Linken in Israel gilt.
Das Interview wurde von der in Mailand produzierten, monatlich erscheinenden online-Zeitschrift "REDS" geführt und erschien in der Nr. 59 (neue Serie), im Mai 2002. Die Zeitung und die gleichnamige Gruppe sind 1997 / 98 aus einer Abspaltung der italienischen Sektion der offiziellen IV. Internationale (Vereinigtes Sekretariat / Krivine, Maitan etc.) hervorgegangen, d.h. aus der Gruppe um die Zeitschrift "Bandiera Rossa". "REDS" ist zwar sehr (ein wenig eindimensional) bewegungsorientiert und zuweilen auch durch eine stark moralistische Tendenz geprägt, aber immer links, intelligent, frech und gut informiert.


Ein Blick auf Palästina aus dem Innern Palästinas

Interview mit Majid Kanaana

(Majid Kanaana ist ein palästinensischer Genosse, der im Gebiet von Nazareth in Galiläa lebt, wo er als Schulpsychologe arbeitet. Er hat in Italien - in Padua - studiert, wo er Ende der 90er Jahre sein Diplom in Psychologie mit einer Arbeit über die Identitätswahrnehmung der Palästinenser in Israel erworben hat, die wir in dieser selben Nummer veröffentlichen. Er ist Aktivist von Abnaa el Balad, einer politischen Bewegung der Palästinenser in Israel, die auf einer Internetseite in arabischer Sprache veröffentlicht (http://www.abnaa-elbalad.org), wobei es dort auch einiges Material in Englisch gibt. In dieser Phase wird der Unterstützung der Intifada breiter Raum gewidmet. Er ist auch Mitglied der kulturellen Vereinigung Al Jeel al Jadeed mit Sitz in Haifa und in Dounia, einer internationalen Vereinigung für den Schutz der Menschenrechte, die in Italien ihren Sitz in Padua hat.)

Kannst Du kurz die Organisationen der palästinensischen Linken umreißen, die es in Israel bzw. in den besetzten Gebieten gibt ?  Welche Rolle spielen sie heute in den internen politischen Verhältnissen der palästinensischen Gemeinschaft und in den Beziehungen zu Israel ?

“Die israelische Kommunistische Partei (Rakah) ist die erste Massenorganisation gewesen, die in ihrem Innern die Araber als den Juden gleichgestellte Mitglieder akzeptiert und ihnen erlaubt hat die politische Aktivität auszuüben und sich in der Partei zu organisieren.

Heute verfügt die Rakah zusammen mit Hadash (Demokratische Front für den Frieden und die Gleichheit) über eine bedeutende Präsenz unter den Palästinensern in Israel und ist in wichtigen arabischen Zentren wie Nazareth und Sakhnin verankert. Außerdem ist die Partei in der Knesset (dem israelischen Parlament) mit 3 Mitgliedern vertreten.

Die Rakah geht in ihrem Programm über die Forderungen nach der Gleichheit und den Bürgerrechten der Palästinenser in Israel nicht hinaus und sieht nicht, daß ihr Hauptproblem von der Natur des Staates Israel als Staat der Juden herrührt. In der Tat erkennt die Rakah Israel als jüdischen Staat, der eine arabische Minderheit umfaßt, an.

Außerdem ist die Rakah eine der ersten Parteien gewesen, die die Schaffung zweier Staaten für zwei Völker gefordert hat, d.h. die Schaffung eines palästinensischen Staates in den Grenzen von 1967 neben dem Staat Israel. Auf dieser Linie sah die Partei in den Osloer Abkommen eine Errungenschaft für das palästinensische Volk. Die Partei ist noch heute über die Frage des Rückkehrrechtes der palästinensischen Flüchtlinge zwiegespalten, weil sie fährt fort, nicht klar Stellung für die Umsetzung der UNO-Resolution 194 zu beziehen, die ein solches Recht vorsieht.

Die zweitstärkste politische Kraft auf der Linken ist die Bewegung Abnaa el Balad (Kinder der Heimat), die marxistisch inspiriert ist und die radikale und progressive Linke innerhalb der palästinensischen Gemeinschaft <in den israelischen Grenzen> von 1948 repräsentiert. Die Bewegung glaubt, daß die Palästinenser in Israel einen integralen Bestandteil des palästinensischen Volkes bilden und betrachtet sich als Teil der arabischen und palästinensischen nationalen Befreiungsbewegung. Die Bewegung ist 1969 in der Kleinstadt Umm el Fahem entstanden und hat sich dann, nach den Demonstrationen am Tag des Bodens, 1996 mit einer Studentenorganisation (der Progressiven Patriotischen Bewegung) vereint, die unter den arabischen Universitätsstudenten in Israel aktiv ist.

Die Bewegung weigert sich am Spiel der israelischen Demokratie teilzunehmen, weshalb sie sich nicht an den Parlamentswahlen beteiligt. Tatsächlich repräsentiert das israelische Parlament die Legalität des Staates und seine Legitimität. Und die Beteiligung an seinen Wahlen ist eine Anerkennung dieses Staates, der auf den Trümmern unseres Volkes und unserer Gesellschaft aufgebaut ist, durch uns.

Außerdem muß man, um an den Wahlen zur Knesset teilzunehmen, den Treueschwur auf den Staat Israel leisten und muß vor allem den jüdischen Charakter des Staates anerkennen. Laut dem Grundlegenden Wahlgesetz Punkt 7, Komma A (verändert im Jahre 1984) werden alle die Listen ausgeschlossen, die den Charakter des Staates als Staat der Juden nicht klar anerkennen.

Deshalb weigern wir uns, an diesem Spiel teilzunehmen und mit unserer Wahlenthaltung erklären wir der Welt <gegenüber> unser Mißtrauen in das israelische System und denunzieren den rassistischen Charakter des Staates. Israel ist ein ethnisch-religiöser und kein demokratischer Staat. Das heißt er ist Staat der Juden, die den Anderen, die Eingeborenen (seine palästinensischen Bürger), systematisch diskriminiert.

Die Bewegung glaubt dagegen an den Volkskampf, glaubt an die Stärke, die die Massen haben, wenn sie vereint sind, um ihre Rechte (die alltäglichen wie die nationalen) zu erringen.

Die Bewegung sagt voraus, daß jede Lösung des arabisch-israelischen Konfliktes, um Erfolg zu haben, die Frage der palästinensischen Flüchtlinge in Betracht ziehen muß und zwar auf der Grundlage der Resolution 194, die das Rückkehrrecht klar und deutlich vorsieht.

Innerhalb der arabisch-palästinensischen Gemeinschaft in Israel hat sich in den letzten Jahren eine weitere politische Kraft behauptet: die Demokratisch-Nationale Versammlung (Al Tajamua), die eine liberale Partei ist, die sich als nationalistisch betrachtet und entsprechend den demokratischen Regeln des Staates an den Parlamentswahlen teilnimmt. Diese Partei erkennt an, daß Israel das Selbstbestimmungsrecht des jüdischen Volkes repräsentiert und fordert die Veränderung des Staates Israel von einem Staat der Juden in einen Staat seiner Bürger.

Al Tajamua wird als Partei der arabischen Eliten in Israel betrachtet und nimmt gegenüber der Arbeiterfrage und der Frage des Sozialismus reaktionäre Positionen ein. Der Führer dieser Gruppe, Azmi Bishara, z.B. hat erklärt, daß Che Guevara gescheitert sei, daß er keinen revolutionären Staat repräsentiert und daß die Identifikation der Jugendlichen mit dem Che über die Fahnen, die ihn zeigen und über seine Bilder nur ein idealistisches und unbedeutendes Verhalten ist. Außerdem hat Bishara bei verschiedenen Gelegenheiten das 1.Mai-Fest und das, was es für die Arbeiterklasse darstellt, angegriffen.

In den 1967 besetzten Gebieten sind zahlreiche Organisationen aktiv. In diesem besonderen historischen Moment des nationalen Befreiungskampfes verbinden einige dieser Organisationen die Ebene des nationalen Kampfes mit dem des Klassenkampfes.

Unter diesen Letzteren haben wir vor allem die ‚Volksfront für die Befreiung Palästinas‘ (PFLP), die eine zentrale Kraft im palästinensischen politischen Panorama ist, die den Marxismus als Analysemethode anwendet und an den bewaffneten Kampf als einen Weg zur Befreiung Palästinas glaubt. Die Volksfront glaubt, daß die Lösung des Konfliktes in Palästina über die Schaffung des Laizistischen Demokratischen Staates im historischen Palästina <also die 1-Staaten-Lösung für alle Bewohner mit gleichen Rechten und Pflichten> verläuft.

Die ‚Demokratische Front für die Befreiung Palästinas‘ (DFLP) betrachtet sich als eine marxistische Organisation und ist in den letzten Jahren zu einer Elitegruppe geworden. Die Demokratische Front hat sich bei verschiedenen Gelegenheiten sehr nah an der palästinensischen Rechten befunden, insbesondere was die Abkommen von Oslo anbelangt und fordert die Schaffung eines palästinensischen Staates neben dem Staat Israel.

Wir haben auch die ‚Partei des Palästinensischen Volkes‘ (PPP), eine ehemals kommunistische Partei, die ihre Aktivitäten in den <kulturellen und sozialen> Vereinigungen konzentriert, in den NGO‘s und in den Institutionen der Zivilgesellschaft. Die politischen Positionen der Partei folgen sehr stark den Positionen der Israelischen Kommunistischen Partei, insbesondere in der Frage der Schaffung zweier Staaten für zwei Völker. Außerdem wendet die Partei den bewaffneten Kampf nicht an, etwas das sie von den palästinensischen Massen entfernt hat.”

Der Beginn der zweiten Intifada ist durch zahlreiche Tote und durch starke Proteste der palästinensischen Bürger in Israel charakterisiert gewesen. Dies hat die schwierige Situation der arabischen Bürger in Israel deutlich gemacht. Kannst Du uns im Detail, auch mit Beispielen, erklären, welches die Begrenzungen der Rechte der palästinensischen Bürger in Israel sind ?

“Vor allem darf nicht vergessen werden, daß sich der Staat Israel als Staat der Juden definiert. Er definiert seine arabischen Bürger daher als Nicht-Juden und weigert sich ihre nationale Identität anzuerkennen und sie als eine Kollektivität zu betrachten. Er betrachtet sie nur als religiöse Minderheiten. Aus diesem Grund, d.h. aufgrund des jüdischen Charakters Israels sind alle Projekte und Interessen des Staates auf die Verwirklichung eines jüdischen Staates ausgerichtet, ohne das Vorhandensein des Anderen (der palästinensischen Eingeborenen) auch nur im Mindesten in Betracht zu ziehen.

In Israel gibt es verschiedene Gesetze, die die palästinensischen Bürger in allen Bereichen des Lebens (von der Bildung bis zur Gesundheit, von den öffentlichen Diensten bis zu den für arabische Städte und Gemeinden bestimmten Geldmitteln) und vor allem auf der Ebene der Beschlagnahmung der arabischen Böden und der Städteplanung direkt diskriminieren.

Zum Beispiel wurden 40% der arabischen Böden mit Hilfe des Gesetzes von 1950 über das Eigentum der Abwesenden beschlagnahmt. Mit diesem Gesetz wurden die Palästinenser, denen es nicht gelang in ihre eigenen Häuser oder auf ihre Felder zurückzukehren, weil die israelischen Militärs sie daran hinderten, als abwesende Eigentümer klassifiziert und dem Staat so die Handhabe gegeben, ihre verlassenen Böden zu requirieren. Diese abwesenden Anwesenden (abwesend von ihrem Eigentum und anwesend als Bürger in dem Staat) bilden heute zwischen 30% und 40% der palästinensischen Bevölkerung in Israel und sind als interne Flüchtlinge anerkannt.

Das Rückkehrgesetz von 1950 gewährt den Juden automatisch die israelische Staatsbürgerschaft aus welchem Teil der Welt sie auch kommen, während die arabischen Bürger, wenn sie keine Juden heiraten, erleben, daß ihnen die Forderung nach Familienzusammenführung abgelehnt wird, wenn sie nicht gar mit der Ausweisung bedroht werden. Um vom Rückkehrrecht der palästinensischen Flüchtlinge, das kategorisch abgelehnt wird, gar nicht zu reden !

Es gibt Dutzende weiterer Gesetze, die die arabischen Bürger direkt diskriminieren (wie das Grundlegende Wahlgesetz und das Notstandsgesetz, die nur auf die arabischen Bürger angewandt werden). Die Verweigerung der Bewegungsfreiheit, die viele palästinensische Aktivisten willkürlich daran hindert sich frei zu bewegen. (Das ist <z.B.> beim Generalsekretär von Abnaa el Balad, dem Genossen Muhamad Kanaana, der Fall, der seit ungefähr drei Jahren aufgrund eines Militärbefehls die Besetzten Gebiete nicht betreten, nicht nach Jordanien und nicht nach Ägypten reisen darf, wiederum aufgrund von Militärbefehlen.) Die Gesetze, die das Schulsystem regeln (im arabischen Teil steht dieses System unter der direkten Kontrolle des Inlands-Sicherheitsdienstes, des Shin Beth), legen als eines der Hauptziele die Förderung der jüdischen und zionistischen Kultur und die Negierung der palästinensischen und arabischen Nationalkultur fest. Womit sie versuchen so einen arabischen Schüler zu formen, der entfremdet, unsicher und gefügig ist. Gerade vor einer Woche ist es zu einer Einschüchterungsmaßnahme seitens des Bildungsministers gekommen, der mit der Besetzung der arabischen Schulen gedroht hat, um sofort alle Formen der Geld- und humanitären Hilfssammlung für die Palästinenser in den Besetzten Gebieten zu stoppen.

Wir haben auch das Problem der Nicht-anerkannten Arabischen Dörfer, in denen die elementaren Dienstleistungen fehlen, die jeder Staat seinen Bürgern garantieren muß, wie Elektrizität, fließendes Wasser, Kanalisation, Schulen, Gesundheitsstationen und asphaltierte Straßen. Noch heute weigert sich der Staat ungefähr 100 dieser Dörfer, in denen ca. 80 000 Leute leben und die auf keiner Karte des Staates eingezeichnet sind, obwohl der größte Teil von ihnen schon Jahrzehnte vor der Schaffung des Staates Israel existierte, anzuerkennen.

Es gibt viele Fälle, in denen der Staat seinen Bürgern Erleichterungen anbietet, wie den Kauf eines Hauses oder eines Grundstückes, die Universität oder den Arbeitsplatz, von denen die Araber ausgeschlossen werden, weil sie in keiner Weise die Bedingungen garantieren können, um diese Erleichterungen in Anspruch zu nehmen, wie: ein neu Eingewanderter zu sein, ein Haridi (<orthodox->religiöser Jude) zu sein oder den Militärdienst geleistet zu haben.”

Ist die Solidarität zwischen den Palästinensern in Israel und jenen in den Besetzten Gebieten noch stärker als zu Beginn dieser Intifada oder war sie - wie es uns von außen erscheint - dabei sich zu verringern ?  Kannst Du konkrete Beispiele geben ?

 “Die Art der Solidarität der Palästinenser innerhalb Israels mit ihren Brüdern in den besetzten Gebieten hat entsprechend der Phase und der politischen Situation des Augenblickes Veränderungen erlebt. Der bedeutendste Augenblick aber hat sich während der ersten Woche dieser Intifada, d.h. im Oktober 2000 ereignet als ganz Palästina rebelliert hat - auf beiden Seiten der grünen Linie. Die Reaktion der Israelis auf diese Form der Solidarität ist sehr hart gewesen: Es sind 13 palästinensische Jugendliche <im israelischen Kernstaat !> getötet worden, es sind dabei Hunderte verletzt und ungefähr Tausend verhaftet worden und diese Reaktion hat die arabischen politischen Führer in Israel dazu gebracht die Initiative zu ergreifen, um die Proteste und Demonstrationen des Volkes in den arabischen Dörfern und Städten zu kontrollieren und zu stoppen. Wir denken, daß dies aufgrund der Tatsache geschehen ist, daß die Massenbewegung dabei war die Linien der arabischen Parteien und Führungen zu überwinden und dies diese Führungen erschreckt und sie dazu gebracht hat die Kontrolle der Situation in die Hand zu nehmen und die Solidarität in eine einfache Sammlung von Geld und Lebensmitteln und in zahllose, vorausgeplante, friedliche Demonstrationen zu verwandeln.”

Heute treten fast alle Organisationen, die sich mit dem palästinensischen Volk solidarisieren, für die Hypothese “Völker - 2 Staaten !” ein. Ist das wirklich die einzig mögliche Perspektive oder existiert die Möglichkeit eines gemeinsamen Staates ?  Was betrachtest Du - wenn dann langfristig - als eine bessere Lösung als diejenige eines Palästinensischen Ministaates allein in den Gebieten von 1967 ?

“Heute treten alle demokratischen und progressiven Kräfte in der ganzen Welt für das Einreißen aller Mauern und für die Beseitigung der Grenzen zwischen den Völkern ein und kämpfen dafür, aber man begreift nicht, warum nur in Palästina viele dieser Kräfte es akzeptieren, eine Mauer zu errichten und einen großen Stacheldrahtzaun an der gesamten grünen Linie zu installieren (der Linie, die das 1948 besetzte Palästina von dem 1967 besetzten trennt) !

Wir von Abnaa el Balad meinen, daß die Lösung ‚2 Völker - 2 Staaten !‘ nicht die einzige Lösung ist. Im Gegenteil, diese Lösung wird langfristig ein Hindernis für die Entwicklung des Gebietes und den Wohlstand der beiden Völker sein. Außerdem, wie schaffen wir es zwei Staaten in einem so kleinen Gebiet zu bilden - mit Bevölkerungen, die auf den beiden Seiten der Grünen Linie miteinander verwoben sind ?  Der geopolitische Charakter des Landes und seiner demographischen Zusammensetzung bildet langfristig einen Gegensatz zu dieser Trennung. Die einzige Lösung, die die Bindungen der beiden Völker mit diesem Boden berücksichtigt, liegt in der Schaffung eines einzigen Staates, des Laizistischen und Demokratischen Staates Palästina, in dem es sowohl für die Araber wie für die Juden gleiche Rechte gibt. Diese Lösung wird noch praktikabler, wenn man an die palästinensischen Flüchtlinge denkt und an ihr Recht auf Rückkehr in die eigenen Häuser und auf die eigenen Felder, von denen sie 1948 verjagt worden sind. Ein Recht, daß von der Resolution 194 (von 1948) der UNO-Vollversammlung sanktioniert wird.

Die Lösung löst auch das Problem der arabischen Palästinenser in Israel, die hingegen bei der Schaffung von zwei Staaten weiterhin in einem Status als Nicht-Juden als Bürger in dem Staat leben würden, aber nicht als Bürger des Staates, da sie gerade keine Juden sind.

Die Möglichkeit, daß eine derartige Lösung praktikabel wird, beginnt ab dem Augenblick <zu existieren>, in dem die beiden Seiten zu einer Art historischer Aussöhnung gelangen, wie sie in Südafrika geschehen ist, und ab der Anerkennung der historischen und moralischen Verantwortung des Staates Israel und der zionistischen Bewegung (aber natürlich nicht der Juden) für das, was 1948 und in den folgenden Jahren geschehen ist.

Wir glauben, daß in dem Augenblick, in dem wir die Konsequenzen des Konfliktes beseitigen (d.h. das Problem der palästinensischen Flüchtlinge und die militärische Kontrolle eines ethnisch-religiösen Staates über das gesamte Gebiet) und wir zur Schaffung eines gemeinsamen demokratischen Staates kommen, der sowohl den Arabern wie den Juden gleiche Rechte gibt, die Bewohner dieses Bodens friedlich zusammenleben können.”

Wie siehst Du und Deine Organisation die Initiative der israelischen Pazifisten in dieser politischen Phase und perspektivisch ?  Habt Ihr Beziehungen zu ihnen ?  Welche reale Möglichkeit haben sie Einfluß auf das Handeln der Regierung und auf die öffentliche Meinung in Israel zu nehmen ?

“Wir können die pazifistischen Kräfte Israels im Großen und Ganzen in zwei Lager teilen. Das erste, stärkere, bewegt sich auf zionistischen Positionen und ist nur deshalb aktiv, weil es sieht, daß die Existenz Israels von einem Abkommen mit den Palästinensern und mit der arabischen Welt abhängt. Zu diesem Lager haben wir keine Beziehung, da sie einen Teil der zionistischen Bewegung bilden und mit dieser darin übereinstimmen, daß Israel weiterhin seinen jüdischen Charakter bewahren und der Vorposten der jüdischen Bourgeoisie und des US-Imperialismus in der arabischen Welt sein soll und vor allem, weil sie das Rückkehrrecht der palästinensischen Flüchtlinge kategorisch verweigert.

Das zweite Lager, das in der israelischen Gesellschaft noch schwächer ist, ist das der radikalen Linken, die den jüdischen Charakter des Staates ablehnt, das Recht der palästinensischen Flüchtlinge anerkennt und für die Schaffung eines gemeinsamen Staates in Palästina für die beiden Völker kämpft.

Zu diesem Lager haben wir gute und starke Beziehungen und versuchen zusammen ihre Stärke innerhalb der israelischen Gesellschaft zu erhöhen. Ich will <an dieser Stelle> daran erinnern, daß es innerhalb unserer Bewegung jüdische Genossen gibt.

In diesem Moment versuchen wir zusammen eine gemeinsame Front von Arabern und Juden auf der Grundlage der Verwirklichung des Rückkehrrechtes der palästinensischen Flüchtlinge, des gemeinsamen Kampfes gegen die israelische Apartheid und der Schaffung eines gemeinsamen demokratischen Staates in Palästina zu bilden.”

In Italien und in Europa spielt die Rechte als Unterstützerin Israels und der imperialistischen Politik (zusammen mit Gruppen und Intellektuellen der Mitte und der Linken) in instrumenteller Weise die Karte des Antisemitismus, indem sie die unakzeptable Gleichsetzung palästinenser-freundlich = antisemitisch = terroristisch spielt. Um die Wahrheit zu sagen, überdauern innerhalb der europäischen Linken niemals völlig geklärte und überwundene anti-jüdische Spuren. Welches Gewicht hat dieses Gefühl in den Beziehungen zwischen Palästinensern und Juden in Israel, wenn es eines hat ?

“Es ist sicherlich falsch und abwegig jede Person, die palästinenser-freundlich ist und gegen die Politik Israels opponiert, als einen Antisemiten zu betrachten. Wir Araber sind semitischen Ursprungs und es ist eine lächerliche Sache, uns des Antisemitismus zu beschuldigen. Die zionistische Bewegung und ihre Unterstützer haben den Begriff Antisemitismus in instrumenteller Weise benutzt, um die Verbrechen Israels in Palästina zu überdecken. In der Tat wird jede Person, die sich der Politik Israels und seiner Armee widersetzt, des Antisemitismus beschuldigt und dabei spielt es keine Rolle, ob es ein Araber oder einer aus dem Westen oder sogar ein Jude ist, so wie es mit einer berühmten israelischen Sängerin geschehen ist, die erklärt hatte, daß sich die israelischen Soldaten bei den palästinensischen Gefangenen in derselben Weise benehmen würden, wie die Nazis bei den Juden.

Sicherlich haben anti-jüdische, aber auch anti-arabische und anti-palästinensische Gefühle ein starkes Gewicht in den Beziehungen zwischen Arabern und Juden und nähren das Mißtrauen zwischen den beiden Parteien, das bereits enorm ist, auch wenn die Palästinenser im Allgemeinen keine antisemitischen und noch weniger anti-jüdische Einstellungen haben, sondern ihre Position ist hauptsächlich antizionistisch.”

<Groß- und Kleinschreibung zentraler Begriffe wie im Original !>