Antifa-AG der Uni Hannover & Gewerkschaftsforum Hannover:


Nachdem der Partito della Rifondazione Comunista (Partei der Kommunistischen Neu/be/gründung - PRC) angesichts der FIAT-Krise und der angekündigten Massenentlassungen bereits im Oktober 2002 die Verstaatlichung des noch immer größten italienischen Konzerns gefordert hatte, äußerte sich der Sekretär von Rifondazione und ehemalige Führer des linken Flügels des Gewerkschaftsbundes CGIL, Fausto Bertinotti, in einem Interview für die links-unabhängige italienische Tageszeitung “il manifesto” vom 22.12.2002 nun zu den jüngsten Machtkämpfen unter den FIAT-Eignern und rief zu einem Generalstreik in Sachen FIAT auf. (Wobei - wie es des öfteren bei ihm der Fall ist - auch eine offene Flanke zur Unterstützung des sich emanzipierenden EU-Imperialismus erkennbar wurde.)



“Generalstreik gegen das US-Modell”


Fausto Bertinotti analysiert die Strategie der neuen Herren von FIAT, kritisiert das Schweigen und die Unterordnung des Olivenbaum-Bündnisses und fordert eine generalisierte Initiative zur Unterstützung des Arbeiterkampfes, “um das europäische Sozialmodell zu verteidigen”.


Loris Campetti - Rom


Einen “generalisierten und General-“Streik, den bräuchte es. Nicht nur als Ausdruck der Solidarität mit den FIAT-Arbeitern, “deren Kampf in <dem sizilianischen FIAT-Werk> Termini Imerese und in Turin weitergeht und sich mit der Bewegung der Bewegungen, der örtlichen Frauenorganisation und den Industriepfarrern kreuzt”. Sondern vor allem, sagt Bertinotti, einen Generalstreik, um “die Liquidation des europäischen Sozialmodells und den Import eines anderen Sozialmodells aus den Vereinigten Staaten” aufzuhalten. Einem Modell, das auf der hohen Sterblichkeitsrate der Betriebe, auf der totalen Flexibilität der Arbeit und der Beseitigung der Gewerkschaft basiert. “Mit der Erpressung durch die Krise und die Arbeitslosigkeit würde das die besten Bedingungen schaffen, um unser System sozialer Beziehungen zu verändern.” Wobei FIAT auf ein gigantisches Gulaschgericht reduziert wird, die Arbeiter aus der Produktion entfernt und bei denen, die bleiben, mit Hilfe der willfährigen Gewerkschaften <FIM-CISL, UILM, UGL und FISMIC>, die bereit sind sich durch die Fata Morganas amerikanisierter Arbeit verführen zu lassen, die “Melfisierung durchgesetzt wird”. <Anmerkung: Im süditalienischen Melfi wurde Anfang der 80er Jahre auf der grünen Wiese das bislang neueste FIAT-Werk errichtet, in dem die flexibelsten Arbeitsbedingungen und bis - vor kurzem - eine sehr geringe gewerkschaftliche Verankerung herrschten.>


General Motors wäre in diesem Szenario daran interessiert, “zuerst die Märkte zu erobern, dann die Marken und schließlich die eine oder andere Schraubenzieher-Fabrik, wo in einer Art regressiven Laboratoriums eine Arbeitsorganisation ausprobiert wird, die der in den Call Centern vorhandenen ähnelt”.


Wir haben den Sekretär des PRC, Fausto Bertinotti, der das Geschehen bei FIAT aufmerksam beobachtet und davon gefesselt ist, nach seiner Meinung zum letzten Rücktritt (der Veräußerung des Anteils der FIAT-Zentrale in Turin-Lingotto an General Motors) und zu den Perspektiven eines Kampfes befragt, der - wenn keine allgemeinen Faktoren, Subjektivitäten und Initiativen intervenieren - Gefahr läuft isoliert zu werden und eine Niederlage zu erleiden.


Der Verkauf der 5,1% der GM-Aktien <durch FIAT> dient dazu Kasse zu machen. Aber zugleich beendet er eine Beteiligung im Sektor der Automobilproduktion und erleichtert das Spiel der Amerikaner. Meinst Du nicht, daß die gestrige Ankündigung hilft die Gründe für das Standhalten Frescos gegenüber dem Angriff der Seilschaft Umberto Agnelli-Mediobanca-Berlusconi zu verstehen ?


“Ich sehe in diesem Verkauf eine starke Verbindung zum Rücktrittsplan von FIAT und die Bestätigung der Aufgabe des Interesses an der Zukunft der Automobilindustrie. Da sie nicht die Rettung und die Neulancierung des Unternehmens zum Ziel hat, sondern ausschließlich die Beseitigung der Schulden, treten sie Eigentum ab und desinvestieren in Sachen Auto. Das macht GM noch freier von jeglicher Bindung und bereit jene Teile von FIAT aufzusaugen, die sich mit der eigenen Strategie als kompatibel erweisen. FIAT wird vom Minderheitssubjekt einer Allianz zum Objekt, zu einem Gebiet, das zu erobern ist. Das Schicksal unserer Arbeiter liegt in den Händen der Amerikaner. In diesem Sinne kann uns die Operation nur als abscheulich und unakzeptabel erscheinen.”


Hat ein Teil der politischen Opposition den “Sieg” Frescos, der Banken und von GM als einen Sieg der Demokratie gegen die Ziele Berlusconis betrachtet ?


“Ich glaube, daß das Durchhalten von Fresco dank der Intervention der Banken und von GM möglich war. Aber für die eine oder die andere Seilschaft Partei zu ergreifen, hat aus einem sehr einfachen Grund keinen Sinn: Beide Lager haben dasselbe Ziel (die Aufgabe der Automobilsparte) und benutzen dasselbe Mittel, um es zu erreichen (das soziale Gemetzel und die Werksschließung), um einen zerlegten FIAT-Konzern ihren eigenen Bedürfnissen entsprechend zu verwenden. Beide Lager sind an Finanzsektoren (an der Toro-Versicherung) und an der Nutzung und weiteren Verwendung der aufgegebenen Flächen interessiert. Dies vorausgeschickt, ist Frescos Durchhalten ein wichtiges Element zur Sicherstellung des guten Verhältnisses zu GM. Die andere Seilschaft sicherte mehr Berlusconi und die Sektoren der neuen Diversifizierung ab.”


Deine Argumentation paßt zu dem Kampf, den die Gewerkschaften derzeit führen. Insbesondere zu dem Teil, der ihn mit größerer Überzeugung bereits seit Beginn der FIAT-Krise führt. <Anspielung auf die zur CGIL gehörende FIOM.> Ein anderer Teil der Gewerkschaften zieht allerdings nicht die logischen Konsequenzen. Im Namen der Verteidigung des Paktes für Italien will die CISL nichts von Generalstreik wissen. Und vom Olivenbaum-Bündnis kommt keine starke Unterstützung für die Arbeiterkämpfe.


“Es gibt politische Gründe für die Spaltungen zwischen den Gewerkschaften, gewiß. Entsprechend gibt es diejenigen, die nicht über die Solidarität hinausgehen, während andere - wie wir - meinen, daß das Geschehen bei FIAT gerade wegen der Art des Modells, zu dem das Unternehmen tendiert (ein Modell mit geringer Forschung und Ausbildung und hoher Sterblichkeit der Fabriken sowie einer totalen Flexibilität der Arbeitskraft), beispielhaft ist. Den Generalstreik sollte man vor allem durchsetzen, um den Versuch der Liquidation des europäischen Sozialmodells zu bekämpfen. Die Arbeiter und ein Teil der Gewerkschaften sind nicht allein, wie man in Termini und in Turin und wie man in Florenz und in Genua gesehen hat. Zusammen mit den Blaumännern kämpfen die sizilianischen Frauen, die Disobbedienti (Ungehorsamen) und die Bischöfe der Städte, in denen es FIAT-Werke gibt. Dies ist ein Zusammentreffen, das einen generalsierten und Generalstreik möglich, ja sogar notwendig macht. Hier ergibt sich obligatorischerweise eine Polemik mit der Mitte-Linken, die gegenüber der wirtschaftsliberalen / freihändlerischen Kultur Untertänigkeit zeigt und die Forderung nach einer öffentlichen Intervention ins FIAT-Kapital, die in dem Zusammenhang, von dem wir sprechen, erhoben wurde - durch einen ideologischen Nebelschleier fast erblindet - a piori abgelehnt hat. Dies wäre ein grundlegendes Instrument zur Reorganisation des Kampfes und für die Zukunftsperspektiven der Arbeiter und des Autos. Es hat im härtesten Arbeiterprotest gegen den FIAT-Berlusconi-Plan einen Moment gegeben, in dem man diesen Weg hätte einschlagen können. Wenn dies nicht geschehen ist, so liegt der Grund dafür gerade im Eindringen der neoliberalen Kultur in die Mitte-Linke.”


Um den Generalstreik durchzuführen, braucht es jemanden, der ihn ausruft...


“Wenn es über die Solidarität mit denjenigen, die kämpfen, hinaus in den Begründungen des Generalstreiks die Ablehnung des amerikanischen Sozialmodells und die Forderung nach einer öffentlichen <d.h. staatlichen> Intervention gibt, um das Schicksal der Arbeiter nicht den Interessen der Aktionäre, der Banken, der Amerikaner oder denen Berlusconis zu überlassen, dann kann das <ihn unterstützende> Lager sehr breit sein. Hier gilt dieselbe Überlegung, die beim Engagement gegen den Krieg gilt: Letzten Endes führt man den Kampf zusammen mit dem, der mitmacht !”


Vorbemerkung, Übersetzung und Einfügungen in eckigen Klammern:

Antifa-AG der Uni Hannover und Gewerkschaftsforum Hannover