Antifa-AG der Uni Hannover & Gewerkschaftsforum Hannover:
Angesichts der schlagzeilenträchtigen Streikaktivitäten des
größten italienischen Gewerkschaftsbundes CGIL gegen die Aufweichung
des Kündigungsschutzartikels 18 und des sich vertiefenden Risses im
Bündnis mit den kleineren und “moderateren” (wie die bürgerliche
Presse gerne sagt) Bünden CISL und UIL gerät leicht in Vergessenheit,
daß auch die links von der CGIL angesiedelten kleinen Basisgewerkschaften
nicht eben untätig sind. Neben den COBAS (Basiskomitees) tut sich hier
insbesondere die in Teilen des öffentlichen Dienstes (z.B. bei den Feuerwehrleuten,
in den öffentlichen Verwaltungen und im Universitätsbereich) gut
verankerte RdB (Rappresentanze di Base = Basisvertretungen)
hervor, die Ende Juni angesichts der Untätigkeit der CGIL-Branchengewerkschaft
Funzione Pubblica (FP) zu einem ganztägigen Streik im öffentlichen
Dienst mobilisierten über den die Tageszeitung von Rifondazione Comunista,
“Liberazione” in zweifacher Weise berichtete. Zuerst erschien am 27.6.2002
das folgende Interview mit einem der führenden Köpfe der RdB:
Interview mit Mimmo Provenzano von den RdB / Öffentlicher Dienst:
“Notwendiger Kampf”
Fabio Sebastiani
Morgen die im öffentlichen Dienst Beschäftigten
im Streik.
Die Rappresentanze di Base (Basisvertretungen - RdB) des öffentlichen
Dienstes werden morgen den ganzen Tag lang im Generalstreik sein. (Dazu gibt
es einen provinzweiten Streik derjenigen, die zugleich Mitglieder und Beschäftigte
der <mit hochgradig prekären Arbeitsverhältnissen operierenden>
Kooperativen sind.) Der Streik wurde wegen der ausbleibenden Erneuerung der
Tarifverträge im Öffentlichen Dienst angesetzt, die mittlerweile
seit 6 Monaten abgelaufen und auf 2003 verschoben worden sind, aufgrund des
völligen Fehlens angemessener und für alle Beschäftigten gesicherter
finanzieller Mittel sowie <als Protestaktion> gegen das Abkommen vom
4.Februar, das - laut den RdB - grünes Licht für die teilweise
Privatisierung der öffentlichen Verwaltung gibt. Bezüglich dieser
Themen hat “Liberazione” Mimmo Provenzano aus der nationalen Leitung der
RdB / Öffentlicher Dienst interviewt.
Viele reden von Konflikt, aber den Generalstreik in dieser Periode macht
Ihr.
“Die Periode ist vom organisatorischen Gesichtspunkt aus sicherlich nicht
ideal. Aber es ist klar, daß sich derzeit Elemente zusammenballen,
die eine dringende Antwort erfordern. Die Erneuerung der Tarifverträge
stockt und die von der Regierung bereitgestellten Mittel sind, wenn wir die
veranschlagte Inflation betrachten, lächerlich. Und dann muß man
hinzufügen, daß sie nach personalisierten Kriterien verteilt werden
und Frattini ist nicht einmal in der Lage gewesen zu sagen, daß die
Erhöhungen bereits ab 2002 beginnen. In Wirklichkeit warten sie ab,
um zu sehen wie die Ergebnisse der Lohn- und Einkommensteuer IRPEF ausfallen
werden. Unterdessen haben sie jedoch eine Direktive über die <einzelnen>
Bereiche erlassen, die noch spezifischere Gebiete der Tarifverhandlung schafft.”
Ein weiterer wichtiger Punkt Eurer Forderungsplattform betrifft die Privatisierung.
Stimmt es, daß diese Regierung bezüglich der Privatisierung ein
bißchen die Zügel angezogen hat ?
“Alles andere als das ! Viele Privatisierungsprozesse sind gerade die
Frucht des Abkommens vom 4.Februar. Sie wollen abbauen. Der Wirtschaftsminister
Tremonti <Forza Italia> hat sich eine Liste von 18 Aktivitäten
ausgedacht, die auszugliedern sind. Und unter diesen befindet sich die Informatik,
die - das will ich hervorheben - ein echts Steuerungsinstrument der Behörden
darstellt. Der Protest am 28. <Juni> ist auch einer gegen die Kartographierung
der Immobilien der sozialen <Versorgungs->Einrichtungen, gegen die
bilateralen sozialen Einrichtungen <mit den braven Gewerkschaftsbünden
CISL und UIL exklusiv für deren Mitglieder !> und gegen den Gesetzentwurf,
der beabsichtigt, die Feuerwehrleute zusammen mit der Polizei in den Sicherheitsbereich
zu verlagern und damit faktisch die Zuständigkeiten in Sachen Zivilschutz
zu beseitigen.”
Wenn ich mich nicht täusche, berührt die morgige Initiative
mit den “100 Straßen und Plätzen für die Rechte” auch das
Thema Artikel 18.
“Ja, unser Slogan ist: ‚Die erworbenen Rechte verteidigen und neue erobern
!‘ <verbunden> mit einer ausdrücklichen Aufforderung, die sozialen
Referenden <zur Erhaltung und zur Ausdehnung des Artikels 18> zu unterschreiben.
Die beiden Kämpfe (der auf den öffentlichen Dienst bezogene und
der in bezug auf die Rechte) gehören unvermeidlich zusammen. Wir gedenken
etliche tausend Unterschriften zu sammeln. Die Charakteristika des Aktionstages
bilden die Gliederung des Kampfes in einer Mischung aus Initiativen, die
auf die Rechte bezogen sind.”
Was meinst Du zu dieser CGIL, die vor die Situation gestellt ist, allein
zu kämpfen ?
“Ich sage, daß das <nur> teilweise stimmt. Ich nehme das Beispiel
des öffentlichen Dienstes. Der Sekretär der CGIL-Funzione Pubblica
(CGIL-FP), Laimer Armuzzi, hat Kampfinitiativen angekündigt, wenn die
Verpflichtungen des 4.Februar nicht eingehalten werden, aber ohne die Anlage
jenes Tarifabkommens zur Diskussion zu stellen. Einige Praktiken - vor allem
im öffentlichen Dienst - sind besorgniserregend. Die CGIL macht der
CISL Konkurrenz.”
Glaubst Du nicht, daß im Bereich der Basisgewerkschaften der Augenblick
einer Reflektion gekommen ist ?
“Die Geschichte der Basisgewerkschaften ist in vielen Punkten eine mühselige
/ gequälte Geschichte. Mit dem Unterschied, daß sie - so wie die
Dinge heute liegen - keinen Grund mehr haben zu existieren. Es sind neue
Prozesse im Gange, die auch die CGIL betreffen. Im privaten wie im öffentlichen
<Sektor> steigt der Bereich der Basisgewerkschaften <was die Zustimmung
unter den Beschäftigten anbelangt> von 15% auf 20%. Eine Repräsentativität,
die ich als interessant bezeichnen würde und die deutlich macht wie
<sehr> die Notwendigkeit einer Klassengewerkschaft zunimmt.”
“Liberazione” vom 29.6.2002 brachte dann einen kurzen Bericht
über den Verlauf des RdB-Streikes aus der auch die zunehmenden Einschüchterungsversuche
der Staatsmacht gegenüber den linken Basisgewerkschaften (aber seit
Ende Juli 2002 auch gegenüber der CGIL) hervorgeht:
Bologna: Die Polizei dringt in Versammlung ein und versucht die Streikenden
zu identifizieren.
Die RdB: Gute Beteiligung beim
Stop des öffentlichen Dienstes
Gutes Beteiligungsniveau der öffentlich Beschäftigten an dem gegen
das Abkommen vom 4. Februar zwischen Regierung und CGIL, CISL sowie UIL angesetzten
Streik. Das behaupten die RdB (Rappresentanze di Base), die zu der Arbeitsniederlegung
aufgerufen haben und die - so behaupten sie - die Mobilisierung für
“den sofortigen Beginn der Tarifverhandlung zur Erneuerung der vor 6 Monaten
abgelaufenen öffentlichen Tarifverträge und gegen den durch die
Wirtschafts- und Sozialpolitik der Regierung vorbereiteten Lohnraub fortsetzen
werden. Die <regionale> Kundgebung in der Emilia, die in Bologna stattgefunden
hat, war durch eine gravierende Tatsache gekennzeichnet: Durch das Eingreifen
der Polizeikräfte während der Versammlung der Arbeiter, mit dem
Ziel diejenigen zu identifizieren, die sich am Streik beteiligt haben. Die
RdB unterstreicht, daß dies der Beweis ist, daß für diese
Regierung “derjenige ein Krimineller ist, der opponiert”.
Anläßlich des Streikes wurde die Initiative “100 Straßen
und Plätze für die Rechte” gestartet, die in vielen italienischen
Städten (Mailand, Genua, Turin, Novara, Pordenone, Neapel, Chieti, Caserta,
Catania, Potenza, Bari, Cosenza und Olbia) durch die Präsenz von Infoständen
für die Unterschriftensammlung zur Unterstützung der sozialen Referenden
charakterisiert war, darunter das Referendum mit der Forderung nach Ausdehnung
der Schutzbestimmungen des Artikel 18 Arbeiterstatut auf alle.
Vorbemerkung, Übersetzung und Einfügungen in eckigen Klammern:
Antifa-AG der Uni Hannover und Gewerkschaftsforum Hannover