Gewerkschaftsforum Hannover gemaßregelt BKA und DGB gegen Gemüse im Konjunktiv "1. Mai in Hannover" - da musste "Automann" Gerhard Schröder sich einfach blicken lassen und auf dem Hannoveraner Klagesmarkt zur werkelnden Basis der Neuen Mitte sprechen. Grund zur Freude wiederum beim "Gewerkschaftsforum Hannover", einem lockeren Zusammenschluss kritischer Gewerkschafterinnen und Träger der bundesweiten "Initiative zur Vernetzung der Ge-werkschaftslinken", der u.a. auch der express angehöre Versprach sich das Gewerkschaftsforum doch, den Kanzler leibhaftig an nicht eingehaltene Versprechen in Sachen Politikwechsel erinnern und auch sonst lautstark seinem Unmut über die Lage der Beschäftigten Ausdruck verleihen zu können. Zudem bot sich die Chance, mit einem eigenen Stand zum l. Mai über die zahlreichen bisherigen Aktivitäten des Gewerkschaftsforums, das - ähnlich wie z.B. das Stuttgarter oder Mannheimer Zukunftsforum, die Ruhrkoordination u.v.a. regionale Initiativen - für eine gewisse Belebung der gewerkschaftlichen Debatte vor On sorgt, informieren zu können. Doch weit gefehlt: Die Standgenehmigung wurde entzogen, das BKA schaltete sich ein, und es hagelte Fristsetzungen für Distanzierungen, Unterlassungserklärungen sowie Anzeigen. Selbst gelegentliche Autoren des express, die mit der Redaktion gar nichts zu tun haben, erhielten Anrufe der DGB-Kreisverwaltung Hannover, in denen eine Konventionalstrafe für den Fall nicht genehmer Berichterstattung angedroht wurde. Grund für all die Aufregung: Gemüse im Konjunktiv! Die etwas umständlich geäußerte Anregung zur korrekten Berichterstattung nehmen wir uns angelegentlich der Schwere dieses Falls zu Herzen und kommen hiermit der geförderten Pflicht zur präventiven Gegendarstellung freudig nach. Auf einer Vorbereitungssitzung des besagten Gewerkschaftsforums vordem l. Mai war aus dem versammelten Publikum die Frage aufgeworfen worden, ob wohl der Einsatz handelsüblicher Gemüsesorten zum Zwecke gezielter Protestartikulation denkbar wäre. "Denkbar sei dies in der Tat", so wurde der Vorschlag kommentiert, doch die Wahl samt Beschlussfassung fiel im Fortgang der Veranstaltung dann auf den Einsatz von "Trillerpfeifen und roten Karten". Dass der Konjunktiv hierzulande trotz Regierungswechsels, DGB und Rechtschreibreform zum legitimen Sprachgebrauch zählt, und, insofern er im Unterschied zum bloß Seienden Denkmögliches zum Ausdruck bringt, auch auf die konsiituli-ven Voraussetzungen jener Befreiung aus selbstverschuldeter Unmündigkeit verweist, die seit den Studien des großen Königsberger Philosophen zur Grundausstatlung bürgerlicher Individuen und ihrer Gesellschaften gezählt werden, beeinträchtigte das Protokoll jedoch nicht. Dieses hatte ein anwesender NGG-Sekretär - ungefragt und ohne Mitteilung an die Versammelten - flugs verfasst und umgehend seiner Dienststelle und deren Satelliten zur Kenntnis gebracht. Auch die konnte offensichtlich mit der sprachlich immerhin vorhandenen Differenz zwischen Wirklichkeit und Möglichkeit, wie im Übrigen die meisten Gewerkschaften, nur wenig anfangen und nahm für Ersteres, was doch nicht sein sollte. Solchermaßen alarmiert, schaltete sich die Vorsitzende der zuständigen DGB-Kreisverwaltung ein, um eine Distanzierung von „jedweden strafbaren Handlungen gegen den Bundeskanzler, führende Gewerkschaftsvertreter, andere Personen oder Sachen" zu fordern - eine nicht ganz unkompliziert zu erfüllende Bitte, der nachzukommen leicht zur Lebensaufgabe für die Gebotenen hätte geraten können. Diese hatten jedoch in Wirklichkeit noch anderes geplant und sahen sich nicht im Stande, "pauschale Disianzierungen" abzugeben, verwiesen aber darauf, dass sie gerne „auch weiterhin zu (gewaltfreien) Protesten gegen Schröder, Schulte und Issen" aufrufen würden. Es mag nun dem 'zufällig' in der Stadt verweilenden, aber in solchen Angelegenheiten stets „zuhandenen" (Heidegger) BKA-Personal und dessen spezieller Hauptaufgabe geschuldet sein, die strukturbedingt vorhandene Lücke zwischen Gesetz, und Wirklichkeit Zu schließen, indem bereits vor real existierender Straftat existierende Möglichkeiten aufgespürt und in ein real existierendes Strafverhältnis umgewandelt werden, dass auch der DGB Zu nervös wurde: Die schriftliche Gewaltfreiheit in Klammern reichte ihm nicht. Und es mag sein. dass der protokollführende NGG-Sekretär sich zwar seines Tuns nicht schämte, wohl aber der eindeutigen Bezeichnung dieser Tätigkeit im Rahmen einer Presseerklärung des Gewerkschaftsforums nicht anders zu erwehren wusste, als zur Anzeige zu greifen -und so die Dinge ins geordnete Rollen brachte: Die Standgenehmigung wurde zurückgezogen, Schröder durfte die trillerpfeifenden »Minderheiten" als »Pfeifenköpfe" bezeichnen, das Fernsehen schnitt aber, wo immer potenzieller Schaden noch abgewendet werden konnte, das Pfeifkonzert aus seinen Aufzeichnungen heraus, so dass Schröders Beschimpfung der Opposition zur wahnhaften Imagination geriet. Damit Indikativ bleibt, was Indikativ ist in der real existierenden Demokratie Deutschlands. K.H. express 5/2000