Imperiales und Klassenbewegung

Antifa-AG der Uni Hannover & Gewerkschaftsforum Hannover:
 
Die unabhängige linke italienische Tageszeitung “il manifesto” veröffentlichte am 13.3.2002 einen interessanten Hintergrundartikel zur harten Haltung Berlusconis in der Auseinandersetzung um den Kündigungsschutzparagraphen Artikel 18:
 
Berlusconis Kalkül
 
Hier ist der Grund, warum er in bezug auf den Artikel 18 zur frontalen Auseinandersetzung greifen wird.
 
Andrea Colombo – Rom
 
Das, was die Waagschaale der Regierung beim nächtlichen Spitzentreffen vorgestern zugunsten der harten Linie geneigt hat, war gerade das, was jemand in der Regierungsmehrheit offen “die Rechnung des Dienstmädchens” nennt. Ein kühles Kalkulieren der Kosten und der Vorteile. Was jedoch seinerseits nicht möglich gewesen wäre ohne das Treffen, das einige Stunden zuvor beim Mittagessen zwischen Arbeitsminister Roberto Maroni und dem Sekretär der CISL, Savino Pezzotta, stattgefunden hat.
 
Um den Artikel 18 drastisch neu zu modulieren, ohne ihn aber zu streichen, wollte die Regierung die Verpflichtung der CISL nicht auf der Streichung <des “Reform”-Vorschlages> zu bestehen und die Beibehaltung einer Modifikation des Artikels in der Regierungsvollmacht zu akzeptieren, auch wenn sie bezogen auf den anfänglichen Plan stark redimensioniert ist. Pezzotta hat Nein gesagt. Er hat auf dem beharrt, was seit jeher die Linie der CISL und der UIL ist: Dialog ja, aber ohne irgendeine Modifikation der Norm bezüglich der ungerechtfertigten Entlassungen zu akzeptieren. Mit der Antwort von Pezzotta in der Tasche hat die Front der Harten, die von Maroni selbst, von Wirtschaftsminister Tremonti und vor allem von Silvio Berlusconi gebildet wird, leichtes Spiel gehabt, gegenüber der ebenfalls umfangreichen Gruppe der Verhandlungsbereiten (Fini und Bossi, Buttiglione und Follini1).”die Rechnung” durchzugehen. “Die Streichung” <d.h. der Verzicht auf jedwede Änderung des Artikels 18>, hat Berlusconi gesagt, “ist außerhalb der Diskussion. Sie würde bedeuten, dem Vorgehen von Prodi und D’Alema <als Chefs der vorangegangenen Mitte-Links-Regierungen> zu folgen und den Gewerkschaften in bezug auf die Reformen das Vetorecht zuzugestehen. Unser Recht zu regieren ist in Frage gestellt.”
 
Wenn die Möglichkeit der Streichung <des “Reform”vorhabens> aber ersteinmal ausgeschlossen ist, wäre das Zurückstecken bei den wesentlichen Reformen des Artikels 18 ein Zug mit hohen Kosten (d.h. der Bruch mit der Confindustria) und (ab dem Moment, wo CISL und UIL nicht mehr damit zufrieden wären) mit fast keinen Vorteilen. Schlußfolgerung: Besser mit einer festen Position in die Auseinandersetzung gehen als, mit der Gefahr oder sogar in der Gewißheit alle unzufrieden zu machen, in der Sackgasse zu bleiben.
 
Es gibt ein weiteres Element, das die Entscheidung Berlusconis beeinflußt hat. Der Kavalier ist äußerst gereizt in bezug auf Agnelli und De Benedetti, diese ganze “gute Stube” des italienischen Kapitalismus, die ihre Unschlüssigkeit über die Angemessenheit der Anzettelung eines Religionskrieges um den Artikel 18 nicht verhehlt hat und die sich bei der einen oder anderen Gelegenheit der offenen Opposition stärker angenähert hat als der einfachen Fronde. Vor die Wahl gestellt zwischen einem sicheren Verbündeten wie Antonio D’Amato, dem Präsidenten der Confindustria und Weggefährten zu wählen, die von seinem Standpunkt aus sehr viel weniger vertrauenswürdig sind, hat der Ministerpräsident wenig Zweifel gehabt. Definitiv wird der neue Text, an dem die Techniker des Arbeitsministeriums arbeiten, modifiziert werden, allerdings nur sehr geringfügig. Fini, Bossi und sogar Follini haben sofort grünes Licht gegeben. Rocco Buttiglione hat gefordert, eine weitere diplomatische Initiative bei der CISL versuchen zu können. So hat sich der Fraktionsvorsitzende der CCD-CDU im Volonté-Zimmer gegenüber Savino Pezzotta auf den Platz gesetzt, den am Vortag Maroni besetzt hatte. Er hat dieselbe negative Antwort erhalten und damit sollte die Partie beendet sein.
 
Buttiglione hat sich jedoch nicht geschlagen gegeben. In der Kabinettssitzung vom Donnerstag versucht er noch einmal die Regierungsposition zu verändern <und den Gewerkschaften anzunähern>. Ein Versuch, der ohne daß die CISL einen Schritt zurück macht, ohne irgendeine Erfolgsaussicht ist. Aber das kann man niemals <mit 100%iger Sicherheit> sagen. In den letzten Stunden – räumen sie sogar im Arbeitsministerium ein – passiert in diesen Fällen alles. Um die Wahrheit zu sagen, ein Schatten bleibt, was selbst von dem an dem Spitzentreffen Beteiligten anerkannt wird, das beschlossen hat, in den Krieg zu ziehen. Das Referendum nämlich, das mit allergrößter Wahrscheinlichkeit angesetzt werden wird und das um so gefährlicher wird, wenn es mit einer Frage zusammengelegt wird, die sich auf den Interessenkonflikt <Berlusconis als Regierungschef, Konzernchef und Medienzar> bezieht. Aber bis dahin müssen zwei Jahre vergehen, hat Berlusconi verkündet, und von heute bis dahin werden wir demonstriert haben, daß unsere Reform wirklich Beschäftigung schafft.
 
 
Vorspann, Übersetzung, Fußnote und Anmerkungen in eckigen Klammern:
Antifa-AG der Uni Hannover und Gewerkschaftsforum Hannover

1  Gianfranco Fini ist Parteichef der, hauptsächlich aus dem ehemaligen neofaschistischen MSI hervorgegangenen, Alleanza Nazionale (AN) und stellvertretender Ministerpräsident der aktuellen Regierung; Umberto Bossi der Führer der rechtspopulistischen Lega Nord und Minister für Reformvorhaben. Rocco Buttiglione und Follini sind (neben Parlamentspräsident Pierferdinando Casini) die führenden Vertreter des “Biancofiore” (Weiße Blume), d.h. des Bündnisses der beiden kleinen rechts-christdemokratischen Parteien CCD und CDU.

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