Antifa-AG der Uni Hannover & Gewerkschaftsforum Hannover:

 

Zu dem kurz zuvor von den Gewerkschaftsbünden CISL und UIL gegen den Widerstand der größeren CGIL abgeschlossenen Separatabkommen “Pakt für Italien”, das die Aushebelung des Kündigungsschutzartikels 18 besiegelt, gab der Sekretär von Rifondazione Comunista (Partei der Kommunistischen Neu/be/gründung – PRC), Fausto Bertinotti, der unabhängigen linken italienischen Tageszeitung “il manifesto” vom 9.7.2002 das folgende Interview, wobei er sich naturgemäß vor allem auf die politischen Implikationen konzentrierte.

 

 

Interview:

 

Bertinotti: “Es ist Zeit, daß ein neues Subjekt entsteht.”

 

Der PRC-Sekretär: “Cofferati werde ich sagen: Zusammen kann man siegen. Und von heute an jetzt können wir Synergien schaffen und am Erfolg des Generalstreiks arbeiten.”

 

Andrea Colombo – Rom

 

Heute vormittag wird sich Fausto Bertinotti mit Sergio Cofferati treffen und so eine Serie von Gesprächen zwischen dem Sekretär der CGIL und den Führern aller Oppositionskräfte eröffnen. Ein interessantes Treffen, da (auch wenn die Solidarität des PRC mit der CGIL uneingeschränkt ist) die Reibungspunkte gewiß nicht fehlen – angefangen beim Referendum <des PRC> über die Ausweitung des Artikels 18 auf alle Beschäftigten, das der Führer der CGIL nicht unterstützt hat.

 

Wie beurteilst Du die Reaktionen des <mitte-linken> Olivenbaum-Bündnisses auf die Unterzeichnung des Paktes für Italien ?

 

“Als sehr schlecht. Jedesmal wenn man vor einer entscheidenden programmatischen Frage steht, tanzt die Mitte-Linke, gibt sie gestammelte und politisch nichtssagende Antworten. Die Realität ist, daß die materielle Mitte-Linke sich nach der Wahlniederlage gespalten hat.”

 

Was meinst Du mit “materielle Mitte-Linke” ?

 

“Ich glaube nicht der Bösartigkeit beschuldigt werden zu können, wenn ich sage, daß die Gewerkschaftsbünde in den Jahren der Olivenbaum-Regierungen Teil der materiellen Mitte-Linken waren. Das beweist die Tatsache, daß es in jenen Jahren keinerlei Konfliktbereitschaft gegeben hat. Nach der Niederlage <im April 2001> hat sich dieser Block gespalten.”

 

Warum ?

 

“Aus zwei Gründen. Weil die CGIL frontal und fortschreitend herausgefordert und in ihren gesellschaftspolitischen Fundamenten angegriffen wurde. Angesichts dieses Angriffes hat sie beschlossen – und es war durchaus nicht vorgezeichnet, daß sie dies tun würde – die Herausforderung anzunehmen. Angesichts der Niete der Konzertierten Aktion hat die CGIL eine eigenständige Position gewählt. CISL und UIL hingegen gehen mit der Akzeptanz eines neokorporativen Paktes im Bruch der Konzertierten Aktion unter. Der zweite Grund ist die <positive> Kontamination, die von den anderen sozialen Bewegungen ausgeht.”

 

Um die Wahrheit zu sagen, scheint die <Antiglobalisierungs-> Bewegung in dieser Auseinandersetzung leider fast völlig abwesend zu sein...

 

“Alle Bewegungen stehen heute vor demselben Problem: der Schwierigkeit, sich in einer breiteren Bewegung <miteinander> zu verbinden und der eigenen Aktion Kontinuität und Wirksamkeit zu geben. Als sie entstanden ist, fand die ‚Bewegung der Bewegungen‘ in der Selbstbehauptung einen ausreichenden Grund und dasselbe geschieht nun mit der Klassenbewegung. Es ist normal, daß das in der Anfangsphase der Bewegungen so ist. Aber wenn sie wachsen, stellt sich das Problem ihrer Wirksamkeit. Und heute ist das für alle ein ungelöstes Problem.”

 

Und was tut der PRC, um dieses “ungelöste Problem” anzugehen ?

 

“Der PRC tut das, was er kann und ebenso die <CGIL-Metallergewerkschaft> FIOM, ein Teil der COBAS und ...  Der Vorschlag eines Referendums über die Ausweitung des Artikel 18 hat eine große Bedeutung für die Neuzusammenfügung der Welt der Arbeit. Gewiß, es handelt sich um eine Neuzusammenfügung auf einem <ersteinmal> nur embryonalen Niveau, während ein Übergang zu einem neuen Maßstab notwendig wäre: die Schaffung eines alternativen Subjektes. Es taucht lautstark das Bedürfnis nach einer Linken der <gesellschaftlichen> Alternative auf.”

 

Es wird gut sein zu präzisieren, was Du mit “alternatives Subjekt” meinst.

 

“Sicherlich keine Einheitspartei, die Partei der Arbeit oder ähnliche Dinge. Die Zeit der großen Einheitsparteien ist zuende. Ich denke an ein Subjekt, das eine Konstellation von Kräften ist, die zusammen sind. Und ich bin auch deshalb gegen die Einheitspartei, weil die Erfahrungen, die sich aufbauen, in Beziehung mit anderen Erfahrungen treten müssen und sich nicht zerstreuen dürfen.”

 

Kehren wir zu den Treffen dieser Tage zurück. Es hat nicht den Anschein, daß die Politik dabei ist, der CGIL irgendein konkretes Ufer anzubieten, um der Offensive entgegen zu treten. Was kann die Politik in dieser schwierigen Lage tun ?

 

“Ich würde sagen, daß die Politik eine Sache bereits getan hat. Den Vorschlag eines Referendums für die Ausweitung des Artikels 18. In einem mit Mehrheitswahlrecht gewählten Parlament erleiden die Oppositionskräfte, die beim Verhältniswahlrecht wirkungsvoll waren, einen sehr harten Schlag. Daher muß die Opposition neue, den Zeiten angemessene, Formen finden. Das Referendum ist sicherlich eine davon, wenn auch nicht die einzige.”

 

Das wird auch eine Hilfe sein, aber hat es nicht den Anschein, daß die CGIL das nicht als solche anerkennt ?

 

“Es ist nicht entscheidend festzustellen, ob die CGIL es als eine Hilfe betrachtet oder nicht. In jedem Fall wird es 2003 eine Chance geben, das Separatabkommen abzuschaffen. Aber ich will eine Sache klären: Ich glaube, daß man jegliche Feindseligkeit zwischen denjenigen, die mit diesem Referendum einverstanden sind und denen, die es nicht sind, vermeiden muß. Man muß die verschiedenen Oppositionsvorschläge kompatibel machen, so daß sie – auch wenn sie unterschiedlich sind – eine Art kritischer Masse bilden.”

 

Du hast gesagt, daß das Referendum nicht die einzige Form der Opposition ist, die vorstellbar ist. Was schlägt der PRC weiter vor ?

 

“Eine außerordentliche Mobilisierung über eine Plattform, die Themen wie die Arbeit, die Umwelt und die Gesundheit umfaßt und verbindet. Um dahin zu gelangen, ist es allerdings notwendig, daß die Mitte-Linke die Krise überwindet, die sie derzeit durchlebt. Und ich sehe keine andere Möglichkeit als eine Trennung, die eine linke Kraft befreit. Diese Mitte-Linke ist nicht einmal in der Lage wirklich gegen das Separatabkommen Partei für die CGIL zu ergreifen, weil sie in Wirklichkeit von beiden Polen, die sich auseinandersetzen, angezogen wird. In ihrem Innern gibt es diejenigen, die von dem neokorporativen Abkommen und diejenigen, die vom Aufbau der Alternative angezogen werden.”

 

Cofferati sagt ganz klar, daß der Gesetzentwurf, den die CGIL per Volksbegehren ins Parlament bringen wird, eine Art Wasserscheide sein wird. Wie wird sich der PRC gegenüber jenem Gesetz verhalten ?

 

“Ich wiederhole, daß wir für die Schaffung von Synergien sind. Daher bin ich der Meinung, daß es – so sehr man Einwände gegen die Inhalte jenes Entwurfes haben kann – notwendig ist, den Erfolg aller Initiativen zu begünstigen. Auch weil das grundlegend ist, um den Generalstreik zu schaffen.”

 

Binnen kurzem wirst Du Cofferati treffen. Was wirst Du ihm sagen ?

 

“Daß man siegen kann.”

 

 

Vorbemerkung, Übersetzung und Ergänzungen in eckigen Klammern:

Antifa-AG der Uni Hannover und Gewerkschaftsforum Hannover