Antifa-AG der Uni Hannover & Gewerkschaftsforum Hannover:

 

Zum Abschluß der Aktionstage anläßlich des 1.Jahrestages der Proteste gegen den G8-Gipfel in Genua und der brutalen staatlichen Repression, die u.a. zur Ermordung Carlo Giulianis durch einen Carabiniere führte, interviewte die kleine kommunistische Tageszeitung “Liberazione” den Sprecher der Confederazione COBAS (eines der wichtigsten Zusammenschlüsse linker und linksradikaler Basisgewerkschaften in Italien) und der darin organisierten Cobas Scuola (Schule) zu den weiteren Perspektiven der italienischen Antiglobalisierungsbewegung und der Positionierung der COBAS (Comitati di base = Basiskomitees) in Anbetracht der erwarteten Aktionen, mit denen der größte italienische Gewerkschaftsbund CGIL im Herbst den Kündigungsschutzartikel 18 verteidigen will. Das Interview erschien am 23.7.2002.

 

Piero Bernocchi (Sprecher der Cobas der Schule):

 

“Es genügt nicht, erneut die Straßen zu füllen. Wir müssen gewinnen.”

 

Interview geführt von Checchino Antonini

 

“Nüchterner Enthusiasmus:” Das ist die Stimmungslage von Piero Bernocchi von der Confederazione Cobas am Ende der intensiven drei Tage von Genua. Seine Bilanz vermeldet den “großen Erfolg der Demonstration (für die wir gegen die Widerstände derjenigen gekämpft haben, die mediale Flops oder Straßenkämpfe befürchteten), die gute Versammlungsdiskussion und das verbreitete Bewußtsein der Notwendigkeit etwas hier und jetzt zu gewinnen.”

 

“Die heikelste Passage, die uns erwartet”, sagt der Sprecher der Cobas Scuola, ist nicht “erneut die piazza zu füllen”, sondern die großen internationalen Thematiken mit dem sozialen Konflikt in Italien zu verbinden und Teilerfolge nach Hause zu bringen”.

 

Einige Beispiele, Bernocchi !

 

“Im Herbst muß man – um uns nicht nur auf eine Bewegung ideologischen oder moralischen Charakters zu reduzieren – den Angriff des Wirtschaftsliberalismus im eigenen Land stoppen. Es gibt 4 Angriffspunkte:

-         die Verteidigung der abhängigen Beschäftigung in allen ihren Formen (z.B. mit der Ausdehnung des Artikels 18 auf alle);

-         die Verteidigung der öffentlichen Strukturen (Schule und Gesundheitswesen);

-         die Blockade oder die Streichung des Bossi-Fini-Einwanderungsgesetzes, das – mehr noch als ein rassistisches – ein Sklavereigesetz ist, und

-         die italienische Beteiligung an dem neuen Krieg gegen den Irak verhindern.

 

Auf diesen Terrains werden wir die Einheit bei variabler Geometrie zu suchen haben, ohne irgendjemandem solche Prioritäten aufzuzwingen, aber in der tiefgehenden Diskussion über eine einheitliche <d.h. Bündnis-> Plattform. Erinnern wir uns daran, daß die wahren Spaltungen sich mit dem Erscheinen der CGIL auf der Szene und mit dem Auftreten des ‚harten‘ sozialen Konfliktes manifestiert haben.”

 

Welche Haltung werdet Ihr in bezug auf den neuen Generalstreik einnehmen, den die CGIL dabei ist <für Ende September oder Anfang Oktober 2002> auszurufen ?

 

“Die CGIL hat Millionen Menschen mobilisiert – vor allem um sich selbst zu verteidigen. Indem sie dies getan hat, hat sie der allgemeinen Mobilisierung einen Impuls gegeben und das ist etwas Gutes, auch wenn sie branchenbezogen an der Konzertierten Aktion <mit der Berlusconi-Regierung und den Kapitalistenverbänden> festhält. Nun fragen wir: Ist es möglich, den Artikel 18 zu verteidigen und auszudehnen, wenn das Gesetzespaket <des mitte-linken Arbeitsministers> Treu <vor einigen Jahren> ihn bereits für drei Viertel der Neueingestellten beseitigt hat ?  Ist es möglich zu behaupten, daß die Privatisierung der Schule mit <Berlusconis Bildungsministerin> Moratti beginnt oder muß auch das <von der mitte-linken Olivenbaum-Regierung erlassene> Gleichstellungsgesetz <von öffentlichen und Privatschulen>, das die ‚Mutter der Privatisierungen‘ ist, abgeschafft werden ?  Und weiter: Was wird die CGIL angesichts des möglichen Krieges in Irak tun ?  Wird sie ihn <wie den Jugoslawien-Krieg> wiederum eine ‚den Umständen geschuldete Notwendigkeit‘ nennen ?  Und die gewerkschaftliche Demokratie gilt nur für die CGIL oder wird sie allen zurückgegeben ?  Wenn sie uns überzeugende Antworten gibt, kann man zu einem gemeinsamen Termin für den Streik kommen und vielleicht auch auf denselben Straßen und Plätzen <demonstrieren>, wenn man die Gleichberechtigung in den Demonstrationszügen und bei den Abschlußreden akzeptiert.”

 

Bernocchi, in Genua ist das Dilemma <der ital. Antiglobalisierungsbewegung> bezüglich der organisatorischen Ebenen wieder sichtbar geworden.

 

“Wir haben immer gegen die Reduzierung der internen Komplexität, gegen die ‚Partei der No-Globals‘ gekämpft. Unterschiedliche Komponenten können in einer Bündnislinie, die jeder mit unterschiedlichen Mitteln und Geschwindigkeiten vollziehen kann, koexistieren. Wir haben die Formeln vom örtlichen ‚Direktorium‘ und vom ‚Generalsekretär‘ immer bekämpft. Die Pressekonferenzen werden in Rotation gemacht, die Beschlüsse auf den Versammlungen gefällt und auch mit offenen Koordinationen zwischen Netzwerken und örtlichen Foren durchgeführt, allerdings indem ‚Zwischengruppen‘ vermieden werden.”

 

Vorbemerkung, Übersetzung und Einfügungen in eckigen Klammern:

Antifa-AG der Uni Hannover und Gewerkschaftsforum Hannover