Antifa_AG der Uni Hannover:
Die Anti-Expo-AG übernimmt (teilweise unter eigenem Namen teilweise auch unter anderen Labels) in der linken Szene Hannovers - aller Scheinheiligkeit zu Trotz - zunehmend die Funktion der pro-zionistischen und antideutschen Pressure Group, nachdem den ursprünglichen Antideutschen in Hannover etwas die Luft ausgegangen ist. Zur Begründung der absurden These, dass Antizionismus nur die Bemäntelung einer in Wahrheit antisemitischen Einstellung sei, beruft sie sich mittlerweile auf die anti-linken Attacken von Polizeireportern bürgerlicher Tageszeitungen wie der "Süddeutschen Zeitung". So geschehen in ihrem Mobilisierungstext für ihre Veranstaltung "Antisemitismus, Antizionismus und die neue Linke" am 10.11.2004 im Sprengel-Kino. Hauptbeleg für diesen Schwachsinn ist die Beteiligung eines deutschen Linken (Horst-Ludwig Meyer) an dem versuchten Anschlag auf russische Juden in Budapest 1991. Obwohl es sich dabei um eine Aktion handelt, die von keiner einzigen linken Gruppe in der BRD gutgeheißen wird und in die offensichtlich nur eine einzige Person aus der BRD direkt involviert war, mutiert sie in besagtem "Süddeutsche"-Artikel zum versuchten "ersten deutschen Massenmord an Juden nach 1945", was die Anti-Expo-AG freudig übernimmt und als "Beweis" für die Einstellung der antiimperialistischen Linken anführt.
Dabei wird geflissentlich übersehen, dass die radikale und revolutionäre jüdische Linke innerhalb und außerhalb Israels und auch "nur" die Besatzung und das israelische Apartheidsytem bekämpfende jüdische Gruppen, wie die in der EJJP zusammengeschlossenen, seit jeher antizionistisch eingestellt waren und sind. Unseren deutschen Gutmenschen von der Anti-Expo-AG zufolge also alles "Antisemiten"...
Von ihrer plötzlichen Begeisterung für die "Süddeutsche Zeitung" nicht betroffen war hingegen eine Rezension, die dort am 21.7.2003 erschien. Darin weist der Rezensent Dirk Eckert u.a. darauf hin, dass die Reaktion des Referenten jener Anti-Expo-AG-Veranstaltung (der Literaturwissenschaftler Volker Weiß aus Hamburg) auf die Zionismus-Kritik des bekannten jüdischen Linken und Professors Moshe Zuckermann blankes "Unverständnis" und "Widerspruch" ist, insbesondere wenn Zuckermann die Auffassung vertritt, dass "der Zionismus zu einer radikal rechten Bewegung geworden (ist), die kein Angebot für einen wirklichen Frieden mehr enthält". Oder dass auf Dauer „Israel mit Antisemitismus nicht zu legitimieren, vor allem aber als pulsierende Lebensrealität nicht aufrecht zu erhalten" sei. Ist nun auch schon Moshe Zuckermann ein "Antisemit" ??
(Die gesamte Rezension findet sich übrigens unter: http://www.dirk-eckert.de/texte.php?id=425)
Im Gegensatz zur Anti-Expo-AG möchten wir hier eine alte linke Tradition wieder aufgreifen, nämlich die bürgerlichen Zeitungen dann zum Ausgangspunkt linker Analysen und Politik zu machen, wenn sie sich (selbst)kritisch zu Entwicklungen und Ereignissen in ihrem eigenen Lager äußern. Und da gibt es in der (von uns als Lektüre durchaus geschätzten) "Süddeutschen Zeitung" einige interessante Beiträge, wie der folgende Leitartikel des Feuilleton vom 1.12.2004 belegt:

Gespensterbeschwörung

Frankreichs Debatte über Antizionismus und Antisemitismus

Jeder Familien- oder Ehekrach liefert dafür ein Beispiel: Man unterstellt den Argumenten des Anderen Motive, die dieser angeblich sich hütet auszusprechen, um sich nicht von vorneherein ins Unrecht setzen. Der ursprüngliche Anlass des Streits wird darüber rasch nebensächlich, während mit umso größerer Erbitterung um die geleugneten, eo ipso aber "wahren" Motive gezankt wird, deren Stichhaltigkeit sich mit zahllosen Indizien und Argumenten aus dem gelebten Familien- oder Ehealltag eben so gut belegen wie bestreiten lässt.

An Dramaturgie und Verlauf solcher Auseinandersetzungen erinnert die seit einiger Zeit immer lauter werdende Kontroverse darum, wer welche Kritik an der amerikanischen Nah-Ost-Politik und an der Politik Israels üben darf. Geradezu reflexartig wird immer öfter von den Kritisierten sogleich ein Verdacht geäußert, der jede gegenteilige Ansicht desavouiert, den Kritiker diskreditiert und so eine weitere Diskussion unmöglich macht.

Der Verdacht, der diese umfassende Wirkung entfaltet, ist der Antisemitismusvorwurf, für dessen Plausibilität die europäische Geschichte, die nicht vergehen will, einsteht. Als Beweis dieser Unvergänglichkeit wird die antisemitische Welle angeführt, die derzeit vor allem Frankreich, aber auch andere europäische Länder überschwemmt und die sich statistisch belegen lässt. Um so mehr schien es geboten, dieses Phänomen differenziert zu betrachten, es mit der im Wortsinne gebotenen Radikalität, also bis in seine Wurzeln hinein, zu analysieren, weil sich nur so seine gezielte Bekämpfung organisieren lässt.

Mit einer solchen Untersuchung beauftragte das französische Innenministerium den Arzt und Schriftsteller Jean-Christophe Rufin, der am 19. Oktober 2004 seinen 51 Seiten umfassenden Bericht vorlegte, der in Frankreich ein lebhaftes und teilweise sehr kontroverses Echo auslöste. In einer differenzierten Analyse des Täterkreises antisemitischer Aktionen gelingt es Rufin zunächst aufzuzeigen, dass diese nicht vorrangig den " üblichen Verdächtigen" anzulasten sind, also Mitgliedern von Gruppierungen und Parteien der extremen Rechten oder Jugendlichen, deren Eltern aus Nordafrika eingewandert sind.

Die große Mehrheit der einschlägigen Delinquenten käme hingegen aus Ländern, "die in keinerlei Verbindung mit der israelisch-arabischen Frage stünden, was deren mögliche Identifikation mit den Palästinensern als weitaus weniger 'natürlich' erscheinen lässt." Gemeinsam sei diesen hingegen, dass sie einem Milieu entstammten, dessen Merkmale Entwurzelung, soziales Versagen, Orientierungsverlust und Identitätsprobleme sind, allesamt Indikatoren, wie sie sich unter dem Begriff der "Armutskultur" rubrizieren lassen.

Was diese Träger der "Armutskultur" besonders anfällig macht für den Antisemitismus, sei, so Rufin, dessen eingängige Mischung aus Radikalität, Gewalt und Megalomanie, die verführerische Muster bereitstelle, um sich eine Identität, ein kulturelles Herkommen zusammenzubasteln. Sowohl der radikale Islamismus wie neonazistische Ideologien, die im Antisemitismus konvergieren, fänden deshalb hier einen fruchtbaren Boden. Das gelte aber weit weniger für die Ideologie als solche, sondern beschränke sich auf ein ostentatives Zurschaustellen ihrer tabuisierten und weithin unverstandenen Symbole (Hakenkreuz, SS-Runen) und Slogans, deren Gebrauch stets eine große mediale Wirkung garantiere.

Geborgte Respektabilität

Um deshalb den "neuen" Antisemitismus zu bekämpfen, gelte es, so die Rufins Schlussfolgerung, die soziale Marginalisierung einzelner Bevölkerungsgruppen zu beseitigen, aber auch die Möglichkeiten polizeilicher Repression oder disziplinarischer Sanktionen in den Schulen zu verstärken. Schließlich müsse auch intensiver als bisher über Nazismus und Shoa aufgeklärt werden.

So weit, so gut, so einsichtig und in seinen Folgerungen zu begrüßen. Heftige Kontroversen provozierte Rufin indes mit dem zweiten Teil seines Berichts, in dem er sich über die politischen und intellektuellen "Steigbügelhalter" des Antisemitismus, die "facilitateurs" und den "antisemitisme par procuration", verbreitet.

Wörtlich heißt es: "Unter allen subtilen Formen, derer sich der Antisemitismus bedient, gilt es vor allem einer besondere Aufmerksamkeit zu schenken, weil sie seit geraumer Zeit den Diskurs beherrscht: den radikalen Antizionismus (...) Dieser moderne Antizionismus speist sich aus dem Anti-Kolonialismus, der Anti-Globalisierungsbewegung, dem Anti-Rassismus, dem Engagement für die Dritte Welt und der Umweltbewegung. Er ist stark verankert innerhalb der linken Globalisierungskritik und bei den Grünen. In dieser Sicht der Welt gilt Israel, das mit den USA und der Globalisierung über einen Leisten geschlagen wird, als ein kolonialistischer Staat, der ohne allen Grund ein unschuldiges Volk der Dritten Welt unterdrückt. (...) Indem dieser antirassistische Antizionismus vor allem die 'Politik Scharons' kritisiert und sich dabei auf die Stimmen einiger jüdischer Dissidenten beruft, verschafft er sich den Schutz vermeintlicher Respektabilität und kann für sich beanspruchen, nicht mit Antisemitismus identifiziert zu werden. Das ändert aber nichts daran, denn gräbt man nur etwas tiefer, lässt sich leicht feststellen, dass es sich bei diesem Antizionismus nicht um eine fallweise Kritik der israelischen Politik, sondern um ein Infragestellen der Basis des Staates Israel handelt."

Mit dem aberwitzigen Gespinst einer weltweiten Verschwörung, zu der Rufin unbewiesen eine kaum überschaubare Zahl von meist linken Bewegungen, Grüppchen und Weltverbesserungsvereinen, zu denen aber durchaus auch respektable Vereinigungen wie "amnesty international" oder auch das "Internationale Komitee vom Roten Kreuz" rechnen können, unter dem Passepartout-Verdacht des "radikalen Antizionismus", vulgo des Antisemitismus, zusammenschirrt, verfolgt er eine diffamierende Absicht: Jegliche Kritik an der israelischen Politik soll mit der nachweislich falschen Behauptung, sie leugne implizit oder sogar explizit das Existenzrecht Israels, delegitimiert und mundtot gemacht werden.

Die "Belege", die Rufin zur Erhärtung seines Passepartout-Verdachts schuldig bleibt, liefert ein anderer Autor überreich nach. Pierre-André Taguieff hat mit seinem soeben erschienenen Buch "Prêcheurs de haine. Traversée de la judé-ophobie planétaire" (Verlag Mille et une Nuits, Paris 2004) auf 962 Seiten gleichsam die "Protokolle" der von Rufin verklagten radikal antizionistischen Weltverschwörung vorgelegt.

Opium der Intellektuellen

Dieses Buch, das sich unschwer als das Produkt einer intellektuellen Paranoia diagnostizieren lässt, weitet jenen Passepartout-Verdacht, wie sein Untertitel bereits verspricht, ins Planetarische und Gigantische aus, denn: "Die Verteufelung Israels und des 'Zionismus' ebenso wie die Litanei der Entlarvung des 'amerikanisch-zionistischen' Imperialismus, schafft, eine Konstellation von ideologischen Haltungen, die einen geistigen Raum definieren, in dem sich Islamisten und Extremisten der Rechten wie der Linken zusammenfinden."

Und speziell für Europa oder Frankreich, man weiß es nicht genau, stellt unser Autor fest: "Das islamisch-palästinensische 'Revoluzzertum' ist heute das Opium der europäischen Intellektuellen - nicht zu vergessen die Vielzahl der Halb-Intellektuellen (der ungebildeten Diplomierten, der verwirrten Autodidakten, der intellektualisierten Irren), die sich in den Medien eingenistet haben, in politischen Grüppchen und Klüngeln den Ton angeben, und die eine weitverstreute Ansammlung von Taliban-Kämpfern à la francaise darstellen. Sie äußern sich stets mit einem Maximum an rhetorischer Wildheit und gestützt auf ihre mediale Legitimation in einem anti-amerikanischen Ressentiment, das längst zur Vulgata geworden ist." Selbstverständlich sind bei ihnen auch "Anti-Amerikanismus" und "verteufelnder Anti-Israelismus" eng verschwistert.

Die beiden Textbeispiele machen die "Methode" anschaulich, derer sich Taguieff durchweg bedient: Statt einer argumentativ abgestützten Beweisführung liefert er eine wüste Kompilation allen dessen, worüber sich der Passepartout-Verdacht, der in seinem Fall "Judeophobie" heißt, stülpen lässt. Taguieff ist laut seiner Kurzbiographie übrigens Direktor am staatlichen "Centre national de la Recherche scientifique", eine Mitteilung, die geeignet ist, nach der Lektüre seines Galimathias einen Bericht über die Qualität der hier geleisteten Forschertätigkeit als überflüssig erscheinen zu lassen.

Mag Taguieff in seiner monomanischen Fixierung auf die umfassende Darstellung der planetarischen Zusammenhänge der "Judeophobie" so leicht nicht zu übertreffen sein, so gilt dies auch für Rufin hinsichtlich der unbeirrbaren Konsequenz, mit der er den "radikalen Antizionismus" zu bekämpfen sucht. Allen Ernstes fordert er ein Gesetz, das jene mit Strafe bedroht, "die ohne zulänglichen Grund Gruppen, Institutionen oder Staaten des Rassismus beschuldigen und sich dabei ungerechtfertigter Vergleiche mit der Apartheid oder des Nazismus bedienen."

Wer mit seiner Kritik irgend ernst genommen werden will, dem verbietet sich von vorneherein ein Vergleich der israelischen Politik mit den Nazis. So schlimm auch das Los der Palästinenser ist, so wenig lässt es sich mit dem der Juden oder auch dem der Sinti und Roma, der Polen und der sowjetischen Kriegsgefangenen unter der Naziherrschaft vergleichen.

Ganz anders verhielte es sich aber mit einem Vergleich, der die israelische Siedlungspolitik auf der West-Bank mit dem südafrikanischen Apartheid-Regime unseligen Angedenkens in Beziehung setzte. Dass Scharons Regierung den Siedlungsbau im Westjordanland im stillen Einverständnis mit der Regierung Bush vorantreibt, verrät unmissverständlich ihre Absicht, wie Henry Siegman in der New York Review of Books vom 2. Dezember 2004 schreibt, dieses Gebiet "in drei nicht mit einander verbundene palästinensische Kantone, tatsächlich in Bantustans, aufzuteilen, in denen die Palästinenser unter israelischer Kontrolle leben können, ohne einen eigenen zusammenhängenden Staat zu haben".

Henry Siegman hat sich schon verschiedentlich in diesem angesehenen Blatt mit scharfer Kritik an der israelischen Politik gegenüber den Palästinensern zu Wort gemeldet. Dass dies dem schwadronierenden Taguieff entgangen ist, der auch noch den hinsichtlich seiner politischen oder intellektuellen Repräsentativität zweifelhaftesten Mist, den er im Internet entdeckte, lang und breit zitiert, ist schon erstaunlich. Und Rufin müsste in dem von ihm geforderten Gesetz konsequenterweise auch ein Verkaufsverbot der New York Review of Books in Frankreich verlangen, handelt es sich dabei doch eindeutig um das Zentralorgan des von ihm diagnostizierten "radikalen Antizionismus."

JOHANNES WILLMS

Aus: Süddeutsche Zeitung vom 1. Dezember 2004