Antifa-AG der Uni Hannover & Gewerkschaftsforum Hannover:


Um Basisnähe und Einheitlichkeit bei der Ausrufung des Generalstreiks zur Abwehr der Rentenreform und der Einforderung von mehr staatlicher Wirtschaftspolitik am 26.3.2004 zu demonstrieren und der Mobilisierung einen weiteren Schub zu geben, organisierten die drei großen italienischen Gewerkschaftsbünde CGIL, CISL und UIL zwei Wochen vorher zum ersten Mal seit langer Zeit wieder eine gemeinsame landesweite Generalversammlung ihrer RSU-Delegierten (d.h. der italienischen Mischung aus Betriebsräten und Vertrauensleuten). Ein Zeichen für die seit Mitte letzten Jahres zu beobachtende Wiederannäherung in der „goldenen Mitte“. Die wichtigsten Informationen und Impressionen dieser fast schon historischen Versammlung fasst die links-unabhängige Tageszeitung „il manifesto“ vom 11.3.2004 zusammen:

Es wird einen Generalstreik geben


Die Delegierten von CGIL, CISL und UIL beschließen den Termin: 26.März. Es wird ein 4stündiger in allen Sektoren, aber Schule, Universität und Post verdoppeln auf 8 Stunden. Auch in der Region Lazio und in Sizilien wird den ganzen Tag über gestreikt. Berlusconi: „Ich bin bereit, mich mit den Gewerkschaften zu treffen, aber die Rentenreform wird fortgesetzt.“


Paolo Andruccioli


Aus dem gestern von der nationalen Versammlung der RSU-Delegierten für den 26.März beschlossenen Generalstreik wird für das Bildungswesen, die Post und alle Beschäftigten der Regionen Lazio und Sizilien ein 8stündiger. Für die anderen Bereiche werden die verschiedenen lokalen und regionalen Gewerkschaftsgliederungen den genauen Zeitpunkt der 4stündigen Arbeitsniederlegung beschließen. Am 26.März werden auch die Fluggesellschaften, Eisenbahn- und Fährbetriebe (inclusive dem öffentlichen Nahverkehr) bestreikt. Auch die in den Häfen, an den Autobahnen und bei der ANAS Beschäftigten werden die Arbeit 4 Stunden lang ruhen lassen. Ebenso streiken die Bankangestellten und die Finanzbeamten. Der formelle Streikbeschluss wurde im Laufe einer sehr gut besuchten nationalen Versammlung getroffen. (Es waren mehr als 5.000 Delegierte und Gäste anwesend.) Die Spannung war auch deshalb hoch, weil es sich um eine Art von gemeinsamer Beschluss fassender Versammlung handelte, die aufgrund der tiefgreifenden Brüche zwischen den drei Gewerkschaften zu einer Anomalie geworden ist. Aufgrund einer merkwürdigen Überschneidung fand die erste gemeinsame Versammlung nach dem <nur von CISL und UIL im Mai 2002 mit Confindustria und Berlusconi-Regierung abgeschlossenen> „Pakt für Italien“ und den vielen Separatabkommen genau in dem EUR-Kongresszentrum statt, wo 1978 die berühmte „Wende“ vollzogen wurde, die die lange Phase der Lohnzurückhaltung einleitete. Eine Überschneidung, an die gestern auch der Delegierte erinnerte, der die Versammlung eröffnete. Heute sieht die Situation ganz anders aus, mit einer Gewerkschaft, die die Scherben der Einheit wieder zusammenzusetzen versucht, um einer wirtschaftsliberalen Regierung entgegenzutreten, die einem völlig falschen Rezept folgt und außerdem ihre Versprechungen gebrochen hat. Das haben gestern sowohl der Generalsekretär der CISL, Savino Pezzotta, als auch derjenige der UIL, Luigi Angeletti, klar gesagt (d.h. die beiden Gewerkschafter, die den „Pakt für Italien“ unterzeichnet haben). Pezzotta sprach von nicht eingehaltenen Versprechen und von der Notwendigkeit, die Wirtschaftspolitik neu in Gang zu bringen. Angeletti zufolge ist das Rezept der Regierung vollkommen ungeeignet, um für einen Wirtschaftsaufschwung zu sorgen. Siehe die Kürzungen der Sozialausgaben und die Privatisierungen.


Man muss die Agenda und die Prioritäten ändern“, bekräftigten alle drei Generalsekretäre. „Wir haben die Pflicht“, sagte der Generalsekretär der CGIL, Guglielmo Epifani, in seinem einleitenden Referat, „unsere Kraft, die Vertretung unserer Interessen und unsere Werte Solidarität und soziale Gerechtigkeit in den Dienst eines großen und unverrückbaren / nicht aufschiebbaren strategischen Ziels zu stellen, d.h. den Niedergang des Landes zu stoppen.“ Die Sorge über das was derzeit geschieht, ging gestern aus den Reden der Generalsekretäre deutlich hervor, aber auch aus denen der 6 Basisdelegierten, die im Laufe des Vormittages sprachen. Von Alitalia (es sprach der RSU-Delegierte Lucio Fiore) bis zum Textilsektor (Carminati Simonetta), über einen Parmalat-Betrieb in Sizilien (Caterina Provenza) und das Montefibre-Werk in Acerra (Mimmo Beneduce) und zum Ende dann mit einer prekär beschäftigten 23jährigen Lehrerin aus Mailand (Maria Pia Cardamone) sowie einer Vertreterin der römischen Rentner aus Testaccio (Sonia Montanari) wurde eine Direktaufnahme des Italiens der vielen Unternehmenskrisen und der Prekarisierung der Arbeitsformen in allen Sektoren angefertigt. Es gibt nunmehr den eindeutigen Beweis dafür, dass sich der Markt nicht „selbst regulieren“ kann und dass die Privatisierungen durchaus nicht das Allheilmittel sind, das Viele in den letzten Jahren als das Entscheidende ausgeben wollten. "Es bedarf einer radikalen wirtschaftspolitischen Wende", erklärte Epifani. "Das wichtigste Ziel muss wieder das Wachstum der Investitionen sein – der öffentlichen und der privaten." Es ist jedoch sicher, dass wir vor allem öffentliche Investitionen brauchen, wie es andererseits heutzutage alle Länder machen. Seien es nun fortgeschrittene oder Entwicklungsländer. Kurz gesagt, es bedarf – das ist die Konsequenz aus den Reden der drei Sekretäre – nicht nur einer neuen keynesianistischen Politik, „sondern etwas anderem und ehrgeizigerem. Es bedarf einer Intervention, die derjenigen beim Wiederaufbau nach dem 2.Weltkrieg vergleichbar ist“.


Auf dieser Grundlage starten die Gewerkschaften also die Mobilisierung, die nicht am 26.März enden wird. Vielmehr ist für den 3.April bereits eine Großdemonstration der Rentner in Rom vorgesehen. Nach der Streikproklamation gab es sofort eine Vielzahl von Erklärungen von derjenigen des Ministerpräsidenten <Berlusconi> in der Talkshow „Porta a Porta“ (Tür an Tür) bis hin zu jenen von <Alleanza Nazionale-Parteichef und stellvertr. Ministerpräsidenten> Fini und <Lega Nord-Arbeitsminister> Maroni. Insbesondere Fini ist es, der versucht Pezzottas Äußerung flugs aufzugreifen versucht: <Sie lautete:> Auf der Grundlage dieser unserer Vorschläge wollen wir das Gespräch mit der Regierung wieder aufnehmen. Um das Gespräch zu akzeptieren, müsste die Regierung jedoch ihre gesamte Politik über den Haufen werfen – selbstverständlich angefangen beim Rentendekret. Den Eindruck macht sie allerdings nicht.


Vorbemerkung, Übersetzung und Einfügungen in eckigen Klammern:

Antifa-AG der Uni Hannover und Gewerkschaftsforum Hannover