Antifa-AG der Uni Hannover & Gewerkschaftsforum Hannover:


In vielen Ländern Westeuropas ist eine sich verschärfende Gewerkschaftsspaltung zwischen rechteren und linkeren Branchengewerkschaften bzw. Gewerkschaftsbünden zu beobachten. Die tiefen Risse im DGB zwischen IG BCE (Chemie, Bergbau, Energie) und NGG (Nahrung, Genuß, Gaststätten) einerseits und IG Metall, IG Bau und ver.di andererseits gegenüber der “Agenda 2010” sind dafür ebenso ein Beleg wie der Bruch zwischen CFDT, CGC einerseits und CGT, FO, UNSA, SUD andererseits (aber auch innerhalb der CFDT) in Frankreich in der Rentenfrage. Wobei Separatabkommen der “kompromißbereiten und vernünftigen” Gewerkschaften zunehmend in Mode sind. Ein Lied davon singen kann die, zur CGIL gehörende, größte italienische Metallarbeitergewerkschaft FIOM, die im Mai 2003 zum zweiten Mal infolge (und diesmal in der Industrie und im Handwerk) durch separate Metalltarifverträge der FIM-CISL, UILM sowie der gelben FISMIC mit dem Metallindustriellenverband Federmeccanica isoliert wurde – wohlweißlich ohne das “Verhandlungs”ergebnis einer Urabstimmung der betroffenen Metaller zu unterziehen. Dieser Verlauf hat die FIOM auch in eine schwere innere Krise gestürzt, auf die wir demnächst detailliert eingehen werden. Bereits bevor es so weit war, beschrieb der FIOM-Generalsekretär Gianni Rinaldini in einem Interview für die linke italienische Tageszeitung “il manifesto” vom 19.2.2003 die Situation und die Pläne der Kapitalseite. Anlaß war der von der CGIL gezwungenermaßen allein durchgeführte und nur mäßig befolgte Generalstreik in der Industrie für ein stärkeres staatliches Engagement.


(Aufgrund der massiven Attacken der “anti-nationalen” Pro-Israel-Fraktion auf die Antifa-AG an der Uni Hannover, denen sich der Juso/PDS-AStA teilweise anschloß, kommen wir leider erst jetzt dazu diese Übersetzung zu präsentieren.)



“Eine Gewerkschaft, die abstempelt”


Gianni Rinaldini (Sekretär der FIOM) spricht über die Dekrete und den Streik vom Freitag.


Paolo Andruccioli


“Der Beginn der Parlamentsdiskussion über die neue Regierungsvollmacht, die auch den <mittlerweile ausgehöhlten Kündigungsschutz->Artikel 18 und die Verabschiedung des Dekretes über den Arbeitsmarkt enthält, schließen einen Prekarisierungsprozeß der Arbeit ab, der als ein wirklicher und wahrhaftiger historischer Übergang erscheint. Wie die Confindustria <d.h. der wichtigste italienische Kapitalistenverband> sagt, stehen wir vor der größten Reform der Arbeit der letzten 50 Jahre.” Gianni Rinaldini (Generalsekretär der FIOM) beginnt mit dieser Aussage seine Bewertung der <auf Parlamentsvollmachten basierenden> Dekrete der Regierung Berlusconi und der Auswirkungen, die diese auf die Arbeit und auf die Rolle und die Verhaltensweisen der Gewerkschaften haben werden.


Rinaldini, was verändert sich durch die Dekrete bezüglich der Arbeit ? Was werden die wichtigsten Auswirkungen dieser “Reform” sein ?


“Wir befinden uns am Ende eines Prozesses. Mit den Dekreten und mit dem Gesetz über die befristeten Arbeitsverträge vervollständigt sich der Massenprekarisierungsprozeß der Arbeit. Es ist klar, daß dieses Vorhaben auch die Beseitigung einer kollektiven Tarifverhandlung mit sich bringt, die diesen Namen wert ist. Weil es nicht nur noch prekarisiertere Arbeit geben wird, sondern weil sich auch eine andere Rolle der Gewerkschaft abzeichnet, die in die bilateralen Einrichtungen mit einbezogen wird, um andere Aufgaben zu erfüllen als ihre ursprüngliche Mission ist. Die Gewerkschaft ist aufgerufen, die Arbeitsverhältnisse zu bescheinigen und Dinge für die Unternehmen abzustempeln, wobei sie die Funktion einer kollektiven und tarifpolitischen Vertretung verliert. Deshalb spricht die Confindustria von einer epochalen Wende und von der größten Reform. Von diesem Standpunkt aus sollte man jedoch nicht vergessen, daß diese Stoßrichtung, die wir in den Dekreten von heute wiederfinden, bereits im Weißbuch des <Arbeits->Ministers Maroni <von der rechtspopulistischen Lega Nord> über den Arbeitsmarkt niedergeschrieben war.”


Aber welches ist der entscheidende Punkt dieses neuen Modells ? Handelt es sich nur um den Epilog einer jahrelangen Kampagne zur Flexibilisierung der Arbeit oder steckt da etwas mehr dahinter ?


“Den entscheidenden Punkt der ganzen Operation muß man in einer politischen und kulturellen Voraussetzung suchen, die den nachfolgenden Akten sicherlich zugrunde liegt. Ich beziehe mich auf das politische Projekt, das sich um die Veränderung des Begriffes der untergeordneten Arbeit <d.h. abhängigen Beschäftigung> dreht. Man will die untergeordnete Arbeit überwinden, um sie durch etwas Neues und Anderes zu ersetzen. In Wirklichkeit will man die untergeordnete Arbeit (mit all ihren entsprechenden Kennzeichen) in eine Art Verhältnis von typisch kommerzieller Natur verwandeln. Das ist ein absolut radikaler Prozeß. Und es ist auch klar, daß dieses Modell keine abstrakte Sache ist, kein momentaner Einfall, sondern die Umsetzung eines Modells, das in den USA bereits ausprobiert wurde. Es handelt sich gerade um das aus den Vereinigten Staaten nach Italien exportierte Modell von Arbeitsverhältnissen.”


Dieses Modell scheint für die aktuellen Politiken der rechten Regierungen jedoch funktional zu sein. Man möchte es sogar als das vorherrschende oder vielleicht das einzige Modell durchsetzen. Gibt es dazu alternative Wege ? Was schlägt die FIOM vor ?


“Wir sagen dazu: Nein. Aber wir haben auch unsere Vorschläge gemacht. Die Plattform für die Erneuerung des nationalen Tarifvertrages der Metallarbeiter gehört zu unseren Vorschlägen. Wir sind eindeutig gegen den totalen Prekarisierungsprozeß der Arbeit und wollen ihm die ursprüngliche Idee der Arbeiterbewegung entgegensetzen: die Idee einer kollektiven und organisierten Antwort auf die Initiativen der Gegenseite. Aber wir formulieren nicht nur prinzipielle und generelle Forderungen. Die FIOM schlägt konkret eine sehr einfache Sache vor: daß in jeder Art von Unternehmen ein bestimmter Zeitraum ab der Einstellung jedes Beschäftigten eingeführt wird, nach dessen Ablauf sein befristeter Vertrag in einen unbefristeten Vertrag umgewandelt wird. Das heißt wir stellen die Frage nach dem Recht auf Arbeit als Recht auf unbefristete Arbeit.”


Eure Plattform stößt jedoch auf die Mauer der Federmeccanica, die ihre Absicht bekräftigt hat, finanzielle Sanktionen gegen die Arbeiter zu verhängen, die am Generalstreik vom <kommenden> Freitag teilnehmen werden. Was seht Ihr für den Streik vor und was gedenkt Ihr gegen die Federmeccanica-Drohungen zu tun ?


“Ich denke, daß der Streik am Freitag gut gelingen und ein Erfolg werden wird, weil er den Diskurs über die Industriepolitik mit demjenigen über die Arbeitsmarktpolitik vereint. Wir schlagen das entgegengesetzte Rezept vor als die Confindustria und die Federmeccanica, die wie üblich auf die Reduzierung der Kosten und auf die Reduzierung der Schutzbestimmungen für die Arbeiter abzielen. Das ist die gleiche Entscheidung wie die der Regierung: die Komprimierung der Rechte und die Kürzung der Kosten.”


Was werdet Ihr tun, wenn die Federmeccanica, wie sie bereits angekündigt hat, Sanktionen verhängt, weil sie Euch beschuldigt, den Streik direkt mit der Tarifauseinandersetzung zu verbinden ?


“Das haben wir bereits am Montag in dem Brief erklärt, den wir dem Leitungsrat der Federmeccanica übergeben haben. Die FIOM weist die Anschuldigung, die Beteiligung an dem Streik mit dem Kampf um den Tarifvertrag verbunden zu haben, zurück. Wir streiken am Freitag gegen den industriellen Niedergang und für eine andere Entwicklungspolitik. Wenn die Federmeccanica ihre Sanktionen Wirklichkeit werden läßt, werden wir auf die juristischen Instrumente zurückgreifen, die das Streikrecht verteidigen. Und insbesondere werden wir auf der Grundlage von Artikel 28 Arbeiterstatut Beschwerde dagegen einlegen.”



Vorbemerkung, Übersetzung und Einfügungen in eckigen Klammern:

Antifa-AG der Uni Hannover und Gewerkschaftsforum Hannover