Antifa-AG
der Uni Hannover & Gewerkschaftsforum Hannover:
Trotz
der tief greifenden Maßnahmen, die von den neoliberalen Vordenkern in Brüssel
auf den Weg gebracht werden, sind wir von ernsthaftem und hartnäckigem
Widerstand der großen Gewerkschaftsbünde nach wie vor weit entfernt. Im größten
und fortschrittlichsten Gewerkschaftsbund Italiens – der früher PCI-nahen CGIL
– ist es nur die Metallarbeitergewerkschaft FIOM, die sich z.B. in Sachen
EU-Arbeitszeitrichtlinie darum bemüht. Die CGIL-Führung hingegen war mit dem
Bonbon gewisser Abschwächungen des ursprünglichen Entwurfes (den unter Führung
des spanischen PSOE-Europaabgeordneten Alejandro Cercas ausgearbeiteten Änderungen“)
bereits zufrieden und sah nun plötzlich sogar eine Verbesserung gegenüber dem
vorherigen Zustand. Der folgende Artikel aus der unabhängigen linken
Tageszeitung „il manifesto“ vom 12.5.2005 fasst die
gegensätzlichen Auffassungen zusammen. Wobei er dadurch besondere Brisanz
erhält, dass die beiden Hauptvertreter dieser konträren Positionen bislang
zugleich die beiden führenden Exponenten der CGIL-Linken waren. Eine Tatsache,
die sich derzeit ändert, da CGIL-Sekretariatsmitglied Giampaolo Patta
(politisch ehemals ein Führungsmitglied von Democrazia Proletaria und heute der
Rechtsabspaltung von Rifondazione Comunista – dem PdCI) und mit ihm die Mehrheit
der auf dem letzten Gewerkschaftskongress für die Linke in die verschiedenen
Vorstände gewählten Funktionäre nicht nur mit der Arbeitszeitrichtlinie seinen
Frieden gemacht hat, sondern auch mit der sozialpartnerschaftlichen Linie der
CGIL-Spitze unter Guglielmo Epifani. Daher bemüht sich die Nr.2 der FIOM, Giorgio
Cremaschi (politisch Mitglied von Rifondazione Comunista) mit den Resten
des linken CGIL-Flügels gegenwärtig um die Reorganisation desselben, nicht
zuletzt mit Blick auf den für 2006 geplanten nächsten Gewerkschaftstag.
EU-Arbeitszeitrichtlinie: Die CGIL
billigt sie, die FIOM lehnt sie ab
Patta (CGIL): „Schluss mit dem
Aufbrechen der Errungenschaften.“
Cremaschi (FIOM): „Straßburg
beseitigt die wirtschaftliche Ausprägung nicht.“
Das gestrige Votum in Straßburg über
die Arbeitszeit stellt die CGIL zufrieden, gefällt der FIOM allerdings nicht:
„Nur abschwächende / versüßende Änderungen. Arbeitszeiten liberalisiert.“
MANUELA CARTOSIO
Für die CGIL ist es ein
„großer Sieg“. Für die <CGIL-Metallarbeitergewerkschaft> FIOM hingegen „gibt es nichts zu feiern“. Was die
gestern in 1. Lesung vom Europaparlament gebilligte Arbeitszeitrichtlinie
anbelangt, bewegen sich Gewerkschaftsbund und Metallarbeiter auf sehr
unterschiedlichen Wellenlängen. Der Verantwortliche des Europa-Sekretariats der
CGIL, Giampaolo Patta, läutet die Festtagsglocke: „Die Versuche der von Barroso
geleiteten EU-Kommission, die Arbeitszeit zu intensivieren und zu verlängern,
sind gescheitert. Der Möglichkeit, zu individuellen Abkommen zu greifen, um die
gesetzliche Arbeitszeit zu verlängern, wird eine Grenze gesetzt und die
Souveränität des nationalen Tarifvertrages in Sachen Arbeitszeit
hervorgehoben.“ Indem es die „Cercas“-Änderungen verabschiedete, habe das
Straßburger Parlament ein starkes politisches Signal ausgesendet: „Schluss mit
dem Aufbrechen der in den verschiedenen Ländern der Union existierenden
Errungenschaften nach unten durch die europäischen Institutionen.“ Giorgio
Cremaschi (Mitglied des FIOM-Sekretariats) sieht das Glas fast leer: „Wir
hatten die Streichung der vier verheerenden Punkte der Barroso-Richtlinie
verlangt. Der Cercas-Kompromiss hat diese vier Punkte abgeschwächt / versüßt,
sie aber nicht beseitigt. Sie gehen durch die Tür hinaus, aber ihre Effekte
könnten durch das Fenster wieder hineinkommen. Deshalb halten wir an einem
stark negativen Urteil fest. Da die Nicht-Rücktritts-Klausel gilt, werden wir
dafür kämpfen, dass diese Normen in Italien nicht angewandt werden.“
Sabina Petrucci
(Verantwortliche des Europa-Büros der FIOM) erklärt das negative Urteil im
Detail. Die Möglichkeit, drei Jahre lang mit dem individuellen Opting out
zu experimentieren, könne nicht als ein großer Sieg ausgegeben werden.
Allenfalls ähnele es „einem Pyrrhussieg“. In Bezug auf die Bereitschaften“ geht
der Cercas-Kompromiss, indem er die Unterscheidung von aktiven und inaktiven
Stunden akzeptiert, hinter drei Urteile des Europäischen Gerichtshofes zurück,
denen zufolge alle Bereitschaftsstunden effektive Arbeitszeit sind. Was die 48
Wochenstunden auf Jahresbasis anbelangt, ist das Verlagern dessen auf die
nationalen Tarifverhandlungen „nur zum Lachen“. Der nationale Tarifvertrag
existiert nur in Italien und in Deutschland. In den anderen Ländern wird
Unternehmen für Unternehmen oder für bestimmte Berufe verhandelt.
Zusammengefasst: Trotz der abschwächenden Änderungen bleibt die gestern
gebilligte Richtlinie eine wirtschaftsliberal geprägte, die die Zeit der
Menschen den Unternehmen „zur Verfügung stellt“ und die Rolle der Gewerkschaften
zu einer Nebenrolle macht.
Wir konfrontieren Patta mit
diesen Einwänden und das Ergebnis ist dieses: „Die Genossen der FIOM haben
nicht begriffen, was gestern in Straßburg verabschiedet wurde.“ Die Cousins von
den Metallarbeitern vergäßen, dass eine europäische Arbeitszeitrichtlinie seit
1993 existiert. Das sei keine gute, doch Italien habe sie vor drei Jahren gegen
den Willen von CGIL, CISL und UIL übernommen. Der italienische Tarifvertrag der
Textilarbeiter(innen) kalkuliere – um ein Beispiel zu geben – die 48 Stunden
auf Jahresbasis. Die Barroso-Kommission habe die Absicht gehabt, die bereits
schlechte Richtlinie von `93 noch weiter zu verschlechtern. „Das ist mit 90
Stimmen Unterschied gestoppt worden. Mir erscheint das als ein Erfolg.“ Sicher,
gesteht Patta ein, der CGIL fände es gut, wenn die Richtlinie von `93 zum
Besseren verändert würde. Auf der Tagesordnung habe aber nun mal das Gegenteil
gestanden.
Cremaschi lässt nicht
locker: Die Richtlinie von `93 „ist verschlechtert worden“. Das Opting out
könne in allen Ländern drei Jahre lang ausprobiert werden – „genau wie es
Berlusconi mit dem <Kündigungsschutz-> Artikel 18 machen wollte“. In Sachen Arbeitszeit ist
– so behauptet das Sekretariatsmitglied der FIOM – die gemeinsame Ansicht von
`97, dass sich die CGIL irrt. Den gestern in Straßburg verabschiedeten Text als
positiv zu beurteilen, bedeutet, dass man „auf dem Fehler beharrt“. Wenn
Mindestrechte festgelegt werden, die „vielleicht“ in Polen gelten, sei das Ergebnis,
dass in den anderen Ländern die durchschnittlichen Rechte reduziert werden.
„Diese Richtlinie ist eine große Hilfe für <den Metallindustriellenverband> Federmeccanica. Zumindest das wird mir der
Genosse Patta zugestehen.“
Die italienischen Europaabgeordneten
der Mitte-Linken haben den Cercas-Änderungen gestern in Straßburg
zugestimmt. Der Partito della Rifondazione Comunista (Partei der
Kommunistischen Neu/be/gründung – PRC) hat sie – bei der Enthaltung von
Luisa Morgantini – abgelehnt, da er sie für „einen substantiellen Schritt
zurück“ hält. <Die
im wesentlichen aus dem ehemaligen neofaschistischen MSI hervorgegangene> Alleanza Nazionale (AN) hat sich
gespalten und die <über
gute Kontakte zum christdemokratischen Gewerkschaftsbund CISL verfügende
rechtschristdemokratische> UDC
dafür gestimmt. Forza Italia, der die Barroso-Version der
Direktive sehr gefiel, schlägt laute Töne gegen das „bürokratische“ Europa der
Linken an, die – mit der Unterstützung eines Teils der Mitte-Rechten – „die
Linie der weiteren Kosten und der Überreglementierungen durchsetzt und dabei
die Erfordernisse der Märkte vergisst“.
Vorbemerkung,
Übersetzung und Einfügungen in eckigen Klammern:
Antifa-AG der Uni
Hannover und Gewerkschaftsforum Hannover