Antifa-AG der Uni Hannover:
Anläßlich des Parteikonventes der israelischen Arbeitspartei,
die der “Nationalen Koalitions”-Regierung unter Führung Ariel Sharons
angehört und darin u.a. mit Ben Eliezer den Kriegsminister stellt
(das heißt für den Besatzungsterror und die Ermordung führender
palästinensischer Politiker, aber auch für die rechte Wirtschafts-
und Sozialpolitik, direkt mitverantwortlich ist), schrieb der Dozent für
Soziologie und Dekan des Fachbereiches Politik und Öffentliche Verwaltung
am Sapir College der Jüdischen Universität von Jerusalem, Zvi
Schuldiner, den nachfolgenden bissigen und zum Teil zynischen Kommentar
für die linke italienische Tageszeitung “il manifesto”. Wobei der international
renommierte Schuldiner, der nebenbei auch regelmäßig Beiträge
für linke Zeitungen wie “il manifesto" oder die schweizer Wochenzeitung
"WoZ" verfaßt, beileibe kein Revolutionär ist. Seine bissige Bewertung
der israelischen Variante der “Neuen Mitte” und ihrer bitteren Früchte
erklärt sich vielmehr gerade aus seinem Festhalten an klassischen sozialdemokratischen
und pazifistischen Positionen und seiner Abneigung gegen die völlige
Korrumpiertheit der Arbeitspartei. Der Kommentar erschien in “il manifesto”
vom 4.7.2002.
(Er wurde von ihm in italienischer Sprache verfaßt und daher nur einmal
- nämlich von uns - übersetzt !)
Israel / Palästina:
Die Mitglieder der israelischen
Arbeitspartei auf dem Karren von Sharon
Zvi Schuldiner
Ein großer Führer. Ein Kandidat für den Führungsposten.
Wer wird der Charismatischste sein ? Wer wird die Partei bei den nächsten
Wahlen führen ? Parteikonvent. Labourismus. Um was handelt es
sich ? Um eine politische Partei ? Oder um ein Anhängsel
von Sharon ? Nein, genug des Zynismus ! Es handelt sich um die
Partei, die uns vor den zahllosen Tragödien rettet. Dank des israelischen
Labourismus sind die Probleme der Sicherheit mit Verantwortung und Augenmaß
angegangen worden. Dank des verehrten Herrn Verteidigungsministers sind große
Fehler verhindert worden, verteidigt man das Vaterland, verhindert man den
Terrorismus, rettet man Leben, zügelt man die Rechte und jetzt zerstört
man sogar illegale Siedlungen.
Oder auch nicht.
Ist dies nicht der Verteidigungsminister, der sich stammelnd hinter dem Premierminister
Sharon und dessen Politik herschleppt ? Ist dies nicht der Labourismus,
der einer aggressiven Regierung, die dabei ist, den Terror und die Zerstörung
in den besetzten Gebieten auszuweiten und jedwede Möglichkeit eines
wirklichen Friedens liquidiert, als trauriges Anhängsel oder als kriminelles
Alibi dient ?
Ben Eliezer glaubt, daß alle dumm sind. Vielleicht sind es seine blinden
Unterstützer. Doch er ist der Verantwortliche für die kriminelle
Politik der Armee. Und unter seinen Augen wachsen Dutzende neuer Siedlungspunkte.
Und in diesem Jahr, in dem Sharon und seine Regierung uns Sicherheit und
Frieden versprochen hatten, sind ca. 500 Israelis und über tausend Palästinenser
getötet worden. Er ist der Pazifist, der über eine Million Palästinenser
unter Ausgangssperre hält. Pazifist in Worten - Kriegstreiber in der
Realität. Die politische Mäßigung, die die Angehörigen
der Arbeitspartei in die Regierung brachte, hat eine Eskalation dargestellt
(die Liquidierung jeder politischen Option ) und Ben Eliezer läßt,
um eine gute Figur zu machen, zehn nicht existente Siedlungen “abbauen”.
Reine Farce.
Ein trauriger Konvent einer Partei, die ihren politischen Horizont verloren
hat und sich hinter den Ereignissen herschleppt. Ben Eliezer verkündet,
daß das Volk die Einheit will und daß er seinen Posten solange
nicht verlassen wird, wie es Leben zu retten gibt - durch die Mauern, die
er zwischen Israel und den Palästinensern baut.
Wann wird er die Regierung verlassen können ? Wird die Situation
durch diese Politik in einem Jahr besser und die Mauer gebaut sein ?
Ein demagogischer Ben Eliezer sieht sich jetzt einem großen Rivalen
gegenüber: dem charismatischen Haim Ramon. Ramon, der früher gemäßigter
<= weiter rechts> als Ben Eliezer war, hat sich nun in einen “Realisten”
verwandelt. Es gibt keine unmittelbaren Möglichkeiten zum Frieden und
deshalb ist es nötig, eine Große Mauer zwischen Israel und den
Palästinensern zu bauen. Ramon stoppt hier, während Ben Eliezer
nun von zwei Staaten (Israel und Palästina) spricht. Aber gleichzeitig
behauptet er die Notwendigkeit in der Regierung zu bleiben.
Wenn der Leser verwirrt ist, so ist das nicht meine Schuld. Der Labourismus
ist ein Haufen Verwirrter, die jeden ideologischen Begriff verloren haben,
die nicht wissen, welches der Weg ist, die sich von Sharon an der Nase herumführen
lassen. Die einzige Sache, die sie klar haben ist, welches die angemessenen
<Minister->Sessel für ihre schmerzenden Hinterteile sind. Der
Wind der Regierungskoalition mit ihren Vorteilen und Pfründen ist der
beste Führer zu ihren Taten, ist der Kompass, der ihrem Verhalten die
Richtung gibt. Und wenn die Dinge nicht ganz so gut laufen, kann man tief
leiden. So wie es die traurige Figur des Nobelpreisträgers und Außenministers
Peres erahnen läßt - ein Statist mit Prestige, der die Welt (zumindest
für 30 Sekunden) vergessen läßt, was das wahre Wesen des
Premierministers Sharon ist.
Die Wirtschaftskrise vertieft sich, aber die Partei sagt nichts oder fast
nichts. Im besten Fall werden sie versuchen, einige propagandistische Tagesparolen
herauszuposaunen, aber die ähneln denen des Likud und wie Rivalen unterstützen
sie das Modell des freien Marktes bedingungslos. Und auch der Auftritt des
Ex-Premiers Barak dient zu nichts anderem als der Bestätigung, das grundsätzlich
nur die persönlichen Konflikte die Parteiaktivisten ernsthaft quälen.
Barak fordert, daß man den Kandidaten unterstützt und daß
man ihm nicht das Leben schwer macht. Im Grunde will er sicherstellen, daß
bei den kommenden Wahlen Ben Eliezer und kein charismatischer alternativer
Führer der Kandidat der Arbeitspartei wird. Dies wird es Barak erlauben,
nach dem erwarteten Scheitern Ben Eliezers ans Ruder der Partei zurückzukehren.
Ben Eliezer zeigt seine starke Seite: Er beherrscht den Parteiapparat. Seine
Unterstützer verstehen es Lärm zu machen und kontrollieren die
Schlüsselpositionen. Das bedeutet, daß für den Moment die
Möglichkeiten zu einem ernsthaften Wechsel wirklich gering sind. Der
Labourismus sagt nichts Neues. Schlimmer noch, er verfügt nicht einmal
über einen Führer, der fähig ist der Partei und den Israelis
zu sagen, wie die wirkliche Situation des Landes aussieht. In welches Desaster
uns die Regierung der Nationalen Koalition führt, an der sie beteiligt
ist. Sie lesen die Umfragen und auf der Grundlage dieser beschließen
sie die Position. Sie wissen dennoch nicht, daß Israel - vielleicht
- auf jemanden wartet, der es versteht, das Land auch im Widerspruch zu den
letzten Meinungsumfragen zu führen. Sie machen sich nicht klar, daß
nur die Partei, die eine wirkliche Alternative in Sachen Frieden, Wirtschaft
und Sozialpolitik anbietet, die Demagogie Sharons besiegen kann, der - wie
1982 - Israel weitere Kriege bringt.
Vorbemerkung, Übersetzung und Einfügungen in eckigen Klammern:
Antifa-AG der Uni Hannover