Antifa-AG
der Uni Hannover:
Was eignet sich besser für ein Resümee
und einen Ausblick als das Jahresende. Marco Ferrando,
führender Kopf der entschiedensten Strömung des
linken Flügels von Rifondazione Comunista
(PRC), dem linkstrotzkistisch ausgerichteten „Progetto
Comunista“, der 6,5% der 95.000 PRC-Mitglieder
vertritt, tat dies bereits in der unabhängigen linken Tageszeitung „il manifesto“ vom 19.11.2005 mit Fokus auf dem
Entwicklungsweg der italienischen Linken. Pünktlich zum Jahreswechsel hier die
deutsche Übersetzung:
DISKUSSIONSBEITRAG:
Wohin geht die
italienische Linke?
MARCO FERRANDO
(Sprecher
von Progetto Comunista – PRC-Linke)
Die Vorwahlen <der Mitte-Linken zur Kür ihres
Spitzenkandidaten Romano Prodi für die
Parlamentswahlen Anfang April 2006>
sind vorbei und die gesamte italienische Situation scheint sich in Richtung
einer Perspektive der Alternanz <d.h. des periodischen
Regierungswechsels ohne große inhaltliche Unterschiede> zu entwickeln. Einer Perspektive, die einerseits den
vorangegangen Druck einer Phase von Kämpfen nutzt und andererseits immer mehr
auf einem Programm beruht, das konträr zu den Beweggründen dieser Phase ist.
Die Führungen der Linken in der Mitte-Links-Union versichern weiterhin: „Das
Programm kommt und wir werden es von links beeinflussen.“ Die Tatsachen
entwickeln sich allerdings in die entgegengesetzte
Richtung. Prodi hat nicht nur den Verzicht auf den
sofortigen Rückzug aus dem Irak angekündigt, sondern auch die Fortsetzung der
übrigen Militärmissionen. <Linksdemokraten (DS)-Generalsekretär> Fassino hat einer
applaudierenden Versammlung von Spitzenvertretern der Streitkräfte eine
Erhöhung der Verteidigungsausgaben versprochen. Die gesamte Mitte der
Mitte-Links-Union marschierte bei einer reaktionären Pro-Sharon-Demonstration
in der ersten Reihe, die von einer Kriegsregierung initiiert wurde. Die <lokalen> Regierungen des Piemont und Bolognas stellen, mit
öffentlicher Unterstützung der Rechten, die „Law
and Order“-Politik
zur Schau. Bedarf es weiterer Belege?
Prodi selbst hat behauptet, dass seine zukünftige
Regierung auf dem Gebiet der Haushaltssanierung eine „Schocktherapie“
für das Land durchführen werde: „Ich habe keine Partei und ich muss deren
Last nicht tragen. Das bedeutet, dass ich viele Leute unzufrieden machen kann.
Es reicht aus, Alle sofort ein bisschen unzufrieden zu machen, um das in der
restlichen Legislaturperiode dann wieder wettzumachen.“ Mit dieser
Erklärung in der <FIAT-eigenen Tageszeitung> „La Stampa“ hat Prodi
den realen Kodex des künftigen Regierungsprogramms und den Sinn der Vorwahlen
erläutert. „Der Mann ohne Partei“ hat eine plebiszitäre Inthronisierung
versucht und erreicht, die er nutzen kann. Nicht nur um heute sein Kommando zu
stärken, sondern auch um morgen mit ruhigem Pulsschlag jene Entscheidungen
treffen zu können, die mit der Massenbasis der Mitte-Links-Union kollidieren.
Es wird der Einwand erhoben,
dass Prodi – im Unterschied zu Rutelli <dem führenden Vertreter der
Margerite, d.h. des rechten Flügels der Mitte-Linken> – sehr genau auf die Beziehungen zur Linken des
Bündnisses achtet. Sehr richtig. Aber das ist kein Widerspruch. Je stärker das
angekündigte Programm der Partitur der „Schocktherapie“ folgt, desto
mehr wird es einen politischen und sozialen Stoßdämpfer auf der Linken
benötigen. Prodi hätte keine Chance, das Programm,
das ihm die Bankiers Norditaliens vorgeben (die nicht zufällig zu den Ersten
gehören, die ihn wählen wollen), durchzusetzen, ohne – vor allem mit der CGIL <d.h. der größten und zugleich
fortschrittlichsten der 3 großen Gewerkschaftszentrale des Landes> wieder ein sozialpartnerschaftliches Verhältnis herzustellen.
Und er kann die Sozialpartnerschaft nicht wiederherstellen, ohne die politische
Partnerschaft der Linken zu erreichen.
„Aber die Linken werden
sich in der Regierung Gehör verschaffen“, wird eingewendet. Leider befürchte ich, dass diese Argumentation auf
den Kopf gestellt wird. Wenn die Linken sogar angesichts der Treueschwüre
gegenüber den USA und der Verneigung vor den militärischen Hierarchien
weiterhin gesenkten Hauptes ihre Stellung in der Union beibehalten; wenn sich
die Linken selbst angesichts von Knüppeleinsätzen <der Polizei> gegen Arbeiter, Bewegungen und … Kreisvorsitzende <ihrer eigenen Parteien> weiterhin an die Regierungen des Piemont und
Bolognas klammern, aus welchem Grund sollten sie dann nach den Wahlen mit ein
paar Ministern in der Regierung Unnachgiebigkeit und die Fähigkeit zur
Einflussnahme zurückgewinnen? Das Gegenteil trifft zu. Wenn ersteinmal
eine unnatürliche Regierungsallianz mit der liberalen Mitte und mit den starken
Mächten <d.h. den
bürgerlichen Machtzentren>, die sie
unterstützen, besiegelt ist, hat man die schiefe Bahn der Kapitulation bereits
beschritten. Das zeigt die Erfahrung aller Mitte-Links-Regierungen weltweit
ohne Ausnahme – von Brasilien bis nach Indien. Schwer, sich ein anderes
Ergebnis für eine Regierungsallianz hier in Italien mit Prodi,
Rutelli und Fassino vorzustellen.
Kann man diesen Abstieg
umkehren? Kann man noch immer eine politische Perspektive zurückgewinnen, die
darauf abzielt Berlusconi vonseiten der Werktätigen (lavoratori)
und nicht vonseiten der Industriellen und Bankiers aus (gegen die Werktätigen
gerichtet!) zu stürzen? Ich habe den Eindruck, dass man das noch kann. Aber
alles hängt von den politischen Entscheidungen der italienischen Linken ab.
Will sie weiter die Positionsrendite als Linke der Mitte-Links-Union pflegen
und den Schemel für den Liberalismus darstellen oder will sie mit der Mitte
brechen, ihre Kräfte um einen autonomen und alternativen Pol herum vereinen und
die Energien der Bewegungen gegen die Regierung Berlusconi, die heute durch die
<Frage der> Vereinbarkeit mit der Mitte-Links-Union gefangen
gehalten werden, endlich befreien? Von der Antwort auf diese Frage wird für das
künftige politische Szenario des Landes nicht wenig abhängen.
Vorbemerkung, Übersetzung und Einfügungen in eckigen
Klammern:
Antifa-AG der
Uni Hannover