Antifa-AG der Uni
Hannover & Gewerkschaftsforum Hannover:
Zu der
erfreulich deutlichen Niederlage von Berlusconis regierendem Rechts-Bündnis bei
den Kommunal- und Regionalwahlen vom 3./4.April 2005 sendete das linke römische
Radio Città Aperta (Radio Offene Stadt) am 6.April 2005 den
folgenden Kommentar, der weite Kreise zog und z.B. auch von der linken
Zeitschrift „Contropiano“ auf die eigene Homepage (www.contropiano.org) gestellt wurde.
Radio
Città Aperta ist in Rom und der Region Lazio auf 88,900 Mhz zu empfangen und
findet sich im Internet unter www.radiocittaperta.it/
Die entscheidenden Faktoren dieser
Wahlen
Die Ergebnisse der
Regionalwahlen sind tröstlich. Zumindest bis zu den nächsten Wahlen.
Wir haben versucht, eine
Einschätzung schematisch nach Faktoren geordnet zu entwerfen, die wir unseren
Hörern und Lesern gern vorlegen möchten. Gehen wir der Reihe nach vor,
allerdings in umgekehrter alphabetischer Reihenfolge, was die Priorität
anbelangt.
Der Faktor C
Die soziale Krise (Crisi) im
Lande ist mittlerweile schwerwiegend und geht über die „Wahrnehmung“ weit
hinaus. Die Verschärfung der Lebensbedingungen der Familien, der Erwerbstätigen
und der Rentner ist durch die Kontrolle der Fernsehsender nicht mehr
manipulierbar. Die Wirklichkeit wirkt wieder schwerer als die verfälschten
Wahrnehmungen, die der Soziologe Filippo Viola als „die abstrakte Gesellschaft“
bezeichnet.
Im Zentrum des politischen
Szenarios werden wiederum diejenigen Kräfte belohnt, die sich bei den
Ausschlägen des bipolaren Pendels immer in der Mitte anordnen. Die Wahlen
belohnen das Projekt Prodis und <des Linksdemokraten (DS)-Generalsekretärs> Fassino, aber auch die <christdemokratisch-klientelistische> UDEUR von Mastella im Süden.
Der Faktor B
Berlusconi hat die Wahlen verloren, die faktisch zu
einem Referendum über seine Regierung geworden sind. Vom Piemont bis nach
Apulien hat die reale Mehrheit des Landes erklärt, dass sie das, was Massimo
Giannini das berlusconianische Fantasyland genannt hat, als aufgebraucht
betrachtet. Das Ergebnis in Apulien <wo die Mitte-Linke überraschend mit dem Rifondazione
Comunista-Vertreter Nichi Vendola an der Spitze gewann und das sogar mit einer
absoluten Mehrheit im ersten Wahlgang>
ist dabei das Aufsehen erregendste. Die – bereits verschlissene –
Regierungskoalition muss sich jetzt mit einer Krise herumschlagen, die dazu
führen könnte, dass sie den natürlichen Ablauf des Mandats im Jahr 2006 nicht
erreicht.
Bossi <der Führer der rechtspopulistischen Lega Nord> hat seine regionale Macht bestätigt. Nur im Bereich
Lombardei – Venetien ist es gelungen, den Stimmeneinbruch der Mitte-Rechten,
dank der Lega-Stimmen in Grenzen zu halten. Den Preis für diese Beständigkeit
der Lega mussten die Regierungskräfte allerdings im gesamten übrigen Land
bezahlen, wo die Provokationen der Lega mittlerweile als unerträglich angesehen
werden.
Bertinotti <der Parteisekretär von Rifondazione Comunista – PRC> verliert mehr als 400.000 Stimmen und bezahlt sein
Projekt der autoritären Durchsetzung der regierungsorientierten Wende in einer
Partei, die den sozialen Kämpfen Priorität einräumen will, teuer. Der auf dem
letzten Parteitag <Anfang
März 2005 in Venedig> durchgesetzte
neue Kurs und der Bruch mit den sozialen Bewegungen, die in die Wende hin zu
moderaten Positionen weniger integrierbar sind, haben es nicht erlaubt, die
Positionsrendite der vergangenen Jahre einzufahren.
Der Faktor A
Die Erklärungen des
EU-Kommissars Almunia darüber, dass das öffentliche Defizit Italiens
oberhalb dessen liegt, was die europäischen Verträge erlauben, räumen nicht nur
mit den Buchhaltungstricks der Regierung Berlusconi auf, sondern bilden auch
eine Belastung für die Zukunft. Das ist eine Beunruhigung und eine Botschaft an
die nächste Regierung. Die Sorge ist, dass Prodi im großen Stil die Politik der
Opfer und der finanziellen Sanierung zum vollen Vorteil der starken Mächte und
zum vollen Nachteil der breiten Massen wieder aufnimmt.
Und nicht nur das. Die
europäische Eskalation in Richtung militärischem Interventionismus und die
Erhöhung der Verteidigungsausgaben ist bereits jetzt zu deutlich und zu
besorgniserregend.
Die Botschaft lautet, dass
die Barrikaden gegen eine solche Perspektive innerhalb der Mitte-Linken
entweder ab sofort von den linken Kräften errichtet werden, die bei diesen
Wahlen belohnt (PdCI und Grüne) oder verwarnt (PRC) wurden, oder die sozialen
Bewegungen, die in diesen Jahren der frontalen Auseinandersetzung mit
Berlusconi, mit der Kriegsregierung und der wirtschaftsliberalen Politik mit
Nachdruck entstanden sind, dies – in vollständiger Unabhängigkeit – übernehmen
müssen.
Wir möchten nicht, dass sich
– wie man in der Mathematik sagt – die Faktoren ändern…, aber das Produkt das
gleiche bleibt.
Genießen wir die Niederlage
der Rechten, aber setzen wir uns zugleich dafür ein, sie in einen Sieg der
Linken zu verwandeln.
6.April
2005
Vorbemerkung,
Übersetzung und Einfügungen in eckigen Klammern:
Antifa-AG der Uni
Hannover und Gewerkschaftsforum Hannover