Antifa-AG der Uni Hannover:

 

Die vier linken Minderheitsströmungen innerhalb von Rifondazione Comunista (PRC) vertreten zwar zusammen 41% der Parteimitglieder, eine ernsthafte Bedrohung für die Parteiführung unter Fausto Bertinotti und ihren Kurs der praktischen und ideologischen Anpassung an die Mitte-Linke sind sie jedoch nicht. Zum einen weil der größte Teil von ihnen (die traditionalistische Strömung „Essere Comunisti“ / Kommunisten sein um die Zeitschrift „l’Ernesto“ und die weitgehend mit der italienischen Sektion der IV.Internationale identische „Sinistra Critica“ / Kritische Linke um die Zeitschrift „ERRE“, ehemals „Bandiera Rossa“, die zusammen 33,5% der PRC-Mitglieder vertreten) seit jeher eine zwar wohlmeinende, aber sehr „loyale“, d.h. brave, Opposition sind. Zum anderen weil sie sich angesichts des guten Wahlergebnisses von Rifondazione derzeit in der Defensive befinden. (Bei den Senatswahlen steigerte sich Rifondazione von 1,7 auf 2,5 Millionen Stimmen, d.h. von 5,1% auf 7,4%.) Nebenbei dürfte auch die Tatsache, dass ihre führenden Köpfe zu den zahlreichen neuen PRC-Abgeordneten und –Senatoren zählen (insgesamt wurden 53 Parlamentssessel hinzugewonnen), ihre Kritik etwas gemildert haben. Genau diese Tendenz stellte nämlich die Nachrichtenagentur APC in ihrem Bericht vom 12.4.2006 über die Stellungnahme der innerparteilichen Opposition zum Wahlausgang fest. Anlass war die Sitzung der Nationalen Leitung des PRC. Wir entnahmen den Text der Website: www.lernesto.it

Unerwähnt bleibt darin die kleinste Oppositionsfraktion um die Zeitung „Falce e Martello“ (Hammer und Sichel), die trotzkistisch ausgerichtet ist und sich an Ted Grant und Alan Woods orientiert, sowie die Hälfte des Progetto Comunista (Kommunistisches Projekt), die sich vor wenigen Tagen unter Führung von Francesco Ricci und Fabiana Stefanoni von der neuen Regierungspartei Rifondazione Comunista abgespalten hat und nun die Gründung einer neuen KP betreibt. Eine Wahlanalyse der ersteren findet sich unter www.derfunke.at und die Position der Letzteren werden wir hier in Kürze anhand übersetzter Dokumente vorstellen.

 

Beratung der nationalen PRC-Leitung über das Ergebnis der Parlamentswahlen:

 

Die Minderheiten machen sich Gedanken über die Regierung

 

Fausto Bertinottis neue Linie, „vor allem die Regierung der <Mitte-Links-> Union in Hinblick auf die Gefahr einer Großen Koalition zu überwachen, um den Prozess der Alternative zu ermöglichen“, überzeugt die parteiinternen Minderheiten des PRC nicht voll, die sich in der gestern zur Analyse des Ergebnisses der Parlamentswahlen zusammengetreten Nationalen Leitung <allerdings> nicht sonderlich kämpferisch zeigten. Der Führer der Minderheit um die Zeitschrift „Ernesto“ <die 28% der PRC-Mitglieder vertritt>, Claudio Grassi, der bei den Wahlen am 9. und 10.April <zum Senator> gewählt wurde, zeigt sich, was die künftige Regierung der <Mitte-Links-> Union anbelangt, „weniger optimistisch als Bertinotti“. Der ebenfalls ins Parlament <allerdings in die Abgeordnetenkammer> gewählte Sprecher der „Sinistra Critica“ (Kritischen Linken), Salvatore Cannavò, beklagt einen plumpen Wahlkampf der Union und fordert „das politische Profil inhaltlich zu radikalisieren, um der Gefahr einer Großen Koalition zu begegnen“. Der Härteste ist der trotzkistische Führer des Progetto Comunista (Kommunistisches Projekt), Marco Ferrando, der vor einigen Monaten <wegen seiner Verteidigung des bewaffneten irakischen Widerstandes gegen die Besatzungstruppen von Parteichef Bertinotti> von den Kandidaturen ausgeschlossen wurde.

 

„Ich bin, was die Zukunft anbelangt, etwas weniger optimistisch als Bertinotti“, sagt Grassi. „Ich weiß nicht, wie lange eine von tiefen Widersprüchen durchzogene Koalition mit einem derart kümmerlichen Wahlergebnis halten kann. Sie wird einem objektiven Stress ausgesetzt sein.“ Grassi sieht „eine, aufgrund des Wahlergebnisses, des wirtschaftlichen Notstands (samt dem Druck der starken Mächte), einer immer besorgniserregenderen internationalen Lage und des institutionellen Staus, der in diesen Tagen verursacht wird, durch politische Unsicherheit beherrschte politische Situation.“

 

Der Führer von „Ernesto“, der größten Minderheit des PRC, schlägt vor, „die stattfindende Offensive der Großen Koalition, die der Feind Nr.1, inakzeptabel und unpraktikabel ist, zurückzuschlagen; zu fordern, dass Rifondazione über eine starke institutionelle Sichtbarkeit verfügt <d.h. hohe Posten besetzt !>; die Beachtung der Ablehnung einer Wirtschaftspolitik der zwei Geschwindigkeiten <d.h. nicht zunächst große Opfer für die Lohnabhängigen und dann irgendwann ein paar „Wohltaten“> zu verlangen; und sofort den Rückzug der italienischen Truppen aus dem Irak umzusetzen.“

 

Cannavò zufolge „hat“ die <Mitte-Links-> Union „das grundlegende Ziel nicht erreicht. Es ist nicht gelungen, den Berlusconi-Block zu schlagen und das, weil er stark ist, aber auch aufgrund der im Wahlkampf begangenen Fehler. Während es Berlusconi gelingt, sein Italien zu erzählen <d.h. darzustellen>, fehlt der Union ein Erzähler, der in der Lage ist, den Kampf um die Hegemonie bis zum Letzten zu führen.“ Außerdem kritisiert Cannavò Bertinottis Ausführungen über das Verhältnis von Alternanz <d.h. substanzlosem Wechsel> und Alternative zur Verhinderung einer Großen Koalition als „tückisch“.

 

„Die große Koalition“ – sagt der Sprecher der Sinistra Critica – „ist auf der inhaltlichen Ebene eine der Varianten der Alternanz. Die einzige Möglichkeit, ihr zu begegnen, ist die Radikalisierung des politischen Profils durch radikale Inhalte. Ich habe allerdings Angst, dass das Binom Alternanz-Alternative Gefahr läuft, uns zu einer Politik der zwei Geschwindigkeiten zu bringen. Nach dem Motto: Überwachen wir erst die Alternanz und verwirklichen wir dann die Alternative. Ich schlage nicht vor, mit der Union zu brechen“ – unterstreicht er – „aber wir müssen bei den Inhalten bleiben und dürfen nicht der Koalitionsbindung den Vorrang einräumen.“

 

Ferrando zufolge „stehen wir vor einem Regierungsszenario, das uns als Alternanz-Szenario präsentiert wird. Es handelt sich um ein ausdrückliches politisches Bekenntnis des Parteisekretärs“ <Bertinotti>, sagt der trotzkistische Führer. „Man versucht allerdings die Partei davon zu überzeugen, dass die Alternanz, unter dem Druck von Rifondazione, das Kennzeichen einer Alternative annehmen kann. Das wäre das Wunder der österlichen Wiederauferstehung. In aller Welt schauen wir auf das Beispiel Lula in Brasilien. Die Alternanz steht der Alternative entgegen.“ Dann sagt Ferrando, dass ihm nicht klar sei, was der „Geist der Union“ sei. „Ich verstehe die Wurzel dieses potentiell alternativen Geistes nicht“, unterstreicht er. „Ich sehe nur Spielraum für einen fortschreitenden Kompromiss auf programmatischem Gebiet. Ergebnis ist, dass man Gefahr läuft, dem Berlusconismus und nicht der Alternative zu einem neuen Aufschwung zu verhelfen.“

 

Ferrando verzichtet nicht auf seine Idee: „Die Linken müssen ihre Kräfte für eine von der <Mitte-Links-> Union unabhängige und zu ihr alternativen Perspektive vereinen. Dass das dieses Mal machbar ist, zeigt uns die französische Linke.“ Schließlich fordert Ferrando, zur Überprüfung des „Programms der Union“, zur Stellung der Partei in der Regierung und zum Übergang zur Europäischen Linken, eine „demokratische Delegiertenkonferenz des PRC“.

 

 

Vorbemerkung, Übersetzung und Einfügungen in eckigen Klammern:

Antifa-AG der Uni Hannover