Antifa-AG der Uni Hannover & Gewerkschaftsforum Hannover:


Der Kampf der FIAT-Arbeiter in Italien gegen die beschlossenen Massenentlassungen von über 8 000 Kolleginnen und Kollegen, der mit zahlreichen Streiks, Demonstrationen, Straßen- und Gleisblockaden, Besuchen vor der Privatvilla von Berlusconi etc. teilweise Bewegungscharakter angenommen hat und sich breiter Unterstützung in der Bevölkerung erfreut, ist mittlerweile auch Thema der deutschsprachigen Zeitungen. Was dort in der Regel nur sehr kurz vorkommt, sind die genauen Positionen der Gewerkschaften, insbesondere der auf dem linken Flügel angesiedelten, wie z.B. der größten italienischen Metallarbeitergewerkschaft FIOM (ca. 350 000 Mitglieder), die dem Gewerkschaftsbund CGIL angehört. Wie schon in der Vergangenheit wollen wir diesen Kräften daher auch jetzt wieder im deutschsprachigen Raum Gehör verschaffen, da die europa-weite und internationale Bedeutung dieses Kampfes, der vertretenen Positionen und gemachten Erfahrungen für uns außer Frage steht. Deshalb findet Ihr im Folgenden drei Interviews in denen der FIOM-Generalsekretär Gianni Rinaldini von Mitte November bis Mitte Dezember den Stand der Dinge und die Vorschläge seiner Gewerkschaft kommentierte bzw. lancierte. Das erste Interview stammt aus der links-unabhängigen italienischen Tageszeitung “il manifesto” vom 21.11.2002:




Mit FIAT auf dem Rand des Vulkans


Gianni Rinaldini (Führer der FIOM): “Die Situation ist dramatisch. Es ist gut, daß die Linke sich das klarmacht und handelt.”


Gabriele Polo


Ein Haufen Gerüchte (bizarre und gefährliche), aber keinerlei Idee. Mehr als einen Monat nach der Erklärung des Krisenzustandes und wenige Tage nach Einleitung der Prozeduren für die cassa integrazione <= maximal 3 Jahre dauernde staatlich finanzierte Kurzarbeit Null> bleibt die Zukunft von FIAT und seinen 8 100 Beschäftigten, die fortgejagt werden sollen, im Nebel. Die Regierung tut nichts, die Mitte-Linke spaltet sich zwischen der Margerite <= der rechte Flügel des mitte-linken Olivenbaum-Bündnisses>, die noch nicht einmal über eine staatliche Intervention sprechen will und den Linksdemokraten (DS) auf, die verlangen, FIAT eilig an General Motors zu verkaufen, während der <nicht der Mitte-Linken angehörende> Partito della Rifondazione Comunista (Partei der kommunistischen Neu/be/gründung - PRC) auf der Verstaatlichung besteht. In der Zwischenzeit nehmen die Kämpfe der Arbeiter an Intensität zu und erfahren die Zustimmung und Unterstützung von Anti-Globalisierern und girotondini <d.h. den Initiatoren der Ringelreihen-Demos für die Unabhängigkeit der bürgerlichen Justiz, bürgerlichen Medienpluralismus etc.>. Aber das ausweichende Verhalten der Regierung und die Spaltungen der Opposition belasten und begünstigen den von <der FIAT-Zentrale in Turin-> Lingotto beschlossenen Rückzug <aus dem Automobilgeschäft>. “Ein schwieriger Rahmen - in bestimmter Hinsicht desaströs”, hebt Gianni Rinaldini (Generalsekretär der FIOM) an, “weil am Vorabend der Ankunft der cassa integrazione-Briefe eine echte Verhandlung noch nicht einmal begonnen hat.”


Mittlerweile gibt es ein Delirium an Indiskretionen. Man benutzt sogar die FIAT-Krise, um die Lohndifferenzierung zwischen Nord und Süd erneut ins Spiel zu bringen...


“Alle Hypothesen, die ich in den Zeitungen lese, bewegen sich innerhalb einer ‚industriellen Planung‘ und von Logiken, die wir ablehnen. Das sind verpfuschte Lösungen, die zu nichts führen, sofern sie nicht dazu verwendet werden, die Auseinandersetzung dazu zu benutzen, um die Veränderung der Tarifordnungen wieder einzuführen. Für uns sind das unakzeptable Dinge, auch weil es mittlerweile offensichtlich ist, daß es im von FIAT gewiesenen Weg nur die Schließung der Werke, den Verkauf an General Motors und den substantiellen Abbau des Automobilsektors gibt.”


Die Tage vergehen, wir stehen an einer entscheidenden Kreuzung und Ihr wartet immernoch darauf, von der Regierung eingeladen zu werden. Welche Signale erreichen Euch derzeit ?


“Keine präzise Botschaft, aber wir sind dabei uns davon zu überzeugen, daß die Regierung beschlossen hat, die Unternehmensentscheidungen mit sozialen Abfederungen zu begleiten. Wenn sie uns einladen, stehen wir zwei Optionen gegenüber. Entweder dem Beginn wirklicher Verhandlungen mitsamt der Suspendierung der cassa integrazione-Prozeduren oder einer Art von ‚Versammlungstisch‘, der nur dazu dient, Mitteilungen zu machen (dieselbe Art, die die Regierung auf dem Arbeitsmarkt gewählt hat) und die Teilnehmer dazu aufzufordern, vollendeten Tatsachen zuzustimmen.”


Was fordert Ihr dagegen für echte Verhandlungen ?


“Eine neue industrielle Planung mit neuen Ressourcen. Etwas, das eine neue Eigentümerordnung mit sich bringt, d.h. eine öffentliche Intervention bezüglich des Eigentums. Auch weil die Krise von FIAT-Auto nur die offensichtlichste Manifestation einer sehr tiefgreifenden industriellen Krise ist, die man nicht mit Tupfer-Interventionen löst, sondern mit einer wirtschaftspolitischen Wende.”


Und was fordert Ihr von den politischen Kräften ? Insbesondere von den linken ?


“Aufzuhören, Illusionen hinterherzulaufen und sich klarzumachen, daß wir einem Prozeß des Abbaus des industriellen Systems Italiens gegenüberstehen, dem man nicht mit alten Instrumenten entgegentritt, weil der Staat es sich nicht erlauben kann, einem derartigen Abstieg beizuwohnen. Einem Abstieg, der nicht nur den Automobilsektor betrifft (die Verschuldungssituation des gesamten FIAT-Konzerns spricht für sich), die vom Auto aus neu beginnen muß, um eine neue Industriepolitik ins Leben zu rufen. Diese Dinge sagen wir seit einigen Monaten. Ich hoffe, daß die Linke uns nun - durch die Initiative der Arbeiter gedrängt - Gehör schenkt und einen gemeinsamen Vorschlag erarbeitet. Ich wiederhole: Wir stehen vor einer entscheidenden Passage. Von einem Augenblick auf den anderen kann alles explodieren. Nicht nur auf dem Gebiet der gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse (die die einzige Sorge der Regierung sind), sondern auch vom ökonomischen Gesichtspunkt aus. Wir laufen Gefahr in die Deindustrialisierung und in die Armut abzusacken.”


Ihr seid voll in diesem Kampf, während das Problem des nationalen Tarifvertrages der Metallarbeiter die heiße Phase erreicht. Und der <Metallunternehmerverband> Federmeccanica hat bereits erklärt, daß die Forderungsplattform der FIOM unakzeptabel sei. Ein ziemliches Problem, nicht wahr ?


“Federmeccanica hat mit einem sehr schwerwiegenden Urteil in Sachen Tarifvertrag interveniert, indem sie behauptet, daß man diesen - den Metallunternehmen zufolge - nur mit denjenigen abschließen kann, die den ‚Pakt für Italien‘ respektieren. Dies macht den Kern der Plattform, die wir vorgelegt haben und die den Kampf gegen die Prekarisierung an die erste Stelle setzt, noch wichtiger.”


Aber werdet Ihr inmitten des FIAT-Notfalles, bezüglich dem Ihr mit FIM und UILM ein Minimum an Einheit wiedergefunden habt, weiter den Weg der separaten Forderungsplattform beschreiten ?


“Gewiß. Wir werden, wie von unserer nationalen Versammlung beschlossen, mit dem Gespräch mit den Arbeitern fortfahren und sie über den Text der Plattform abstimmen lassen. Und das tun wir auch deshalb, weil die stattfindende industrielle Krise sicher nicht den Lohnarbeitern und ihren prekären Arbeitsbedingungen angelastet werden kann. Das Gegenteil trifft zu. Es war die Konkurrenz in bezug auf die Kosten, der Druck auf die Lohnniveaus und der Angriff auf die Rechte, die ein schwaches industrielles System ins Leben gerufen haben, das heute den Kollaps riskiert. Wie man sieht, bewegen sich die FIAT-Auseinandersetzung und die um den nationalen Tarifvertrag der Metallarbeiter innerhalb desselben Kontextes und müssen in demselben Geist angegangen werden.”



Das zweite Interview mit FIOM-Chef Gianni Rinaldini zu FIAT erschien in “il manifesto” vom 8.12.2002:



“Jetzt bedarf es des Generalstreiks”


Der Generalsekretär der FIOM, Gianni Rinaldini, antwortet auf die ironischen Sprüche Berlusconis und spricht über einen möglichen Ausweg.


Paolo Andruccioli


Die zweite Arbeit der Kurzarbeiter, die Vorwürfe des Maximalismus, FIAT‘s industrielle Perspektiven und der mögliche Generalstreik. Über all dies sprechen wir mit Gianni Rinaldini, dem Generalsekretär der FIOM.


Rinaldini, man könnte gerade bei dem ironischen Spruch des Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi bezüglich der doppelten Arbeit der Arbeiter beginnen. Wie kommentiert man das ?


"Es ist schwer die Worte für einen angemessenen Kommentar zu finden. Es ist beinahe unglaublich, daß ein Ministerpräsident so tut als ob er nicht wüßte bis auf wieviel die cassa integrazione (CIGS)-Zahlung sich belaufen kann - die gemäß den Normen maximal wenig mehr als 700 Euro im Monat betragen kann. Während der CIGS kann man keine anderen Arbeiten machen. Daher regt der Ministerpräsident zur Illegalität an. Andererseits ist es nicht das erste Mal, daß das Thema Illegalität auftaucht. Was kann der vom Wirtschafts- und Finanzminister Tremonti (Forza Italia) vorgeschlagene Straferlaß bei Steuerhinterziehung anderes sein ?"


Ironische Sprüche beiseite, kommen wir zu den ernsten Dingen. Wie siehst Du eine mögliche Wiederaufnahme der Verhandlungen ? Welche Perspektiven gibt es ?


“Es ist offensichtlich, daß die Regierung beschlossen hat, die industrielle Planung von FIAT zu unterstützen. Das ist ein explizites Signal, das man dem ganzen Land geben will. In der Sache FIAT sind Inhalt und Methode untrennbar und zeigen eine Generallinie für das gesamte industrielle System: Reduzierung der Arbeitskosten mitsamt Verschlechterung der Arbeitsbedingungen und Ausschluß Tausender Arbeiter aus der Produktion. Die Methode ist dann explizit: Man will die Rolle der Gewerkschaft annullieren. (Im Protokoll des Abkommens sind die Gewerkschaften nicht einmal genannt worden - es sei denn zur Durchsetzung der bereits beschlossenen Instrumente.) Man bestätigt eine allgemeinere Idee, die im wesentlichen auf der Reduzierung aller Formen von Schutzbestimmungen basiert (Modell FIAT-Werk in Melfi) und auf der Erhöhung und der Verallgemeinerung der Prekarisierung der Arbeit. Wenn sich diese industrielle und das Modell der Beziehungen zu den Gewerkschaften betreffende Linie durchsetzt, wird es in Italien keinen Automobilsektor mehr geben. Dann werden wir nur <noch> Montagebereiche haben.”


<Der zur rechtspopulistischen Lega Nord gehörende Arbeitsminister> Maroni sagt jedoch, daß das Alfa Romeo-Werk in Mailand-Arese das Gehirn bleiben muß...


“Man muß sich beeilen bezüglich der vorgesehenen FIAT-Modelle bei der Reduzierung der Beschäftigten nachzurechnen (50% der Arbeiter werden gehen). FIAT hat an seiner Planung nichts verändert und schlägt ein sehr viel niedrigeres Investitionsniveau vor als das der anderen konkurrierenden Häuser, die in der Innovation doch sehr viel weiter sind. Die Operation ist deutlich und es wird auch kein Zufall sein, daß die wirkliche Neuheit (das neue Modell des Punto) erst für 2005 vorgesehen ist. Die Regierung fährt fort Sachen zu sagen, die nicht wahr sind. Und der Plan, von dem man spricht, ist immer jener originäre, den FIAT nicht im Mindesten verändert hat. Im September hatten wir bereits angekündigt, daß es nach den ersten 3 000 Tausende <weiterer> Überschüssiger <Arbeitskräfte> geben würde. Damals wurden wir verspottet. Und nun ? Andererseits, welches Schicksal wird <das FIAT-Hauptwerk in Turin->Mirafiori bei einer Planung haben, die eine Reduzierung um 35 - 40% vorsieht und die Auto-Produktion auf 135 000 Fahrzeuge bringen wird ? Es ist <alles> nur eine große Verspottung ! Anstatt FIAT neu zu lancieren, ist man dabei die entgegengesetzte Entscheidung zu treffen (und die Regierung billigt das !). Wir hatten eine andere industrielle Planung und eine andere Eigentümerordnung mit einer Rolle des Staates gefordert. Die Regierung hat hingegen beschlossen, die FIAT-Planung zu begleiten, die unvermeidlich zur Abtretung <der Automobilsparte> an einen ausländischen Partner - und sogar an General Motors - führt.”


Was werdet Ihr also tun ? Es scheint, daß es in dieser Angelegenheit die Möglichkeit zu einer gemeinsamen Aktion der Gewerkschaften gibt.


“Wir hatten einige Probleme, aber es gibt ein einheitliches Vorgehen. Es genügt, sich den einheitlichen / gemeinsamen 8 stündigen Streik anzusehen, der sofort nach dem Abbruch <der Verhandlungen> beschlossen wurde. Jetzt müssen wir wieder die Initiative ergreifen - mit dem Ziel die Frage der industriellen Planung erneut zu behandeln. Wir müssen auch in den Werken Initiativen auf die Beine stellen, die alle die Vorhaben behindern, die die Verschlechterung der Arbeitsbedingungen mit dem Ausschluß der Arbeiter aus dem Produktionszyklus vereinen. Und dann müssen wir versuchen, mit dem Vorhaben des Generalstreikes gegen die Massenentlassungen voranzukommen.”


Eine letzte ironische Bemerkung zu den Vorwürfen des Maximalismus. Zuerst wurde die CGIL <dessen> beschuldigt. Anschließend hat <der Alleanza Nazionale-Parteiführer und stellvertretende italienische Ministerpräsident> Gianfranco Fini gesagt, daß die FIOM alle mitgerissen hat.


“Ich sage, daß wir Gianni Letta nach der Wahrheit fragen sollten. Caprioli und ich sind die Letzten gewesen, die den <italienischen Regierungssitz> Palazzo Chigi am Abend des (Ab-)Bruches verließen.”




Das dritte und letzte Interview dieser Trilogie erschien in “il manifesto” vom 12.12.2002:



“Kein Lichtblick”


Interview mit Gianni Rinaldini: “Die Manöver bezüglich des Managements eröffnen keine positiven Spielräume. Die Kürzungen wurden bestätigt und die Regierung spielt ein obskures Spiel. Und für wen arbeitet die Mediobanca ?”


Gabriele Polo


Eine paradoxe Situation, “wie in einem südamerikanischen Land”. Dies die Reaktion von Gianni Rinaldini (Generalsekretär der FIOM) auf die stattfindenden Umstürze in <der FIAT-Zentrale in Turin->Lingotto. “Es ist erschreckend, daß am Tag nach dem, von den Gewerkschaften abgelehnten, programmatischen Abkommen zwischen FIAT und Regierung eine offenkundig vorhergesehene und vorbereitete Krise beginnt, die nicht nur die Neuordnungen der Spitze in Lingotto berührt, sondern die Eigentümerschaft sowie die grundlegenden Entscheidungen für den gesamten FIAT-Konzern und nicht nur für den Automobilsektor.”


Nach Ansicht Einiger, auch in der Gewerkschaft, können die stattfindenden Vorstandsauseinandersetzungen Lichtblicke für den Arbeitskampf und für die zukünftige Beschäftigung hervorbringen. Ist das auch die Meinung der FIOM ?


“Bei dem, was in der derzeit ablaufenden Auseinandersetzung erkennbar ist, sehe ich keinerlei positive Möglichkeit. Die ‚industrielle‘ Planung, die wir ablehnen, bleibt unverändert. 4 000 Arbeitskräfte werden niemals mehr in den Betrieb zurückkehren. Der Automobilsektor wird nicht neu lanciert. Die Krise läuft Gefahr, sich auf die ganze FIAT- Aktiengesellschaft auszudehnen und zudem sind seitens der Regierung obskure Manöver im Gange. Es scheint mir, daß es nichts gibt, was zum Optimismus veranlassen kann.”


Natürlich ist es die sogenannte “industrielle Planung”, die Euch mehr Sorgen macht. Der stattfindende Umsturz in der Führung kann diese nicht in Frage stellen ?


“Den Eindruck habe ich wirklich nicht. Im Übrigen hat Barberis gerade alle ihre Aspekte noch einmal bestätigt. Für uns ist jene Planung nicht hinnehmbar und wir haben seit langem (lange Zeit ungehört) auf die Dramatik der laufenden Krise hingewiesen. In der unter den verschiedenen Subjekten, die dabei sind über die Zukunft von FIAT zu entscheiden (Regierung, Eigentümer, Banken, General Motors), stattfindenden Auseinandersetzung gibt es keinerlei Absicht zur Neulancierung des Automobilsektors. Im Gegenteil, alles dreht sich um die Idee der Aufgabe desselben.”


Es scheint die Hypothese der “Zerstückelung” Gestalt anzunehmen. Alfa Romeo mit Ferrari auf der einen Seite und die Werke in Süditalien mit Opel und General Motors auf der anderen. Ist das glaubhaft ?


“Mehr als alles andere wäre es tragisch. Das ist keine industrielle Hypothese, sondern ein Ausverkauf, der die Geschichte unseres Landes zur Diskussion stellt. Und die Idee der ‚Zerstückelung‘ betrifft nicht nur FIAT-Auto, sondern den ganzen Konzern. Das ist eine Idee des industriellen Abbaus.”


Das heißt, es ist ein Symptom für einen allgemeineren Prozeß ?


“Ja, das ist die Idee eines Landes, das nicht über die Qualität und über die Forschung konkurriert, sondern nur über den Druck auf die normativen und die Lohnbedingungen der Arbeitenden. Bei FIAT sieht man, wie bei allen anderen stattfindenden Krisen und Umstrukturierungen (es genügt an Marconi und - allgemeiner - an die Telekommunikationsbranche zu denken) auf Massenentlassungen und die Entfernung der älteren Arbeiter ab (Forderungen nach langer Mobilität <= in Italien kaschierte Form der Arbeitslosigkeit !> greifen um sich, um sie durch rechtlose Jugendliche zu ersetzen, d.h. um die unbefristete Arbeit durch die verbreitete prekäre Beschäftigung zu ersetzen. In diesem Sinne ist das Geschehen bei FIAT für einen Prozeß beispielhaft, der das ganze industrielle System Italiens betrifft.”


Bleibt eine Frage: Wozu dient die um Lingotto stattfindende Auseinandersetzung ?


“Für denjenigen, der nicht in den Zimmern der Macht lebt, ist es schwierig darauf zu antworten. Es ist offensichtlich, daß eine langfristige Operation im Gange ist, die auch starke politische Rückwirkungen hat. Das Problem ist, zu verstehen, für wen die Mediobanca arbeitet, wer hinter der Maranghi-Operation steckt. <Maranghi ist der Präsident der auf Unternehmensbeteiligungen spezialisierten privaten norditalienischen Mediobanca.>

Es ist klar, daß diese Partie mit dem Eintritt der Mediobanca in die Eigentümerschaft von Ferrari, mit der Akquisition von 35% des Gesellschaftskapitals der Firma aus Cavallina begonnen hat. Eine Finanzoperation, die zum Ärger der Kreditgeber-Banken bewilligt wurde. Und in dieser Operation spielt die Regierung eine sehr undurchsichtige Rolle.”


Die Gewerkschaft scheint von allen diesen Spielen ausgeschlossen zu sein. Welche Rolle denkt Ihr noch spielen zu können ?


“Die Gewerkschaft ist durch die Übereinkunft zwischen FIAT und Regierung zumindest auf nationaler Ebene institutionell gecancelt worden. Sodann wird von ihr verlangt, die Krise im Unternehmen zu managen. Aber für uns stellt sich nicht einmal die Hypothese, die <Anwendung der> cassa integrazione in Turin-Mirafiori zu regeln, nachdem wir zu der industriellen Planung, die diese hervorbringt, Nein gesagt haben, wenn es offenkundig ist, daß die Übereinkunft vom Palazzo Chigi zur Schließung von Mirafiori führen könnte.”


Und also ?


“Also bleibt uns nichts anderes übrig als mit den Mobilisierungen und den Kämpfen weiterhin eine Änderung der industriellen Planung und der Neulancierung des Sektors zu fordern. Es gibt viele stattfindende Initiativen, angefangen beim 4stündigen Generalstreik des gesamten Konzerns am Freitag, der für die kommende Woche beschlossen wurde, bis hin zu dem 2stündigen europaweiten Streik, der von der Europäischen Metallarbeiter-Föderation für den 16.Dezember angesetzt wurde. Aber darüberhinaus ist es für uns wichtig, daß es schnell zu einem landesweiten Generalstreik aller Berufsgruppen kommt. Und dann wird gegen die um sich greifende Prekarisierung sehr viel tarifvertragliche Strenge vonnöten sein, damit der Fall FIAT zeigt, daß die Flexibilität der Löhne und der Arbeitsbedingungen der industriellen Veräußerung und den Massenentlassungen den Weg ebnet.”


Vorbemerkung(en), Übersetzung und Einfügungen in eckigen Klammern:

Antifa-AG der Uni Hannover und Gewerkschaftsforum Hannover