Bewegungen
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Antifa-AG der Uni Hannover & Gewerkschaftsforum Hannover:
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- Zwei nationale
Delegierten-Versammlungen der an der italienischen Antiglobalisierungs-Bewegung
beteiligten Gruppen und Organisationen gab es in diesem Jahr bislang.
Ihr Verlauf verdeutlicht die taktischen und strategischen Diskussionen
und die Entwicklung dieser sogenannten “Bewegung der Bewegungen”. Daher
im Folgenden die Übersetzung der beiden interessantesten Berichte, die
in der angesehenen linken italienischen Tageszeitung
“il manifesto” zu diesen Treffen erschienen. Der erste Artikel
erschien am 20.1.2002:
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Das
Forum der Foren
Benedetto
Vecchi – Rom
Der zweite Tag der nationalen Versammlung der Sozialforen hat heimlich
begonnen. Aber bereits von 9.30 Uhr an haben die Teilnehmer angefangen
gegenüber den Gebäuden des ehemaligen Schlachthofes von Rom
Grüppchen zu bilden. Es gibt diejenigen, die fortfahren über
die Themen der Workshops zu diskutieren, die am Freitagabend stattgefunden
haben und es gibt diejenigen, die Informationen über die von den
örtlichen Sozialforen für die Demonstration der Migranten organisierten
Reisebusse und Züge austauschen. Und schließlich gibt es diejenigen,
die ein bißchen die Sonne genießen und versuchen sich aufzuwärmen.
Und doch gehört die Tagesordnung zu den anspruchsvolleren, da sie
die Neuabfassung des Arbeitspaktes zwischen den Vereinigungen, den Basisgruppen
und den Sozialforen betrifft sowie die Frage, welche organisatorischen
Formen die “Bewegung der Bewegungen” sich in den kommenden Monaten geben
will. Und als die Diskussionsbeiträge beginnen, wird die Liste derjenigen,
die das Wort ergreifen wollen, sehr lang. Ein Zeichen dafür, daß
die Absicht, die Arbeiten um 13 Uhr zu beenden, nur sehr schwer zu erreichen
sein wird.
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Die erste Klippe, die zu überwinden ist, gehört zu den einfachen.
Aus der Versammlung wird kein Arbeitspakt, sondern nur ein vorbereitendes
Dokument hervorgehen, das auf lokaler Ebene und von den Vereinigungen
und nationalen Netzwerken, die zur Bewegung gehören, diskutiert werden
wird. Über dieses sind sich alle einig. Dennoch gibt es bereits ein
Dokument, das ist vor einigen Monaten unter anderen sozialen und politischen
Bedingungen geschrieben worden ist: Der Krieg hatte gerade erst begonnen
und die Regierung Berlusconi hatte noch nicht den Gesetzentwurf über
die Schule vorgelegt und auch noch nicht angekündigt, daß sie
den Artikel 18 des Arbeiterstatutes <Recht auf Wiedereinstellung bei
ungerechtfertigter Entlassung in mittleren und Großbetrieben> abschaffen
wollte. Diejenigen, die das Wort ergreifen, fordern es abzuändern.
Das tut Piero Bernocchi von den COBAS <genauer gesagt: der Confederazione
Cobas und ganz speziell den starken Cobas Schule>, wenn er fordert
den Teil über den Konflikt zwischen “Kapital und Arbeit” zu entwickeln.
Das tut Franco Russo, der vorschlägt drei Ziele der Bewegung
hervorzuheben: das der Welternährungsbehörde FAO, des Umweltdesasters
und der Prekarität der Arbeitsverhältnisse, vom Standpunkt der
Arbeitslosen und der “wechselnden” Arbeiter aus gesehen.
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Als die Phase der Forderung nach den Abänderungen (die alle akzeptiert
worden sind) beendet ist, kommt man zur größeren Klippe: der
der organisatorischen Form. Die beiden einleitenden Berichte waren diesbezüglich
deutlich gewesen. Der erste Punkt ist klar: lokal handeln, global denken.
Außerdem ist der Bereich der Sozialforen gewachsen, aber innerhalb
dieser Bewegung gibt es auch Vereinigungen, Basisgruppen und nationale
Gewerkschaften. Wie ein Verhältnis zwischen den örtlichen Sozialforen
und diesen nationalen Bereichen festlegen ?
Mit Hilfe einer gelenkigen und flexiblen Struktur mit Diskussionen
auf Versammlungsebene, aber auch in Koordinationen. Das haben alle unterstrichen,
von Exponenten örtlicher Sozialforen (Angelo Zaccaria aus
Mailand, das Sozialforum Sannio und wiederum Franco Russo vom Sozialforum
Rom) bis hin zu Vertretern nationaler Bereiche (Raffaella Bolini
von der ARCI, Luca Casarini von den Disobbedienti <Ungehorsamen>
und Leonardi von den RdB <Rappresentanze di Base = Basisvertretungen,
einer in Teilen des öffentlichen Dienstes starken linken Basisgewerkschaft>).
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Es läuft also alles glatt, weil das aus beiden Tagen hervorgegangene
Empfinden ist, daß es keine fertigen Rezepte gibt, sondern nur ein
fortwährendes Experimentieren, ohne Angst vor Rückschlägen,
Stillstand oder Umdenken zu haben. Aber als dann neben der organisatorischen
Form die Inhalte, die Ziele und die zu startenden Kampagnen zur Sprache
kommen, wird der Diskurs differenzierter, ergeben sich Differenzen, Unterschiede
in der Betonung und was das politische Vorgehen anbelangt. Die Versammlung
wird zu einer ganz umfassenden politischen Diskussion.
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Es gibt denjenigen, der vorschlägt, eine Kampagne zur Tobin Tax zu
starten und denjenigen, der sagt, daß ein Teil der Einkünfte
aus der Besteuerung der Zirkulation des Finanzkapitals dazu dienen sollen
ein Bürgereinkommen <für Arbeitslose, unter Altersarmut Leidende
etc.> zu finanzieren (Franco Russo). Das Sozialforum Brescia
schlägt eine Protestmobilisierung gegen die Messe für leichte
Waffen vor, die im April in der lombardischen Stadt stattfinden wird.
Andere schlagen den Beginn einer Diskussion über eine mögliche
europäische Sozialcharta vor. Schließlich gibt es denjenigen,
der das Wachstum der Bewegung, ihre beginnende Beziehung zu weit von ihr
entfernten sozialen Sektoren und Realitäten hervorhebt (zur gesamten
konföderalen Gewerkschaft <d.h. CGIL-CISL-UIL>), aber <auch>
fordert, daß es Klarheit über die grundlegenden Punkte geben
sollte. So wird in bezug auf den Streik des öffentlichen Dienstes
am 15.Februar gefragt, wo die Bewegung marschieren wird: mit den Basisgewerkschaften
oder mit CGIL, CISL und UIL ?
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Es ist an Luca Casarini von den Disobbedienti (Ungehorsamen) das
Wort zu ergreifen. Sein Redebeitrag ist einer, der das Urteil über
den “Zustand der Bewegung” wieder in die Diskussion bringt. “Wir sind
gewachsen. Wir haben es geschafft, die Zustimmung zu unseren Positionen
zu erhöhen. Unser Ziel ist es noch weiter zu wachsen”, behauptet
Casarini.
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Und also ? Was ist das Problem
? “Bewegung für die Bewegung
zu machen. Glaubwürdige landesweite Kampagnen zu schaffen, die Sozialforen
in der örtlichen Realität zu verankern und mit sozialen Netzwerken
in Beziehung zu treten, die vielleicht noch keine Bewegungspraxis haben.”
Wie es, im Grunde, für die Demonstration der Migranten geschehen
ist. Und wie es für Porto Alegre geschehen ist. Wie – das ist die
Hoffnung aller – für den Streik am 15.Februar, “an dem für die
Verteidigung des Artikels 18 und gegen die neoliberale Politik dieser
Regierung demonstriert wird”.
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Der zweite Artikel, der sich mit dem bislang letzten nationalen Treffen
der italienischen Antiglobalisierungsbewegung befaßt, erschien in
“il manifesto” vom 5.3.2002:
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Nächster Termin in Rom
Bei dem zweitägigen Treffen der Sozialforen in Bologna ist der Arbeitspakt
und die politische Agenda angenommen worden.
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Benedetto Vecchi
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Tausend Leute für eine zwei Tage dauernde Versammlung mit Arbeitsgruppen,
die bis in die späte Nacht hinein tagen und eine Rednerliste, die
niemals zu enden scheint. Das ist der Rahmen der leidenschaftlichen nationalen
Versammlung der Sozialforen gewesen, die am Samstag und Sonntag in Bologna
stattgefunden hat. Ein wichtiger Termin für die “Bewegung der Bewegungen”,
die sich nach dem Weltsozialforum von Porto Alegre zum ersten Mal wieder
zusammenfand, um den “Arbeitspakt” und die organisatorische Form festzulegen,
mit der der Kampf gegen die neoliberale Ordnung fortzusetzen ist. Aber
vor den Türen des Saales in der via Mascarella drängten sich
viele dringende Sache und “neue” Fakten: Die nationale Manifestation der
CGIL zur Verteidigung des Artikels 18 <am 23.Marz 2002 in Rom, an der
– real – mehrere Hunderttausend Menschen teilnahmen>, der wiederum
von der CGIL angekündigte Generalstreik am 5.April <der nach dem
Einlenken der sehr sozialpartnerschaftlichen und kleineren Gewerkschaftsbünde
CISL und UIL dann doch mit diesen zusammen am 16.April stattfand und mit
ca. 17 Millionen Streikenden zu einem großen Erfolg wurde> sowie
die nationale Mobilisierung der unabhängigen Medien am 16.März
für die Freiheit der Kommunikation <real 4 000 – 5 000 Teilnehmer>
und die Verabredung <zur Demonstration> in Barcelona gegen den Gipfel
der Europäischen Union Mitte des Monats.
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Und trotzdem die Liste der Termine so lang ist, läuft man Gefahr
irgendeinen davon zu vergessen. Es ist daher besser bei den von Vittorio
Agnoletto entwickelten Schlußfolgerungen zu beginnen. “Wir haben
einen von allen geteilten Arbeitspakt gebilligt. Wir haben unsere politische
Agenda definiert. Wir haben die beste Funktionsweise festgelegt und dabei
die Geschichte und die politische Kultur eines jeden von uns respektiert.
Schließlich haben wir viele Verabredungen vor uns: die Schaffung
des europäischen Sozialforums, die Kampagne zur Tobin Tax, die Opposition
gegen das Bossi-Fini-Einwanderungsgesetz und den Kampf gegen den Waffenhandel.
Und noch weitere reifen in der Aktivität der örtlichen Sozialforen.
Deshalb haben wir einen leichten und schlanken Organisationscharakter
gewählt. Auch, weil es unser Ziel ist, die Bewegung immer weiter
auszudehnen – auch im Lichte dessen, was sich in der Gesellschaft in Bewegung
gesetzt hat.” Die “Bewegung der Bewegungen” ist eine in ständiger
Entwicklung begriffene Realität, die daher die Entscheidung für
jene “Praxis des Konsenses” bekräftigt hat, die darin besteht, bedeutsame
Übereinstimmungspunkte zu suchen, die die politischen Sensibilitäten
und die unterschiedlichen Kulturen gerade bewahren. Dies bedeutet jedoch
nicht, daß sich keine Unterschiede manifestiert haben. Zum Beispiel
in den über die Demonstrationen des <mitte-linken> Olivenbaum-Bündnisses
in Rom geäußerten Einschätzungen: Sicherlich <bedarf
es der> Aufmerksamkeit für das, was sich in der Mitte-Linken bewegt.
Die grundlegenden Charakteristika bleiben aber die der Opposition gegen
den Neoliberalismus und den Krieg. Oder auch bezüglich der Beteiligung
an den Initiativen der CGIL oder im Hinblick auf die “neu” in die Agenda
der “Bewegung” eingegangenen Themen (die prekäre Beschäftigung,
das Bürgereinkommen und eine Kampagne gegen die Regelung des geistigen
Eigentums, um nur einige zu nennen).
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Die Beteiligung an der CGIL-Mobilisierung für den 23.März stand
im Mittelpunkt der Debatte in Bologna. Die “Bewegung der Bewegungen” will
den Artikel 18 des Arbeiterstatutes nicht verteidigen. Sie will ihn allenfalls
auf diejenigen ausweiten, die in den Unternehmen mit weniger als 15 Beschäftigten
arbeiten und auf die vielen, sehr vielen prekär Beschäftigten,
die mittlerweile die Mehrheit der “neuen Hebel” des Arbeitsmarktes bilden.
Außerdem haben die in der Bewegung präsenten <linken>
Basisgewerkschaften eine lange Tradition der Opposition gegen die Sozialpartnerschaft.
Piero Bernocchi von der Konföderation der COBAS war in bezug
auf diesen Punkt deutlich: “Wir haben einige Probleme, uns der Demonstration
vom 23. anzuschließen, weil wir sehen, daß die CGIL die Praxis
der Sozialpartnerschaft noch nicht aufgegeben hat. Es genügt sich
den neuen Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes oder den der Chemiearbeiter
anzuschauen. Ich denke, daß die Bewegung den Generalstreik am 5.April
als politische Priorität wählen muß.” Und sein Vorschlag
stellt alles wieder zur Diskussion. Viele Redebeiträge hatten die
Beteiligung an der Demonstration vom 23.März für sicher gehalten.
Aber gerade hier kommt wieder jene “Praxis des Konsenses”, die die beiden
Tage in Bologna gekennzeichnet hat, in Gang. Zu Vielen haben sie versucht
einen roten Faden zwischen dem 23.März und dem Generalstreiks zu
knüpfen: “Den Generalstreik fordern wir seit langem. Klar, daß
wir uns dafür einsetzen, daß er stattfindet”, vertraten
Alfio Nicotra und Francesco Caruso mit unterschiedlichen Akzenten.
Der Redebeitrag aber, der eine wirkliche und wahrhaftige “Vermittlung”
darstellte, war derjenige von Luca Casarini. In nicht ritualisierter
Weise hat der Vertreter der Disobbedienti (Ungehorsamen) die Vorbehalte
der Cobas als begründet und legitim anerkannt und die Auffassung
vertreten, daß “die politische Passage des 23.März mit den Cobas
und den anderen Basisgewerkschaften bewerkstelligt werden muß, die
oftmals allein den Widerstand in den Arbeitsstätten dargestellt haben.
Wir sind uns bewußt, daß sich am 23.März eine soziale
Macht manifestieren wird und für den generalisierten Streik gegen
den Neoliberalismus genutzt werden muß. Wenn die CGIL dann die Verabredung
am 5.April absagen will, müssen wir sie aufrechterhalten und darauf
abzielen, dieses Land zum Stillstand zu bringen.”
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Wieder ein Schwall von Diskussionsbeiträgen bis Bernocchi
erneut das Mikrophon nimmt, den Beitrag von Casarini würdigt und
behauptet, daß “es eine substantielle Unterstützung für
den Vorschlag gibt zu der Demonstration am 23.März zu gehen und diese
mit den Inhalten der Bewegung zu charakterisieren. Wir werden in der Confederazione
Cobas darüber diskutieren, ohne uns dem zu widersetzen, was in Bologna
herausgekommen ist. Wir denken jedoch, daß, wenn jemand von der
Bewegung von jener Bühne aus spricht, dieser die Inhalte der Bewegung
ohne wenn und aber bekräftigt.” Das Wort geht an Agnoletto
über. Dann alle (bis zum späten Abend) in die Arbeitsgruppen,
um über den Rest der Welt zu diskutieren.
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Vorbemerkung, Übersetzung, Hervorhebung der Namen und Anmerkungen
in eckigen Klammern:
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Antifa-AG der Uni Hannover und Gewerkschaftsforum Hannover
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