Antifa-AG der Uni Hannover:


Das folgende Interview mit einer Vertreterin der, an den italienischen Universitäten recht einflußreichen und regen linken Studentengewerkschaft UdU wurde vom hannoverscherschen Studentenfernsehen "s'kratzt" geführt und als Teil eines Dokumentarfilmes über das Europäische Sozialforum am 25.11.2002 im Offenen Kanal Hannovers zum ersten Mal gesendet. Wir wurden von der Redaktion gebeten dafür diese und andere Übersetzungen anzufertigen und veröffentlichen das UdU-Interview hier erstmals in schriftlicher Form. Angesichts des Neuaufflammens der italienischen Studenten-Bewegung im Kampf gegen die massiven Erhöhungen der dortigen Studiengebühren dürfte es auch im übrigen Europa interessant sein die linken Akteure in diesem Konflikt zu kennen.



Interview mit der Sprecherin der italienischen Studentengewerkschaft “Unione degli Universitari” (Union der Universitätsstudenten - UdU) während des Europäischen Sozialforums in Florenz am 7.11.2002:



Frage der Interviewerin:


“Hallo, kannst Du uns sagen, was für eine Organisation die UdU ist und was Eure Themen sind ?”


Antwort der UdU-Sprecherin:


“Wir sind eine Schüler- und Studentengewerkschaft, die aus zwei Vereinigungen besteht: einer für die Gymnasien und einer für die Universitäten, Unione delle Scuole Superiore (Union der Oberschulen) und Unione degli Universitari (Union der Universitätsstudenten) für die Universität. Und wir arbeiten in Italien für die Rechte der Schüler und Studenten. Wir sind eine Organisation, die sich um die Rechte kümmert, daher machen wir sozialpolitische Aktionen. Wir versuchen auch die alltäglichen Probleme der Schüler und Studenten zu lösen. Deshalb organisieren wir über die studentische Krankenversicherung, die eine weitere Vereinigung ist, verschiedene Dienstleistungen.”



Frage:


“Wie ist die bildungspolitische Situation in Italien ?”


Antwort:


“Unsere Situation ist im Augenblick sehr schwierig. Weil es mit dem Regierungswechsel <im Mai 2001 kam Silvio Berlusconi mit seinem rechten Parteienbündnis nach 6 Jahren erneut an die Regierung> eine weitere Verringerung öffentlicher Investitionen in den Schulen und Universitäten gegeben hat. Italien hat schon immer wenig in die Bildung investiert. Und die Probleme der italienischen Schüler und Studenten sind sehr groß, auch verglichen mit anderen europäischen Ländern und das aufgrund der fehlenden Gelder, um die Strukturen zu verbessern, in denen wir lernen und studieren und um die Qualität des Studiums zu verbessern und auch um den Studenten finanzielle Hilfen zu gewähren, um allen das Recht zu ermöglichen zu studieren. Das ist in Italien immer schwierig gewesen, aber nun ist es zu einem äußerst gravierenden Problem geworden, weil die Regierung nicht nur bei den öffentlichen Schulen kürzt, sondern auch dabei ist, dem privaten Bereich Hilfestellung zu geben. Sie zielt sehr stark auf die Kommerzialisierung der Bildung als einer Ware ab und folgt dabei dem us-amerikanischen Beispiel. Etwas, das wir ablehnen und wogegen wir zusammen mit den Studentinnen und Studenten aus dem übrigen Europa und dem Rest der Welt kämpfen wollen.”



Frage:


“Was habt Ihr bis jetzt gemacht ?”


Antwort:


“Unsere Organisation existiert seit 8 Jahren und unsere historischen Kämpfe drehten sich um den freien Zugang zur Universität, um die finanziellen Beihilfen für die Studenten und auch um die Beteiligungsrechte der Studenten, um aktive Subjekte und nicht bloß Konsumenten einer Dienstleistung zu sein. Wir sind Bürger dieser Gesellschaft und Bürger in den Schulen und den Universitäten. Daher sind wir es, die besser als jeder Andere wissen, was für die Schüler und Studenten gut ist und wie man die Schulen und Universitäten reformieren müßte. Und dann haben wir viele Kämpfe auch um das Recht auf Wohnung geführt, was ein weiteres enormes Problem für die Schüler und Studenten und für die Unabhängigkeit der Schüler und Studenten ist, um eigenständig über ihre Zukunft entscheiden zu können sowie um das Niveau des Rechtes auf Mobilität in Verbindung mit dem entsprechenden europäischen Standard. Also um Gelegenheiten zum Austausch mit den Schülern und Studenten des übrigen Europas zu haben und um ein multikulturelles Bewußtsein zu entwickeln.”



Frage:


“Arbeitet Ihr auch mit anderen Organisationen in Europa zusammen ?”


Antwort:


“Unsere Organisationen sind Bestandteil der beiden europäischen Schüler- und Studentennetzwerke: eines (UBES) für die Schüler und das zweite (ESIB), das die europäischen Gewerkschaften der Universitätsstudenten umfaßt. Wir sind seit langem Mitglied dieser Organisationen und versuchen auch die Schüler und Studenten der übrigen Länder immer stärker einzubeziehen und diese dazu zu bewegen, intensiver dafür zu mobilisieren, um studentische Aktionstage gegen die Vermarktung und für eine wirkliche Bewegung hin zu einer europäischen Harmonisierung zu starten, die zuallererst eine soziale Harmonisierung ist und den Schülern und Studenten in ökonomischer Hinsicht hilft und nicht zu Konkurrenzkämpfen zwischen Schulen und Universitäten oder zwischen verschiedenen Ländern führt.”



Frage:


Wie ist Dein Eindruck von dieser Konferenz ?”


Antwort:


“Das Europäische Sozialforum ist für uns eine wichtige Veranstaltung. Wir gehörten zu den Ersten, die die Schüler und Studenten auch des übrigen Europas aufgefordert haben, herzukommen und teilzunehmen. Wir haben hier diverse Seminare organisiert über das Wissen und die Bürgerrechte, über die Vermarktung des Erziehungswesens, über das lebenslange Lernen ... und wir werden heute abend eine Versammlung zusammen mit den Lehrern abhalten und morgen eine Versammlung der Schüler und Studenten, um die Prinzipien für das Erziehungswesen und die Aktionstage im kommenden Frühjahr zu lancieren. Ich glaube, daß das Forum wichtig ist und wir sind mit dem großen Erfolg, den es bisher gehabt hat, zufrieden. Heute, am zweiten Tag, sind wir bei mehr als 45 000 registrierten Teilnehmern. Ein großer Erfolg also. Und wir sind zufrieden, daß viele Jugendliche dabei sind. Weil die Jugendlichen in dieser Bewegung eine prioritäre Rolle innehaben. Und wir haben unseren und den anderen Schülern und Studenten empfohlen, in die Seminare zu gehen, die mit dem Studium zu tun haben. Weil es für uns sehr wichtig ist, daß die Möglichkeit genutzt wird, ein kritisches Wissen zu entwickeln. Und dies ist eine großartige Gelegenheit dafür. Darüberhinaus brauchen wir eine bedeutende Bewegung, damit es uns gelingt das neoliberale Einheitsdenken erfolgreich zu bekämpfen, das man uns aufdrücken möchte. Wir sind allerdings sehr viele, deshalb glaube ich nicht, das gelingen kann.”



Interviewerin:


“Das ist gut, vielen Dank.”


UdU-Sprecherin:


“Dank an Euch.”



<Übersetzung: Antifa-AG der Uni Hannover>




Internet-Adressen in diesem Zusammenhang:


UdU: http://udu.studenti.it/


ESIB: http://www.esib.org



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