aus: „Avanti“ (Zeitung des Revolutionär-Sozialistischen Bundes –
RSB)
September 2004
Abschluss bei DaimlerChrysler
bricht Belegschaft nicht
Nach Siemens hat
mit DaimlerChrysler ein weiterer Großkonzern
Betriebsrat und Gewerkschaft erfolgreich erpresst, um Lohnkosten einzusparen
(siehe Kasten unten). „Avanti“ stellte einige Fragen
an den DaimlerChrysler-Betriebsrat Tom Adler
Trifft der
Abschluss was Geld und Arbeitszeit angeht unmittelbar nur die KollegInnen in den Dienstleistungsbereichen? Wie viele
Beschäftigte sind das bei DC?
„Nein, der Abschluss trifft
nicht nur die KollegInnen in den
Dienstleistungsbereichen, wenn auch die besonders hart. Wie viele das sind, ist
nicht ganz klar. Erstens, weil es eine Definitionsfrage ist, wer angeblich “Dienstleister” ist oder auch nicht. Zweitens, weil es laut
der Betriebsvereinbarung Sache des örtlichen Betriebsrats ist, die Bereiche zu
vereinbaren, für die der Ergänzungstarifvertrag Dienstleister
gelten soll. Deshalb gibt es – je nach Betrachtungsweise – Angaben, die von
2500 bis 6700 potentiell betroffenen KollegInnen
ausgehen. Der Abschluss trifft übrigens unmittelbar und sofort alle neu
Eingestellten, auch die nach der Ausbildung übernommenen Azubis: Diese kriegen
einen gegenüber bisher um 20% abgesenkten Einstiegslohn für bis zu 24 Monate,
und werden auch nach der ERA1 -Einführung 8% weniger Lohn für die selbe Arbeit
kriegen wie der Kollege nebenan, der vor der Unterzeichnung der Betriebsvereinbarung
schon da war. “Gleicher Lohn für gleiche Arbeit” ist damit aufgegeben, ein
fataler Fehler, wie man am Beispiel der UAW2 studieren kann.“
Die
politisch-moralischen Auswirkungen auf die ganze Gewerkschaftsbewegung sind
größer als die an der Geldbörse. Ist DC als Hochburg der IG Metall im
kampfstarken Baden-Württemberg nun geschleift?
„Nein, den Eindruck habe ich
überhaupt nicht. Zumindest was die Verfassung der Basis angeht. Im Unterschied
zu vielen Tarifrunden mit für die Kollegen enttäuschenden Ergebnissen spüre ich
jetzt – trotz viel Kritik aus der Belegschaft an dem Abschluss – keine resignative Stimmung. Die KollegInnen
sind nicht an die Arbeit zurückgegangen mit dem Gefühl, von der Firma
gebrochen, besiegt worden zu sein. Die unglaublich kämpferische Stimmung, die
gemeinsamen Aktionen scheinen für sehr sehr viele
eher so etwas wie ein Wert an sich geworden zu sein, eine kollektive Stärke-Erfahrung, die bleibt, auch wenn sie den Abschluss
z. T. scharf kritisieren.“
Auf den verlorenen
Metallstreik in Ostdeutschland erfolgte nun der “Dammbruch” in Westdeutschland.
Müssen sich nicht beide Schlappen zu einer handfesten Niederlage der IG Metall
addieren? Entsteht nicht die Stimmung: Wir können im Betrieb nichts mehr
reißen?
„Die Stimmung bei uns, wie
gesagt, ist nicht schlecht. Schwer zu sagen, welche Stimmung in der Fläche
entstehen wird, die Gefahr besteht natürlich schon. Andererseits: Kurz vor der
Auseinandersetzung bei uns gab’s den Dammbruch bei Siemens – den Zorn und den
Kampfwillen hat das nicht gehemmt, die KollegInnen
hätten gern noch viel mehr “gerissen”. Eins ist aber klar: Eine Wende im
politischen Klima, die die immer neuen Angriffswellen der Unternehmer
gewissermaßen brechen hilft, ist nicht im einzelnen Betrieb, im Häuserkampf allein,
erreichbar, auch nicht von einer kampfstarken Belegschaft. Aber mit katastrophistischen Prognosen, Marke: “Jetzt ist endgültig
alles zu spät!” hab ich immer meine Probleme. Nach den vielen Jahren im
gewerkschaftlichen Rückwärtsgang vermuten uns doch Unternehmer und Politik alle
Jahre wieder mit dem Rücken zur Wand ...und täuschen sich genauso regelmäßig
immer wieder. Es ist schlicht und einfach der sich verschärfende tägliche
kapitalistische Wahnsinn, der die Leute doch immer wieder zu Protest, Widerstand
und Aktionen bringt.“
1 ERA = Gemeinsames
Entgeltrahmenabkommen für Arbeiter und Angestellte, das ab nächstem Jahr
schrittweise zur Anwendung kommt; d. Red.
2 United Automobile Workers, USA, Anm. d. Red.
Mogelpackung |
Vorstand und
Gesamtbetriebsrat (GBR) von DC haben vereinbart, dass bis 31.12.2011 auf
betriebsbedingte Kündigungen verzichtet wird. Die bis dato vom Vorstand
infrage gestellten Investitionen in verschiedenen DC-Werken finden statt. Was
nicht heißt, dass die Zahl der Arbeitsplätze garantiert wird, die es heute
gibt, Personalabbau mit anderen Mitteln ist nicht ausgeschlossen. Im Gegenzug
hat der GBR das Kostensenkungspaket in der Höhe von 500 Mio. akzeptiert, wie
es der Vorstand von Anfang an gefordert hatte. Dazu gehört z.B. eine
Absenkung der Lohnlinie ab 2006 um 2,79%, d.h. also: Lohnkürzung in einem
hochprofitablen Konzern. Was für ein Signal nach außen dies ist, braucht
nicht besonders betont zu werden. Für die so genannten
“Dienstleistungsbereiche” wurde eine unbezahlte Arbeitszeitverlängerung auf
39 Stunden vereinbart, also Stundenlohnkürzung um rund 10% plus Lohnsenkung
ab 2006 um 3%. Dafür sollen die entsprechenden Bereiche nicht outgesourct werden. Lohnverzicht und
Arbeitszeitverlängerung wird also als Instrument verkauft, um Outsourcing zu verhindern. Wer diese Logik akzeptiert und
für eine “gewerkschaftliche Strategie gegen Fremdvergaben”(!!) hält, hat der
Fremdvergabedrohung wegen billigerer Angebote nirgendwo mehr etwas
entgegenzusetzen. Für Neueingestellte und nach der Ausbildung übernommene
Kolleginnen und Kollegen gelten ab sofort ein um 20% abgesenkter
Einstell-Lohn und ein dauerhaft um 8% niedrigeres Lohnniveau als bei der
bisherigen Stamm-Belegschaft.
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