Antifa-AG der Uni Hannover & Gewerkschaftsforum Hannover:
Die
israelische Friedensbewegung macht seit Anfang August 2006 kleine Fortschritte
in ihrem Kampf für ein sofortiges Ende der Vernichtungsfeldzüge des Staates Israel
gegen Libanesen und Palästinenser, ist aber nach wie vor weit davon entfernt an
alte Größenordnungen (von vor dem Jahr 2000) anzuknüpfen oder gar
entscheidenden Druck auf die Regierung Olmert/Peretz ausüben zu können. Ein Indikator für den relativen
Aufschwung sind die (wenn auch zuweilen etwas überhöhten) Teilnehmerzahlen an
den landesweiten Demonstrationen, die mittlerweile wöchentlich in Tel Aviv
stattfinden und soetwas wie das vereinigende Moment /
die Klammer der vielfältigen, fast täglich irgendwo durchgeführten kleinen
Anti-Kriegs-Aktionen. Über die Demo am Samstag, den 5. August (an der real ca.
3.000 Leute teilgenommen haben dürften) berichtet der Korrespondent der linken
italienischen Tageszeitung “il manifesto” in der Ausgabe vom 6.8.2006.
Tel Aviv: 7.000 sagen “Nein” zu Olmert
Sie sind
einzeln aus allen Teilen Israels in die Ben-Zion-Allee
gekommen und in die drückende Schwüle Tel Avivs eingetaucht, während die Sonne
am Horizont untergeht, um dafür einzutreten, dass der Krieg sofort beendet
wird, dass Schluss sein muss mit dem täglichen Massaker an Zivilisten, dass ein
Gefangenenaustausch zwischen Israel und dem Libanon legitim ist und vor allem,
um zu fordern, dass Israel es nicht weiterhin ablehnt, die Verhandlungen mit
Syrien, dem Libanon und der Palästinensischen Autonomiebehörde wieder
aufzunehmen. Erst waren es einige Hundert, die von verschiedenen Punkten der
Stadt kamen. Als dann die Autobusse aus Jerusalem, aus Bersheva,
aus Galiläa und aus dem Negev sowie die Anhänger der Parteien Hadash <=
Wahlfront der israelischen KP> und Tajammo eintrafen, wurden es
6 bis 7.000. Und doch war die gestrige die am breitesten organisierte Demonstration
der israelischen Friedensbewegungen seit die Regierung Olmert
ihre Militäroffensive gegen den Libanon gestartet hat. Ohne dabei den
menschlichen und politischen Mut derjenigen zu vergessen, die beschlossen, auf
die Straße zu gehen und Nein zu einem Krieg zu rufen, der von der öffentlichen
Meinung massiv unterstützt wird.
Unter den
Demonstranten gab es viele bekannte Gesichter von Politikern und den prominentesten
Aktivisten, aber auch viele ganz normale Leute, die die Logik der
Gewaltanwendung als Konfliktlösung nicht akzeptieren. In der ersten Reihe Uri Avnery, Mohammed Barakeh und
Persönlichkeiten, die seit langem an keinen Friedensdemonstrationen mehr
teilgenommen haben (wie die ehemaligen Abgeordneten Naomi Khazan
und Yael Dayan), gefolgt
von Mitgliedern und Sympathisanten der jüdisch-arabischen Bewegung Taayush, von Gush Shalom, von <der
Kriegsdienstverweigerergruppe> Yesh Gvul,
vom Alternative Information Center und viele andere. Kleine Gruppen und
Verbände, die aber seit jeher bei der Verteidigung der Rechte in der ersten
Reihe stehen. Unter den Pazifisten ist ein Bewohner aus der Peripherie von
Haifa, dessen Wohnung durch die Katjuschas zerstört wurde und der das Wort
ergriffen hat, um den Angriff auf den Libanon zu verurteilen. Fahnen und
Transparente gegen die Massaker im Libanon und den Abschuss der Katjuschas wurden
von der King George Road bis zur Magen David Street
getragen. Unter den Fahnen fehlten diejenigen von Peace
Now. Die Bewegung, die vor 24 Jahren in der Lage
war über 400.000 Israelis nach Tel Aviv zu mobilisieren, was zu jener Zeit 10%
der Bevölkerung waren, um das sofortige Ende der Libanon-Invasion zu fordern,
hat in den vergangenen Tagen ihre Unterstützung für die Linie von Olmert und dem (der Arbeitspartei <Avoda> angehörenden) Verteidigungsminister
Amit Peretz verkündet. Für Peace Now ist das, was wir
gegenwärtig erleben, ein “gerechter Krieg”. Eine Position, die nur zum
Teil überrascht, weil Peace Now
in der Vergangenheit die amerikanischen Kriege von 1991 und 2003 gegen den Irak
gerechtfertigt hatte, die aber dennoch weh tut, weil sie die Beteiligung von
Zehntausenden Israelis, die keine Verbindung zur radikaleren Linken haben, an
den Protesten gegen die Offensive im Libanon ausschließt.
“Das
Verhalten von Peace Now und
der Arbeitspartei von Peretz erklärt ganz genau das
Unbehagen dieser Gesellschaft, das durch die Regierungspropaganda genährt wird.
Die Tausenden von Menschen, die dennoch hier in Tel Aviv sind, sagen uns, dass
nicht alles verloren ist und dass man daran arbeiten kann, Klarheit zu schaffen
über das was passiert”, sagte der Schriftsteller Yitzhak Laor
mit der gewohnten Wucht, der gestern zusammen mit seinem 11jährigen Sohn Yossef zur Demonstration ging. Laor
gehörte vor 24 Jahren zu den Initiatoren der riesigen Demonstration in Tel Aviv
gegen den Einmarsch in den Libanon. “Der Punkt ist, dass dieser
(israelische) Angriff auf den Libanon nicht unverhältnismäßig ist, wie Viele
hier und in Europa behaupten, sondern ein Kriegsverbrechen, dass denunziert und
verurteilt werden muss. Ich sehe nicht, auf welche Weise man die systematischen
Zerstörungen der libanesischen Infrastruktur und die täglichen Gemetzel an
Zivilisten anders definieren könnte.” Übrigens war auch die historische
Demonstration von Tel Aviv nur möglich, weil die Anhänger der Arbeitspartei
seinerzeit nicht in die Regierung gegangen waren und auf der Welle der
allgemeinen Empörung ritten, um die Regierung anzugreifen. “Die Krise der
zionistischen Linken hat vor langer Zeit begonnen und ist mit dem Tod eines
Gutteils dieses politischen Lagers zu Ende gegangen, das heute zwischen der
Mitte und der Rechten hin und her schwankt, den Krieg und Peretz‘
Entscheidungen billigt und Olmert als einen guten
Ministerpräsidenten betrachtet”, fügte der Schriftsteller hinzu.
Bedeutend
war gestern die Anwesenheit Dutzender Einwohner von Shefhamer,
wo vor genau einem Jahr ein als Soldat gekleideter israelischer Extremist in
einem Autobus um sich schoss und Tote und Verletzte verursachte. “Die
libanesischen Toten von Kana, die arabischen von Tarshiha und Majdal Krum und die jüdischen in Haifa und Nahariya
sind unschuldige Opfer der Eskalation, die die Regierung Olmert
um jeden Preis wollte”, sagte Maher Kias von der Delegation aus Shefhamer.
Am Abend stieg die Spannung in der Magen David Street, die zu klein war, um
Tausende Demonstranten fassen zu können und von einem beachtlichen
Polizeiaufgebot überwacht wurde <das
mehrmals grundlos gegen die Demonstranten vorging, wie die Demofotos auf www.alternativenews.org
zeigen> . Wenige
Meter davon entfernt skandierten etwa hundert Leute, die Israel-Fahnen
schwenkten in Richtung der Kriegsgegner: “Verräter, Sklaven der Araber, Ihr
verdient den Knast!”
Vorbemerkung,
Übersetzung und Einfügungen in eckigen Klammern: