Antifa-AG der Uni Hannover & Gewerkschaftsforum Hannover:
Noch stellt der FIAT-Konzern die wichtigste private Kapitalgruppe und (mit
160 000 Beschäftigten) den größten privaten “Arbeitgeber”
in Italien dar. Daher sind Streiks in diesem Unternehmen immer von besonderer
Bedeutung. So auch gegenwärtig, wo bei FIAT ein breiter Widerstand gegen
die Liquidierung des Automobilsektors bzw. seinen Verkauf an General Motors
mit den damit verbundenen Massenentlassungen, Werksschließungen und
weiteren Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen stattfindet, der zusammentrifft
mit der Streikbewegung gegen den Angriff von Confindustria und Berlusconi-Regierung
auf den Kündigungsschutzartikel 18 des Arbeiterstatutes. Um einen Eindruck
von dieser - weiter andauernden - Streikwelle und der Stimmungslage in den
wichtigsten FIAT-Betrieben zu geben, hier die Übersetzung von vier Artikeln
aus den bisherigen Mobilisierungsphasen. (Wobei man im Hinterkopf haben sollte,
daß es in Italien kein Streikgeld gibt, die Streikenden also für
die entsprechenden Zeiten einen vollständigen Lohnverlust in Kauf nehmen.)
Der erste Artikel stammt aus der großen linksliberalen Tageszeitung
“la Repubblica” vom 25.5.2002:
Der Streik:
Die Blaumänner marschieren in
Turin-Mirafiori
“Dieses Mal macht die Zukunft Angst.”
Paolo Griseri
TURIN - Sie kommen im Demonstrationszug aus einer nach Jahren der Einschnitte
und Personalreduzierungen entvölkerten Fabrik. Die Parolen der Blaumänner
des Karosseriebaus in Turin-Mirafiori besagen: “Der Arbeitsplatz ist unantastbar
!”, auch wenn mittlerweile <nur noch> ein Drittel der 60 000 in den
70er Jahren hier Beschäftigten in den Produktionslinien des historischen
Werkes arbeitet. Die von den Turiner Gewerkschaften gelieferten Prozentsätze
über die Beteiligung sind sehr hoch (80-90%). Der erste Streik gegen
den Plan zur Umstrukturierung von FIAT ist im wesentlichen gelungen, auch
wenn das Unternehmen von einer Beteiligung spricht, die nicht höher
gelegen habe als 33%. Die Gewerkschaften liefern nicht nur in Turin hohe
Prozentzahlen, sondern auch in anderen, von dem in den vergangenen Tagen
verkündeten Kürzungsplan weniger betroffenen, Provinzen des italienischen
Auto-Imperiums: Bei Alfa Romeo in Pomigliano <bei Neapel>, bei Marelli
in Bologna und bei New Holland in Modena schwanken die von den Gewerkschaften
angegebenen Prozentzahlen zwischen 70% und 90%. Eine Ausnahme macht das FIAT-Werk
in Cassino, wo FIOM, FIM, UILM und FISMIC eine Beteiligung um die 50% herum
geschätzt haben. In der Fabrik in der Region Lazio, wo man den Stilo
produziert, sind in den vergangenen Tagen zwei Wochen Cassa integrazione
<d.h. Kurzarbeit Null> angekündigt worden. Der erste Stop für
ein Werk, das dachte, es sei aus der Krise heraus.
In Turin-Mirafiori, wo die Hälfte der von FIAT angekündigten Kürzungen
konzentriert ist, sind vier Demonstrationszüge aus den Werkstoren herausgekommen
und haben sich vor dem zentralen Herrenhaus am corso Agnelli zusammengefunden.
“Wir fordern keine Beihilfe, sondern Garantien für die Entwicklung dessen,
was das wichtigste italienische Privatunternehmen bleibt”, erklärten
die Vertreter der Metallarbeitergewerkschaften, die für die kommenden
Tage neue Mobilisierungsinitiativen ankündigten, auf den Kundgebungen.
“Das, was wir wollen” - sagt Claudio Stacchini von der <größten
und zum Gewerkschaftsbund CGIL gehörende Branchengewerkschaft> FIOM
- “ist eine industrielle Planung, die klärt, ob FIAT wirklich beabsichtigt,
in Mirafiori zu investieren.” Daß der Turiner Produktionspol das Epizentrum
des neuen Beschäftigungserdbebens ist, ist mittlerweile verbreitete
Überzeugung. Die CGIL hat für den 30.Mai in Turin eine nationale
Versammlung der RSU-Delegierten der Automobilbranche mit <CGIL-Generalsekretär>
Sergio Cofferati angekündigt. Am Tag zuvor wird der nationale Sekretär
der UIL, Luigi Angeletti, in Turin sein und am 3.Juni kommt der Sekretär
der CISL, Savino Pezzotta.
Den Arbeitern im Demonstrationszug macht die Perspektive des langsamen Niederganges
der großen Fabrik mehr Angst als die Kürzungen: “Wer in Mobilität
geht, weil er nahe an der Rente ist”, sagt ein alter RSU-Delegierter aus
dem Preßwerk, “weiß, daß er Opfer bringen muß, aber
daß er im Grunde davongekommen ist. Die Jüngeren dagegen wissen
nicht bis wann sie weitermachen können.” Die Gewerkschaften sagen voraus,
daß man mit der neuen FIAT-Planung im Jahre 2004 in Mirafiori 100 000
Autos weniger als heute produzieren wird. “Das, was wir befürchten”
- sagt der Sekretär der Turiner FIOM, Giorgio Airaudo - “ist, daß
die Produktion in Turin die kritische Schwelle unterschreitet und zwar diejenige,
die das Werk nicht mehr überzeugend macht und schwerwiegende Auswirkungen
in der Zulieferindustrie hervorruft.” Bereits gestern hat der Alarm (wegen
möglicher Kürzungen bei den Beschäftigten, die Sitze produzieren)
den Textilsektor und die Arbeiter der Kantinen erreicht. Das Gespenst ist
- auch wenn alle es vertreiben wollen - das von Mailand-Arese, der ehemals
großen Fabrik von Alfa, die heute eine langsame Agonie erlebt.
Der zweite Artikel wurde in der links-unabhängigen Tageszeitung “il
manifesto” vom 8.6.2002 veröffentlicht:
FIAT weckt das Turin im Blaumann
auf
Die Arbeiter der Autosparte streiken in Massen:
10 000 demonstrieren in Turin gegen die Entlassungen. Vorläufig bleiben
FIM, FIOM und UILM in der Auseinandersetzung mit <der FIAT-Vorstandsetage
in Turin-> Lingotto und in der Forderung nach einer industriellen Planung,
ohne die man nicht über Personal diskutiert, vereint.
Ezio Vallarolo - Turin
Für einige Stunden hat sich Turin gestern morgen seine Erinnerung wieder
angeeignet und sich wieder als eine Arbeiterstadt gefühlt. Ein Ergebnis,
das dank des gelungenen, von FIM, FIOM, UILM und FISMIC bei FIAT und in allen
Metallbetrieben der Provinz angesetzten Streiks erreicht worden ist, der
durchgeführt wurde, um gegen den Plan <zum Abbau> überschüssigen
Personals zu protestieren. Ein Plan, der die Mobilität für fast
2 900 Leute vorsieht. Eine Zahl, die mit der Rückwirkung auf die Zulieferbetriebe
auf 12 000 ansteigt. Daß der endlich <einmal> sonnige Tag günstig
gewesen ist, hat man sofort an den Zahlen über die Streikbeteiligung
gesehen: Für die Gewerkschaften lag der Durchschnitt bei 80-85% mit
punktuell <sogar> 100% bei Teksid und der Microtecnica. Alle Produktionslinien
in Turin-Mirafiori sind gestoppt worden. Im Karosseriebau lag die Beteiligung
bei 80%, im Preßwerk bei 80-90%, in den Mechaniken <Getriebebau
und Endmontage ?> zwischen 70% und 90%. Das “betäubende Schweigen”,
das die Gewerkschaften rund um die Krise des größten italienischen
Industriebetriebes beklagt hatten, hat man zu durchbrechen begonnen als der
Demonstrationszug vom Tor 5 in Turin-Mirafiori ausgehend das 8 Kilometer
entfernte Stadtzentrum erreichte. Über 10 000 Arbeiter haben eine imposante
Demonstration ins Leben gerufen. Keiner von den Turinern, die auf den farbigen
Zug der Arbeiter stießen, hat Unduldsamkeit gegenüber den Demonstranten
zum Ausdruck gebracht. Viele applaudierten zur Ermutigung. Ein Zeichen für
das Bewußtsein der Konsequenzen der von den Spitzen<managern>
in Lingotto angekündigten Entlassungen: <Hier handelt es sich um>
Ein Problem aller, nicht nur der betroffenen Arbeiter, die einen Tag lang
wieder zu absoluten Protagonisten der Szenerie geworden sind.
“Das ist der Augenblick”, sagte zu Beginn der Demonstration ein RSU-Delegierter
von PowerTrain (der ehemaligen FIAT-Mechaniken, die heute im Mitbesitz von
General Motors sind), “um sich Gehör zu verschaffen. Sie sollen nicht
glauben, daß sie uns entlassen können. Das werden wir ihnen nicht
gestatten.” Ein kämpferischer Geist, der durch die Parolen, die durch
den Demozug wanderten, gut zum Ausdruck kam: “Die Arbeiterklasse hat diesen
Weg gewählt: Arbeit, Rechte, Demokratie.” Zahlreich waren die Transparente:
An der Spitze das gemeinsame der Gewerkschaften, die den Streik angesetzt
haben, gefolgt von denen des Werkes Mirafiori und des Auto-Stranges: Pininfarina,
Sandretto, Comau, Magneti Marelli, Lear, Tecnocar, aber auch Iveco, die Beschäftigten
des Handels, der Kantinen und der Dienstleistungen. Dann das von den 70 Arbeitern
der New Box getragene Transparent. Arbeitern, die fristlos entlassen wurden,
weil der Eigentümer beschlossen hat, die Produktion anderswohin zu verlagern.
Am Schluß die Fahnen der Parteien der Linken. Rifondazione und Comunisti
italiani (PDCI) <eine kleine, Anfang Oktober 1998 gegründete, Rechtsabspaltung
von Rifondazione> vor allem. Im Demozug verstreut, aber sichtbar: die
Vertreter der lokalen Sozialforen.
“Ab heute”, kommentierte Vincenzo Scudiere (Sekretär der Kammer der
Arbeit), “betrifft die FIAT-Auseinandersetzung die Entwicklung von Turin.
FIAT täte gut daran, ernsthafte Verhandlungen mit den Gewerkschaften
zu beginnen und die Mobilitätsprozeduren auszusetzen.” Auch laut dem
Generalsekretär der FIOM, Gianni Rinaldini, an der Spitze des Zuges,
“muß FIAT Verhandlungen beginnen. Wenn sie dagegen am 18. Juni die
Gewerkschaften nur auffordert, eine Unterschrift unter die Mobilitätsprozeduren
zu setzen, werden wir mit Sicherheit nicht unterschreiben. Die angeblichen
Neulancierungsvorhaben <den Automobilbereich betreffend> haben in Wirklichkeit
ein einziges Ziel: die Reduzierung des Personals.” Für den Sekretär
der Turiner FIOM, Giorgio Airaudo, “muß FIAT begreifen, daß das
Abkommen auch mit den Arbeitern gesucht werden muß, nicht nur mit den
Banken und den Aktionären”.
Kurz bevor er die piazza Castello erreichte, ist der Demozug vor dem Rathaus
vorbeigekommen. Viele erwarteten sich ein Signal des Linksdemokraten (DS)-Bürgermeisters
Sergio Chiamparino oder auch nur einen Gruß an die Demonstranten. Das
ist nicht geschehen und das hat unter den Arbeitern, die sofort den Sprechchor
“Ghigo-Bresso-Chiamparino: Arbeit, Arbeit für Turin !” angestimmt haben,
Verblüffung hervorgerufen.
<Die Rede von> Laura Latini (RSU-Delegierte des FIAT-Konzerns) hat
die Demonstration abgeschlossen: “Wenn Boschetti wirklich meint, daß
die Krise von FIAT-Auto gelöst werden kann, soll er ein Zeichen für
den Optimismus geben und die für die Mobilität eingeleiteten Prozeduren
suspendieren. Vergegenwärtigen wir uns die Argumentation als Manager,
die Boschetti führt und derzufolge nicht so sehr die verkauften Autos
zählen als vielmehr der Gewinn, den sie produzieren. Als Arbeiter können
wir das nicht akzeptieren. Wir glauben stattdessen, daß der zu verfolgende
Weg der ist, den Markt mit innovativen Modellen in Angriff zu nehmen und
nicht irgendwelche Abziehbilder, die an der Multipla anzubringen sind. Turin
kann nicht ohne das Auto leben und <wir glauben>, daß keine Olympiade
jemals die verlorenen Arbeitsplätze ersetzen kann.”
Der dritte Artikel ist eine Reportage ebenfalls aus “il manifesto”
(diesmal vom 21.6.2002) und vermittelt einen Eindruck von der zwei
Wochen später, im Rahmen der Regionalstreiks zur Verteidigung des Artikel
18, stattfindenden Arbeitsniederlegung im FIAT-Werk von Pomigliano d’Arco
bei Neapel (der ehemaligen Alfa Romeo Sud-Fabrik):
Neapel:
Das Herz von Pomigliano
Bei FIAT streiken alle “gegen die padroni
und die Regierung”. Die RSU-Delegierten von FIM und UILM lassen sich nicht
blicken.
Francesca Pilla -Neapel
“Der <regionale Flächenstreik zur Verteidigung des Artikel 18>
in Kampanien ist ein einheitlicher Streik der Arbeiter gewesen.” Es ist 10.30
Uhr und mit den Zahlen über die prozentuale Beteiligung am regionalen
Streik (über 85%) in der Hand, kommentiert die CGIL so den Vormittag.
Aber bereits um 5 Uhr war vor den Werkstoren des Alfa Romeo-Werkes in Pomigliano
klar, welcher Wind wehte. Die Metallarbeiter der FIOM, die vor der “Autostadt”
im Schatten des Vesuvs Streikposten standen, mußten sich nicht besonders
anstrengen. Nur 80 von 6 000 Leuten der ersten Arbeitsschicht, die um 6 Uhr
beginnt, sind aufgetaucht, um die Stechkarte abzustempeln. Und doch hat das
Unternehmen alles versucht, um es den Streikbrechern (crumiri) oder
“munnezze”, wie sie hier genannt werden, einfacher zu machen: Es sind
verrostete Eingänge geöffnet und der Zugang zu den Maschinen erlaubt
worden. Es ist 5.30 Uhr und die Blaumänner der FIOM bewachen die Seiteneingänge.
Die Autos und einige Fernlastzüge versperren die Durchfahrt des Parkplatzes.
“Wir halten niemanden auf”, stellt ein Arbeiter klar. “Aber wenn sie durch
wollen, müssen sie zu Fuß gehen.” Und die wenigen zum Hineingehen
Entschlossenen nehmen es gewiß nicht mit Gelassenheit. Ein Arbeiter
durchbricht die Streikpostenkette mit dem Motorroller. Die Gemüter erhitzen
sich. “Laßt ihn fahren, drinnen ist eh keiner.” Ein Schichtleiter aus
dem Zulieferbetrieb überschreitet die Schwelle und sagt: “Für mich
ist es eine Frage des Prinzips. Die Uneinigkeiten in den Gewerkschaften sind
der Beweis, daß daran etwas faul ist. Es gibt keine klaren Vorstellungen,
deshalb werde ich wie jeden Tag arbeiten.” Aber er findet keine Solidarität.
Die CGIL ist die einzige <Gewerkschaftszentrale> gewesen, die bis zum
Letzten gegangen ist und nach den Mobilisierungen von Millionen Werktätigen
die Versprechen hält.
Am Haupteingang ist die gesamte FIOM anwesend. “Der Streik läuft sehr
gut”, sagt Franco Bruno, der Regionalsekretär, zufrieden. “Die Arbeiter
haben die Bedeutung des <Aktions->Tages begriffen. Es sind nicht einmal
die RSU-Delegierten von FIM und UILM aufgetaucht. Vielleicht sind sie mit
den nationalen Sekretariaten <ihrer Gewerkschaftszentralen CISL und UIL>
nicht einverstanden.” “Für uns ist dieser Streik ein weiteres Opfer”,
erklärt Luigi Nuzzi. “Mit der Krise von FIAT, den <Streiks für>
die Tarifverträge und den Artikel 18 sind wir im letzten Jahr insgesamt
auf ungefähr 10 Stunden Streik im Monat gekommen. Aber dieser Kampf
ist fundamental, weil Regierung und Confindustria beschlossen haben, die
Gewerkschaft zu treffen.” “In den letzten Monaten haben wir versucht, den
Arbeitern zu erklären, daß die Beruhigungsbotschaft nach dem Generalstreik
unbegründet ist”, erklärt Massimo Brancato (FIOM-Provinzsekretär).
“Die Arbeiter demonstrieren, daß sie den Ernst der Lage und den Gesinnungswechsel
der Anderen erkennen.”
Vor der verwaisten Fabrik sind auch das Rete no global <das neapolitanische
linksradikale Antiglobalisierungs-Netzwerk> und die <linke Lehrer-Basisgewerkschaft>
Cobas Scuola anwesend. “Wir wollten ein Signal der Einheit setzen”, erläutert
Pietro vom centro sociale SKA. “Als Bewegung spüren wir die Notwendigkeit,
im Kampf an der Seite der Arbeiter zu sein. Um die globalen Rechte zu verteidigen,
ist es notwendig gegen die padroni und die Regierung zu kämpfen und
sich zu verteidigen.”
Kehren wir zum “Volk der Werkstore” zurück. Mittlerweile ist es 8.30
Uhr und es scheint <fast schon> Mittag zu sein. Nach einem kurzen Gang
zu FIAT Avio <der Luftfahrtsparte des FIAT-Konzerns>, wo die anderen
Arbeiter versammelt wurden, die auch einen fabrikinternen Demonstrationszug
organisiert haben, ziehen alle zusammen zur Versammlung der CGIL in der piazza
Primavera. Die Sonne steht nun hoch am Himmel und wird auf der bevölkerten
piazza bei den regionalen Abordnungen spürbar.
Von der Bühne aus begrüßt Marisol Pardo, Leitungsmitglied
der spanischen Gewerkschaft Comissiones Obreras (Arbeiterkommissionen - CCOO),
die italienischen compagneros und erinnert daran, daß es nötig
ist, gegen den Angriff der Regierungen “auf die Pfeiler des europäischen
Sozialstaates” vereint zu sein. Mit ihm <einer Meinung> ist Michele
Gravano (Sekretär der CGIL Neapel), der bekräftigt: “Das Separatabkommen
<von CISL und UIL> mit der Regierung ist eine schwerwiegende Entscheidung.
Die Verantwortlichen brechen den Pakt mit den Arbeitern. Diese Regierung
läßt den Süden im Stich. Die Signale, die wir aussenden müssen,
sind die der Einheit und der Entschlossenheit.” Es ist Tino Magni aus der
FIOM-Führung, der die Demonstration abschließt und an den allgemeinen
Angriff von Regierung und Confindustria vom Artikel 18 bis zum Schiedsgerichtsverfahren,
von den Renten bis zu den sozialen Abfederungen erinnert, ohne eine wirkliche
Industriepolitik, was auch FIAT schadet und mit einer beträchtlichen
Reduzierung der Beschäftigung. Daher drängt er: “Sie wollen alle
Schutzbestimmungen reduzieren, um den padroni in den Fabriken innerhalb einer
Politik des zügellosen Freihandels freie Hand zu geben. Über all
das gibt es keine Verhandlungen.” Die Arbeiter verlassen Pomigliano durch
die Nachricht bestärkt, daß auch im Unternehmen des padrone <und
Confindustria-Vorsitzenden> D’Amato, der Seda di Arzano, die Streikbeteiligung
bei 98% liegt.
Der vierte und letzte Artikel ist ein Bericht über den erneuten Streik
in Turin, der den konzernweiten FIOM-Protest gegen die geplanten Massenentlassungen
bei FIAT mit dem regionalen CGIL-Streik gegen das Anfang Juli unterschriebene
Separatabkommen der kleineren Gewerkschaftsbünde CISL und UIL zur Aufweichung
des Kündigungsschutzes verband; aus “il manifesto” vom
13.7.2002:
Die Fabrik folgt der FIOM
Sehr hohe Beteiligungsraten beim Streik der FIAT-Gruppe
und dem Generalstreik der Provinz Turin. Schlechter Tag für diejenigen,
die Separatabkommen mit den Gegenparteien unterschreiben.
Ezio Vallarolo - Turin
Eine farbige und laute Demonstration von Arbeitern, aber auch aus jenen jugendlichen
Prekären zusammengesetzt, die in den letzten Monaten in der CGIL einen
Ansprechpartner bei der Einforderung ihrer, bislang verweigerten, Rechte
gefunden haben. Über 10 000 Arbeiter sind gestern morgen durch Turin
gezogen, indem sie im Demonstrationszug vom Tor 5 <des FIAT-Hauptwerkes
in Turin->Mirafiori bis zum Herrenhaus in Turin-Lingotto (der FIAT-Vorstandszentrale)
zogen, um gegen den vom Unternehmen im vergangenen Mai angekündigten
<Abbau von> überschüssigem Personal zu protestieren. Die
Demonstration, die in der Provinz Turin mit einem 4stündigen Streik
aller Metallarbeiter verbunden war (im restlichen Piemont hat die Arbeitsniederlegung
zwei Stunden gedauert), ist von der piemontesischen CGIL in einen Generalstreik
gegen den vor einer Woche von der Regierung und von CISL und UIL besiegelten
“Pakt für Italien” verwandelt worden.
Laut der FIOM lag die durchschnittliche Streikbeteiligung bei 70%, mit punktuell
80% im Karosseriebau von Mirafiori und 60-70% im Preßwerk sowie in
den Mechaniken. In den COMAU-Werken lag die Beteiligung zwischen 80% und
90%. Der Produktionsausfall lag in der ersten Schicht bei über 70%,
während in der zweiten Schicht zwischen 80% und 90% gestreikt haben.
In den FIAT-Werken in Pratola Serra ist die Tätigkeit komplett gestoppt
worden, während in Melfi <ebenfalls Süditalien> 70% der Arbeiter
am Streik teilgenommen haben. Die beiden zentralen Themen des Aktionstages
(die Ablehnung <des Abbaus> der überschüssig werdenden Arbeitsplätze
bei FIAT und die Opposition gegen die im Abkommen zwischen Regierung und
CISL/UIL enthaltenen Maßnahmen in bezug auf die Arbeit) sind von den
streikenden Arbeitern aufgegriffen worden. Während bei den Spruchbändern
die “institutionellen” der FIOM-RSU’en der FIAT-Werke und der Zulieferbetriebe
überwogen, war bei den Sprechchören der Phantasie freier Lauf gelassen
worden. Im Mittelpunkt der Ausfälle stand “wie üblich” Berlusconi,
dieses Mal begleitet von den Generalsekretären der CISL und der UIL.
“Berlusconi, Pezzotta und Angeletti - der Artikel 18 ist unantastbar !” und
“Pezzotta und Angeletti - zwei prächtige Karrieren: von Gewerkschaftern
zu Lakaien des Kavaliers <Berlusconi> !” waren zwei Beispiele der Art
von Sprechchören, die der Demozug der Arbeiter auf dem Weg skandiert
hat.
“Heute ist es schwierig”, behauptete Giorgio Airaudo (Sekretär der FIOM
Turin), “vor dem FIAT-Herrenhaus zu stehen, um den neuen Vorstand des Unternehmens,
das jetzt von Umberto Agnelli geführt wird, unsere Präsenz und
unsere Forderungen hören zu lassen. Es ist möglich für die
Zukunft des Autos in diesem Land zu kämpfen, aber zuallererst muß
die Mobilität zurückgezogen und müssen Verhandlungen über
alle Themen begonnen werden. Wir sind überzeugt, daß der Kampf
gegen die von FIAT beschlossenen Kürzungen und derjenige zur Verteidigung
der Rechte übereinstimmen.” Eine Aufforderung an die Eigentümer
und an den neuen <FIAT-Auto->Vorstandsvorsitzenden Galatieri, “ein
Signal der Bereitschaft” zu geben, “Verhandlungen zu beginnen, die die Verteidigung
der Industrieanlagen und der Beschäftigung zum vorrangigen Ziel haben
sollten”, kam auch von Claudio Stacchini, dem Verantwortlichen der 5.FIOM-Liga
<der gewerkschaftlichen Untergliederung im Turiner Stadtbezirk> Mirafiori.
“Kommenden Dienstag haben wir ein Treffen mit der FIAT beim Arbeitsminister.
Wir sind nicht bereit, die industrielle Planung, die das Ausscheiden der
Arbeiter aus dem Unternehmen vorsieht, zu unterschreiben. Wir wünschen
uns, daß die anderen Gewerkschaftsorganisationen kein weiteres Separatabkommen
machen.” Das sagte der Generalsekretär der FIOM, Gianni Rinaldini, auf
der Abschlußkundgebung. “CISL und UIL haben, indem sie das Abkommen
unterschrieben”, fuhr Rinaldini fort, “die Idee von Regierung und Confindustria
legitimiert, gemäß der es - damit die Beschäftigung wächst
- notwendig ist, den Arbeitern die Rechte zu nehmen.” Auch das Mitglied des
nationalen Sekretariates der FIOM <und führende Gewerkschaftslinke>,
Giorgio Cremaschi, hat die Suspendierung der Mobilität für die
ungefähr 3 000 FIAT-Beschäftigten gefordert und gemahnt: “Wir erleben
keine Umstrukturierung, sondern ein Projekt der Liquidierung des Automobilsektors.”
Vorbemerkung, Übersetzung und Einfügungen in eckigen Klammern:
Antifa-AG der Uni Hannover und Gewerkschaftsforum Hannover