Antifa-AG der Uni Hannover
& Gewerkschaftsforum Hannover:
Der von
den etablierten Gewerkschaftsbünden CGIL, CISL und UIL für
den 30.November 2004 angesetzte vierstündige Generalstreik gegen die
Wirtschafts- und Steuerpolitik der Regierung Berlusconi war inhaltlich nicht
weniger sozialpartnerschaftlich und der Grundrichtung der bürgerlichen Politik
(die auch der Großteil der oppositionellen Mitte-Linken mitträgt) gegenüber nicht
weniger unterwürfig als sein Vorgänger im März 2004. Daher stellte sich für die
italienische Gewerkschaftslinke erneut die Frage des richtigen taktischen
Verhaltens zu diesem Streik. Die CGIL-Linke war bedauerlicherweise zu
keiner gemeinsamen Stellungnahme fähig und fällt immer weiter auseinander. (Ein
erheblicher Teil ihrer Spitzenfunktionäre, mit dem PDCI’ler Gian Paolo Patta an
der Spitze, betreibt mittlerweile konsequenterweise über die inhaltliche hinaus
auch ihre formale Auflösung). Die unabhängigen linken Basisgewerkschaften
zeigten sich wie bereits im März in dieser Frage gespalten. Die
Einheitskonföderation der Basis (CUB – real 18.000 Mitglieder)
proklamierte zusammen mit der anarchosyndikalistischen USI (einige
Hundert Aktive) und der einen Hälfte des SLAI Cobas (um die maoistisch
geprägte Föderation Neapel – zusammen real ca. 1.500 Mitglieder) ihren eigenen
ganztägigen, „echten“ Generalstreik für den 3.Dezember, an dem sich offiziell
„eine Million“ real aber nur ca. 40.000 Beschäftigte beteiligten. (An den
beiden zentralen Demonstrationen in Mailand und Neapel nahmen offiziell
„50.000“ Menschen teil – tatsächlich waren es zusammen gerademal 2 bis 3.000.)
Verglichen mit dem letzten „Generalstreik“ dieses Spektrums am 12.3.2004 war
das zwar eine deutliche Steigerung (damals wurden offiziell 200.000 Streikende
vermeldet), bezogen auf den vorletzten am 7.November 2003 (offiziell 1,5
Millionen) allerdings ein Rückgang um ein Drittel. (Offizielle CUB-Zahlen
sind traditionell um das 25fache (!) übertrieben, was selbst bei dem in Italien
verbreiteten Hang zum Aufplustern der Beteiligungszahlen immer wieder
rekordverdächtig ist.) Ohne den guten Willen und die absolut anerkennenswerte alltägliche
Gewerkschaftsarbeit der Initiatoren in Frage zu stellen, muss man doch nüchtern
betrachtet festhalten, dass es sich bei solchen Aktionen faktisch um ein für
das Kapital absolut irrelevantes Randphänomen handelt.
Für eine
sichtbare und kritische Beteiligung am CGIL-CISL-UIL-Streik mit eigenen
Aufrufen, eigenen Demonstrationsblöcken etc. traten hingegen der
nicht-sektiererische Teil des SLAI Cobas (mit der Mailänder Föderation
an der Spitze – 1.500 bis 2.000 Mitglieder), der von Kadern der
4.Internationale dominierte Sin.Cobas (4.000 Leute) und die Eisenbahner-
und Fährleutegewerkschaft ORSA (Organisation Autonomer und
Basisgewerkschaften – gut 10.000 Mitglieder – in die auch die linke
Lokführergewerkschaft COMU eingeflossen ist) ein. Die insbesondere unter den
Lehrern und im Gesundheitswesen starke Confederazione Cobas (real 6.000
Mitglieder) erklärte sich nicht öffentlich, nahm de facto aber am Streik teil,
wobei sie zwei Wochen zuvor gerade erst einen gemeinsamen und gut befolgten landesweiten
Streik mit den CGIL-CISL-UIL-Branchengewerkschaften gegen die Bildungsreform
der Berlusconi-Ministerin Moratti durchgeführt hatte. Ebenfalls keine Stellungnahme
gab es von der im Juni 2003 als Zusammenschluss mehrere Basisorganisationen
gegründeten Transportarbeitergewerkschaft SULT (ca. 15.000 Leute), die
allerdings für den 1.Dezember 2004 einen 24stündigen Generalstreik der
Straßenbahn- und Busfahrer gegen den erneuten moderaten Tarifabschluss der
sozialpartnerschaftlichen Gewerkschaften angekündigt hatte.
Als
Beispiel für die inhaltliche Kritik des nicht-sektiererischen Teils der
Basisgewerkschaften hier das Flugblatt der SLAI Cobas-Gruppe des Metall-
und Elektro-Unternehmens Ansaldo Camozzi, das zum Finmeccanica-Konzern
gehört. Unter anderem zu finden unter: http://www.slaicobasmilano.org/ansaldo.htm
30.November 2004 – Generalstreik
Einige Fragen zu den im
CGIL-CISL-UIL-Dokument über das Haushaltsgesetz für 2005 enthaltenen
Kampfzielen.
Sie
sagen, dass…. …..aber was tun sie ?
…ein echter Kampf gegen
die Steuerhinterziehung <geführt werden sollte>
Warum wurde niemals gegen
die zahllosen Steuererlasse protestiert, die von den vorangegangenen
Regierungen beschlossen wurden ?
…Nein zu Steuerkürzungen,
die die reicheren Schichten bevorzugen, sondern Steuerreduzierung zugunsten der
abhängig Beschäftigten und Anerkennung von Abschreibungsmöglichkeiten für die
Über-75jährigen.
Die reicheren und ärmeren
Schichten gibt es auch unter den abhängig Beschäftigten (mit sehr starken
Unterschieden zwischen den unteren und den oberen Leveln) und bei den
75jährigen. Und was ist demzufolge zu tun ?
…Rückerstattung des fiscal
drag
Die Erhöhung der Löhne
aufgrund der Inflation bringt keine Erhöhung der Realeinkommen (d.h. der
Kaufkraft) in der gleichen Höhe mit sich. Wenn das Steuersystem dem nicht
Rechnung trägt und Steuersätze, Abschreibungsmöglichkeiten und Abzüge nicht
verändert, wird es die Werktätigen immer in stärkerem Maße besteuern, weil sie
als reicher angesehen werden <als sie real sind>. Die durch
die Inflation bewirkte Erhöhung der Besteuerung nennt man fiscal drag
(Drainage). Warum wurde diese Drainage seit Anfang der 90er Jahre ignoriert ?
…Bestätigung der
Schutzklausel und ihre Anwendung auf die Besteuerung des Trasferimento Fine
Rapporto <Abfindungszahlung>
(TFR). Rückerstattung dessen, was
denjenigen, die seit 2003 ihr Arbeitsverhältnis beendet haben, abgezogen wurde.
Die Werktätigen, die seit
2003 in Rente gegangen sind oder entlassen wurden, haben erlebt wie ihr TFR
massakriert wurde. Wie bei Allen haben sie auch bei ihnen die Steuersätze
angehoben, ohne ihnen jedoch entweder eine steuerfreie Zone oder die
Schutzklausel zukommen zu lassen, die es ihnen erlaubt hätte, wieder zur
vorangegangenen Besteuerung zurückzukehren. Seit mittlerweile zwei Jahren waren
Hunderttausende von Werktätigen von dieser bestialischen Steuererhöhung
betroffen. Wen hat das <in
den Vorstandsetagen von CGIL, CISL und UIL> jemals gekratzt ?
…Die Kaufkraft der Löhne
und Gehälter über die Erneuerung der nationalen Tarifverträge stärken
Um einfach nur die Kaufkraft
der Löhne zu verteidigen, müssten die nationalen Tarifverträge
Erhöhungen erreichen, die die reale Inflation wirklich ausgleichen. Wenn sie
sie „stärken“ wollen, müssten sie auch mehr herausholen. Warum hat man
stattdessen seit Jahren Tarifverträge unterzeichnet, die die Einkünfte der
Unternehmer erhöht und die Kaufkraft der Löhne verringert haben ?
…Mittel zur Deckung des
Haushaltes auftreiben, um eine wirkliche Entscheidung zur Nutzung der
Abfindungszahlungen (TFR) für die Rentenfonds zu ermöglichen
Nur bei den Teilen der
Abfindungszahlungen, die in (ihre) Rentenfonds gesteckt werden, wird –
unfairerweise – die Besteuerung reduziert. Wir sollen fordern, von Allen
aufgebrachte Mittel ausfindig zu machen, um diesen Rückgang an Steuereinnahmen
zu decken, die nur denjenigen vorbehalten sind, die sich – verführt oder aus
Verzweifelung – in ihre Hände begeben ?
…Start der ergänzenden
Altersvorsorge der öffentlich Bediensteten
Die Pensionsfonds sind –
anders als sie <d.h.
die Führungen von CGIL-CISL-UIL>
sagen – weder eine Ergänzung noch einen Zusatz zur öffentlichen Rente. Die öffentliche
Rente wurde mit ihrer Zustimmung seit 1992 zerschlagen. Und jetzt reiten sie
auf der Notwendigkeit eines Rentenfonds herum und schlagen vor, ihnen die
Abfindungen zukommen zu lassen, die sie fälschlicherweise als „sicher“
bezeichnen. Eine Position, die das Akzeptieren des Todes der öffentlichen
Rente mit sich bringt. Ist das ihre Verteidigung der Renten ?
…Vollbeschäftigung und
Qualitätsarbeit
Die (raffinierte) Qualitäts-
/ Facharbeit wird nur Wenigen vorbehalten sein. Bevor man die Qualitätsarbeit
fordert, muss man die Qualität der Arbeit zurückerobern, die durch das vom
Treu-Paket <siehe
Anm.1> ausgelöste Gesetz Nr.30 / 2003
im Ansatz beseitigt wurde. Ein Paket, gegen das man niemals gekämpft hat.
…Neuankurbelung der
Wirtschaft
Indem man die Erpressung mit
der Verlagerung der Produktionen ins Ausland akzeptiert, das Arbeitstempo
erhöht und die Arbeitszeit verlängert und dabei die Löhne senkt ?
Wir Werktätigen nehmen
immer den Kampf auf, aber immer und ausschließlich für unsere Ziele !
Slai Cobas
Ansaldo Camozzi
Quelle: infoslai@fastwebnet.it
Anmerkung
1:
Bei dem
sog. „Treu-Paket“ handelt es sich um ein Paket von Gegenreformen in der
Arbeitsmarkt- und Sozialgesetzgebung, die von dem von 1995 bis 98 amtierenden
und insbesondere der CISL eng verbundenen, mitte-linken Arbeitsminister Tiziano
Treu entworfen und durchgesetzt wurde.
Vorbemerkung,
Übersetzung, Anmerkung und Einfügungen in eckigen Klammern:
Antifa-AG der Uni
Hannover und Gewerkschaftsforum Hannover