Antifa-AG
der Uni Hannover & Gewerkschaftsforum Hannover:
Am
vergangenen Freitag (den 25.November 2005) führten die drei großen
italienischen Gewerkschaftszentralen CGIL, CISL und UIL den sechsten
Generalstreik gegen die Regierung Berlusconi durch. Konkreter Anlass für die
allerdings nur 4stündige Aktion war der vorgelegte Staatshaushalt. Positiv
war die gute Beteiligung, wenngleich sie weder den, von CGIL-CISL-UIL genannten
„80-90%“ noch den 25% entsprach, die das Arbeitsministerium ermittelt haben
wollte. (Noch absurder war die Behauptung des Ministers Baccini, ausgerechnet
im Öffentlichen Dienst hätten weniger als 15% gestreikt.) Realistisch kann man
von einem Wert in der Mitte, also etwa 50% Beteiligung ausgehen, was durchaus
gut ist. Problematisch war der dünne und desorientierende Inhalt dieses
Streiks und der 60 Demonstrationen, die ihn begleiteten. Im Kern wurde der
Streik durch den brennenden Wunsch nach Wiederherstellung der
Sozialpartnerschaft und einen Wahlsieg des ehemaligen EU-Kommissionspräsidenten
Romano Prodi im kommenden Frühjahr motiviert. Eine weitere Schwäche war
der rein demonstrative, d.h. wenig zwingende oder gar einschneidende, Charakter
der Aktion. Was die Demoteilnehmerzahlen anbelangt, so müssen diese, wie immer
mindestens durch den Übertreibungsfaktor 10 geteilt werden, um auf die
realen Zahlen zu kommen. Das heißt in Mailand waren maximal 10.000
Demonstranten unterwegs, in Rom maximal 8.000, in Turin nicht mehr als 5.000
und in Palermo höchstens 3.000. Auch das sind allerdings durchaus respektable
Werte, wenn man nicht die üblichen Phantasiezahlen zur Grundlage der Bewertung
macht.
Die
wichtigsten Informationen zum Verlauf des Generalstreiks fasste die
linksliberale Tageszeitung „la Repubblica“ am 26.11.2005 so
zusammen:
Beteiligung
zwischen 80 und 90%, Demonstrationen in den großen Städten gegen den Haushalt.
Sturm in Sachen Abfindungen (TFR). Die CGIL: Stellt die Versicherungen besser.
Berlusconi: Sinnloser Streik
Italien legt für 4 Stunden die
Arbeit nieder.
Prodi: Sakrosanter Protest
FORTSETZUNG AUF SEITE 2
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Haushalt: Italien hat die Arbeit
niedergelegt
Prodi: Sakrosanter Protest. Casini:
Die Unzufriedenheit respektieren.
Die Gewerkschaften: „Die Entscheidungen
der Regierung führen das Land in den Niedergang.“
Demonstrationen in 60 Städten. Büros
und Banken geschlossen. Verkehr blockiert: 300 Flüge abgesagt. Hohe Beteiligung
am 4stündigen Generalstreik von CGIL, CISL und UIL gegen das Manöver.
LUISA GRION
ROM – Die Gewerkschaft hat
gerufen und die Strasse hat reagiert. Gestern legte der Protest gegen den von
der Regierung Berlusconi aufgestellten Haushalt Italien vier Stunden lang lahm.
Züge und Autobusse standen still, Flugzeuge blieben am Boden (160 abgesagte
Flüge in Rom-Fiumicino, 150 in Malpensa <bei Mailand>),
Banken und Postämter geschlossen. Jenseits der üblichen Auseinandersetzung um
die Beteiligungszahlen füllten sich die Strassen von 60 Städten und Kleinstädten
mit Transparenten und die Betriebe blieben leer.
Von den 100.000 in Mailand
über die 80.000 in Rom und die 50.000 in Turin bis hin zu den 30.000 in
Palermo. In den Betrieben und Büros haben, laut CGIL, CISL und UIL zwischen 80
und 90% der abhängig Beschäftigten gestreikt. 70% in <dem FIAT-Hauptwerk Turin-> Mirafiori, punktuell 100% bei Ansaldo Industrie in
Mailand und bei Fincantieri in Monfalcone. Der Regierung zufolge verschränkten
hingegen wesentlich weniger Menschen die Arme. Laut dem Staatssekretär im
Arbeitsministerium, Maurizio Sacconi, waren mehr oder weniger 25% der
Werktätigen (lavoratori) an dem Ausstand beteiligt. Im öffentlichen
Sektor waren es, nach Ansicht des Ministers Baccini weniger als 15%.
Die Gründe für den Protest
waren klar: „Der Streik ist gegen die Beschlüsse der Regierung gerichtet, die
dabei ist, das Land in den Niedergang zu führen“, sagt Guglielmo Epifani
(der Führer der CGIL) bei seiner Rede auf der Piazza Navona in Rom. „Ein
Großteil des Landes teilt die getroffenen Entscheidungen nicht. Das Haushaltsgesetz
investiert nicht in die Zukunft, vergisst den Mezzogiorno und nimmt
überall, in allen Sektoren, Kürzungen vor. Italien wird sich mit diesem Manöver
verschlechtern. Aber man soll nicht glauben, dass wir resigniert oder in die
Ecke gedrängt sind. Dies ist eine gute Antwort, eine ansehnliche
Demonstration.“
Dasselbe meint Luigi
Angeletti (die Nr.1 der UIL), der in Palermo von „einem Land am Abgrund“
gesprochen hat, „wo die Reichen ihr Vermögen vergrößern und Steuern
hinterziehen können und zwei Drittel der Italiener (Erwerbstätige und Rentner)
bezahlen 70% der Steuern, auch wenn sie nur die Hälfte des Reichtums
produzieren“. Noch globaler ist die Analyse des CISL-Führers Savino Pezzotta,
der von der Bühne auf der Piazza del Duomo in Mailand herab gegen „den Mangel
an Perspektiven“ protestiert, der das letzte Manöver charakterisiert und klarstellt,
dass „die Regierung diesen Streik gesucht hat“. „Sie hat einen sinnlosen und
schädlichen Haushalt aufgestellt und nicht den Mut gehabt, die wirklichen
Probleme des Landes anzugehen“. Sicher ist, dass dieser Generalstreik (der
sechste, der gegen die Regierung Berlusconi ausgerufen wurde) die politische
Front, wie immer, in zwei Teile gespalten hat und dafür den Beifall der
Opposition und die Kritik der <Regierungs-> Mehrheit
einheimste, welche davon überzeugt ist, dass es sich um das „übliche, sinnlose
Ritual“ handelt.
Der Führer der <Mitte-Links-> Union, Romano Prodi, sprach von einem
„sakrosanten Protest gegen die desaströse Wirtschafts- und Finanzpolitik dieser
Regierung“. Der Arbeitsminister Roberto Maroni <von der rechtspopulistischen
Lega Nord>, der in den Begründungen
des Generalstreiks, auch aufgrund der Verschiebung der Reform der Abfindungen
(TFR) angesprochen wird, meint hingegen, dass „man an diesem Punkt entscheiden
muss, ob man Europa verlassen will oder nicht“. „Für mich wäre das okay“,
kommentierte er, „aber wenn man drinnen bleibt, ist ein bisschen Seriösität
vonnöten. Man kann das Verhältnis von Defizit und Bruttoinlandsprodukt (BIP)
nicht auf 20% bringen, indem man alle Ausgabenforderungen der Gewerkschaft
erfüllt.“
Gelassener fällt die Analyse
des Präsidenten der Abgeordnetenkammer, Pierferdinando Casini <von der
rechtschristdemokratischen UDC> aus:
„Jenseits der Frage, ob der Streik sinnlos oder sakrosant ist, handelt es sich
um die Manifestation der Unzufriedenheit eines Teils der Arbeiterbewegung und die
muss immer respektiert werden“, sagte er. „Ich glaube, dass eine ernsthafte
Leitungsklasse, wie wir es sind, sich mit den Gründen derjenigen, die
protestieren, befassen sollte. Das ist Demokratie.“ „Gewiss“, erwiderte der
Führer <d.h. der
Generalsekretär> der Linksdemokraten
(DS), Piero Fassino, der ebenfalls auf der Demonstration in Rom war,
„eine weise Regierung würde auf die Bürger hören, aber ich weiß nicht, ob diese
Regierung diese Weisheit besitzt“.
Vorbemerkung,
Übersetzung, Hervorhebungen und Einfügungen in eckigen Klammern:
Antifa-AG der Uni
Hannover rund Gewerkschaftsforum Hannover