Antifa-AG
der Uni Hannover:
Ende Juni 2005 fand – auf Initiative der
„Sinistra Critica“
(„Kritische Linke“, wie die zum moderaten Teil des linken Flügels von Rifondazione Comunista – PRC –
gehörende und 6,5% der 95.000 PRC-Mitglieder
repräsentierende, italienische Sektion der 4.Internationale um die Zeitschrift
„ERRE“ seit kurzem heißt) in Rom eine Tagung französischer und italienischer
Linker zur Lage nach den Neins bei den EU-Verfassungsreferenden in Frankreich
und Holland statt. Dieses Treffen wies Licht und Schatten auf. Zu den
Schattenseiten zählt dabei sicherlich das händeringende
Bemühen der Ligue Communiste
Revolutionnaire (LCR) um eine Vollmitgliedschaft in
der sozialdemokratischen Europäischen Linkspartei von Gysi, Bisky & Bertinotti. Wenn das das von der LCR und ihrem
führenden Kopf, Alain Krivine, seit langem
beschworene „neue antikapitalistische Subjekt“ sein soll, dann entpuppt sich
dieses nicht nur als grandiose Seifenblase, sondern würde auch eine weitere
Etappe des Niedergangs der 4.Internationale markieren. Auf der „ERRE“-Homepage (www.erre.info)
erschien am 27.6.2005 der folgende Bericht über diese Tagung:
Krivine: „Nach dem Nein in Frankreich gibt
es Raum für ein neues antikapitalistisches Subjekt“
Checchino Antonini
„Der Sieg des Nein regelt
nicht alles, erlaubt aber alles.“ So fasst Alain
Krivine (historischer Sprecher der französischen Ligue Communiste Revolutionnaire) die auf dem gesamten Kontinent durch die
Ablehnung des europäischen Verfassungsvertrages in seinem Land eröffnete Phase
zusammen. Schauplatz des Zusammentreffens mit dem ehemaligen Europaabgeordneten
der GUE ist eine von der „Sinistra Critica“ („Kritische Linke“) des PRC organisierte
Veranstaltung am Vorabend des vom Kartell „Non de gauche“
(„Linkes Nein“) angesetzten zweitägigen Treffens in Paris.
„Das war ein Klassenvotum“ –
wird Krivine erklären – „70% der Arbeiter haben die
Charta abgelehnt und mindestens 65% der Angestellten, Jugendlichen und
Arbeitslosen.“ Der französische Leader kalkuliert den Anteil der rassistischen,
fremdenfeindlichen und faschistischen Stimmen am NEIN auf rund 15%. Nicht mehr,
nach einer auch auf den Themen der Bolkestein-Richtlinie
beruhenden Kampagne, die die wechselseitige Beziehung zwischen dem EU-Vertrag
und der anti-sozialen Politik in Frankreich bloßgestellt hat. „Es war ein Votum
gegen eine durchdringende Propaganda, bei der alle großen Parteien, alle
Kirchen, fast alle Massenmedien, die 100 größten Unternehmer und fast alle
bekannten Schauspieler für das JA waren – bis hin zur Chirac-Rede“ – fährt Krivine fort. „Aber es war ein Votum gegen die von den
Rechten und vor ihnen vom ‚Sozialliberalismus’ (der von Chirac aus dem Amt
gedrängten sozialistisch geführten Regierung; Anm.d.Red.)
betriebenen anti-sozialen Maßnahmen.“ Äußerst interessant waren die Anmerkungen
zu der von Militanten der LCR und des PCF zusammen mit den grünen und sozialistischen
Minderheiten, von Attac, von Gewerkschaftern (die
CGT-Führung, die für das JA war, wurde von ihrer Basis überstimmt) geführten
noch nie dagewesenen Kampagne.
Im Kielwasser eines
anti-wirtschaftsliberalen und internationalistischen Appells des „Kollektivs
der 200“ entstanden 1.200 bis 1.300 lokale Komitees, auch in kleinen
Ortschaften, und zeigten „eine nie erlebte politische Leidenschaft: Tausende
von Leuten auf den Meetings und bei Von-Tür-zu-Tür-Aktionen,
auf Märkten und in Fabriken. Es genügte ein kleiner in Mehrfamilienhäusern
aufgehängter Zettel, um zu ‚Mieterversammlungen’ aufzurufen. Es ist begriffen
worden, dass der Vertrag das Instrument ist, mit dem die Unternehmerschaft
ihren sozialen Krieg legitimieren wollte“. Jetzt steckt die französische Rechte
in der Krise. In zwei Jahren werden alle Wahlen stattfinden und auf der Linken
ist der Bruch zwischen denjenigen, die die Charta verfasst haben und der neuen
anti-wirtschaftsliberalen Front offensichtlich: „Tausende von Kommunisten haben
die Existenz der extremen Linken entdeckt. Eine Umfrage von ‚Le Monde’
besagt, dass (LCR-Sprecher <und Ex-Postbote>) Olivier Besancenot
der populärste Führer der Linken wäre. Die Komitees für das NEIN wurden nicht
aufgelöst. (Sie werden morgen in Paris die Protagonisten sein.) Und außerdem
haben 61% der Grünen und 54% der Sozialisten gegen die Empfehlungen ihrer
Parteien gestimmt.“ Für Krivine sind das Fakten, die
zeigen, dass die Zeit reif ist für ein neues „antikapitalistisches,
ökologistisches, feministisches und internationalistisches“ politisches
Subjekt, dessen erster Schritt die Aktionseinheit und der entscheidende Punkt
die Ablehnung von Koalitionen mit der anderen „Linken“ (der „sozialliberalen“)
sein wird.
„Leider ist die lange Welle
der Rechte von Frankreich aus hier noch nicht angekommen“, greift Nadia De Mond vom Weltfrauenmarsch
seine Äußerung auf und bezieht sich dabei auf die italienische Niederlage in
den Referenden über die künstliche Befruchtung. „Wir brauchen jedoch ein
anderes Europa, um bei den Rechten der Frauen, bei ihrer Selbstbestimmung und
den Themen der ‚Familien’ keine Rückschritte zu machen.“
Ein bisschen „Neid“, wegen
des Windes der jenseits der Alpen weht, wird auch von Giorgio Cremaschi (Mitglied des
nationalen Sekretariats der <Metallergewerkschaft> FIOM
<und führender
CGIL-Linker>) geäußert. Das aber wird
ihn, wie Nando Simeone <Rifondazione Comunista,
Fraktion „Sinistra
Critica“ und> Vizepräsident des Rates der Provinz Rom bereits gewarnt hatte – nicht daran
hindern, die Implikationen und die Chance wahrzunehmen, die sich aus dem Sieg
des Nein ergeben. „In Italien“, erklärt er, „Müssen wir dasselbe
Diskussionsniveau für eine massenhafte Kritik von links an der Europäischen
Verfassungscharta erringen, um von dem von einer, sich auf die Verteidigung des
Bestehenden versteifenden, Mitte-Linken verursachten toten Punkt wegzukommen. Dabei
ist nämlich die einzige Stimme gegen den Vertrag diejenige, die aus Pontida, von den ‚Kastrierern’
der <rechtspopulistischen> Lega Nord kommt.“ Diese Frage wird auf dem kommenden
CGIL-Kongress <im
Frühjahr 2006> zentral sein. Einer
CGIL, deren Positionen (das „kritische Ja“) denen des von einem Blair-Getreuen <dem ehemaligen TUC-Präsidenten
Monks> geführten EGB
untergeordnet sind. Die Unternehmeroffensive wird weitergehen und „die EU
könnte unter der englischen Präsidentschaft ihre wirtschaftsliberalen
Charakteristika betonen und auf die sozialen verzichten.“ Auch der Sprecher der
römischen Disobbedienti (Ungehorsamen), Guido Lutrario,
wird zu diesem Kontext Elemente beisteuern („Die Ausfälle der Lega gründen sich
auf einen verbreiteten Eindruck des Misstrauens gegenüber Europa. Das
französische Resultat ist ambivalent.“) und einen Hinweis geben: „Konfliktphänomene
auf europäischer Ebene produzieren und den vom MayDay lancierten Signalen folgen !“
Es bleibt die Tatsache, dass
der Sieg des NEIN die mit dem Beginn von Maastricht erlittene Niederlage
umkehrt und die Partei der Europäischen Linken vor das Problem stellt, das Veto
gegen den Beitritt antikapitalistischer Subjekte, wie der LCR, fallen zu
lassen. Das ist es, was Gigi Malabarba, Fraktionschef des PRC im Senat <und Kopf der „Sinistra Critica“>
signalisiert: „Es war die wirtschaftsliberale Politik“ – wird er sagen – „die
das Urteil des Volkes über Europa umgekehrt hat.“ Andernfalls „könnte“ die
ihren Weg weitergehende Bourgeoisie „die chauvinistischen Impulse aufgreifen“. Deshalb
müsse mit Nachdruck der Rückzug des Vertrages gefordert werden, „um
Überraschungen zu vermeiden“ und einen Forderungskatalog von unten, mit Hilfe
von europäischen Streiks und Kämpfen um Lohn, Arbeitszeit und Rechte, auf die
Beine zu stellen. Malabarba zufolge haben PRC und
Bewegungen dabei, auch aufgrund des <neuen italienischen Mitte-Links->
Bündnisses – der Union – mit denjenigen,
die sich zu diesem Vertrag bekennen, Verspätung.
Vorbemerkung,
Übersetzung und Einfügungen in eckigen Klammern:
Antifa-AG der Uni Hannover