Antifa-AG der Uni Hannover & Gewerkschaftsforum Hannover:


Nachdem es in Italien in den letzten beiden Jahren zu einer deutlichen Zunahme der gewerkschaftlicher Demonstrationen und Streiks (zur Verteidigung des Kündigungsschutzes, gegen den Irak-Krieg, zur Verteidigung der Arbeitsplätze bei FIAT, für einen ernstzunehmenden Metalltarifvertrag und jetzt Ende Oktober 2003 gegen die geplante Rentenreform) kam, sieht das italienische Kapital samt seiner unterschiedlichen politischen Repräsentanten und den "modern denkenden" Teilen der Gewerkschaftsbürokratie erneuten Handlungsbedarf. Nach einer langen Reihe massiver Beschneidungen des Streikrechtes, die seit dem Auftreten der linken Basisgewerkschaften Cobas, CUB, Comu etc. Ende der 80er Jahre sozialpartnerschaftlich beschlossen wurden, steht nun die Einschränkung der Generalstreiks auf dem Programm. Einen entsprechenden Vorstoß (der für den Moment auf Eis gelegt scheint) hat kurz nach Ende der Urlaubszeit ohne jede öffentliche Diskussion das zuständige sozialpartnerschaftliche Gremium CNEL unternommen.

Dagegen protestiert und mobilisiert in dem nachfolgenden Aufruf die 1994/95 entstandene linke Basisgewerkschaft Sin Cobas (Berufsgruppenübergreifende Gewerkschaft der Basiskomitees), die - laut glaubwürdigen Insiderinformationen - ca. 5000 Mitglieder hat und in starkem Maße von Mitgliedern der italienischen Sektion der offiziellen IV.Internationale beeinflußt wird (d.h. der Gruppe um die Zeitschrift "Bandiera Rossa" bzw. heute "ERRE", die zur Mehrheitsströmung von Rifondazione Comunista zählt und auch dort zahlreiche Führungspositionen besetzt). Der Sin Cobas zeichnet sich - anders als beispielsweise die CUB - durch sehr intensive Versuche einer Einheitsfrontpolitik gegenüber dem linken Flügel der CGIL und der zum Gewerkschaftsbund CGIL gehörenden größten italienischen Metallarbeitergewerkschaft FIOM aus. Außerdem ist er sehr stark (laut internen Kritikern "zu stark") in der Antiglobalisierungsbewegung aktiv.


Das folgende Dokument stammt von Anfang September 2003 und wurde auf der Website des zur CGIL-Linken zählenden Coordinamento Nazionale RSU veröffentlicht, das de facto das "Labournet Italien" darstellt (http://www.ecn.org/coord.rsu).


Der Sin Cobas gegen den Angriff auf das Streikrecht


Mit Blick auf den Herbst denkt die Regierung an "neue Regeln", um das Streikrecht weiter zu begrenzen und so eine Eindämmung des Protestes zu versuchen.


Der Herbst verspricht heiß zu werden, ja sogar glühend heiß. Wir sprechen hier nicht vom Klima, sondern von der sozialen Situation, die Millionen von Werktätigen (lavoratori) bei der Rückkehr aus den Sommerferien erwartet. Einschnitte bei den Renten, Löhne im freien Fall, nicht erneuerte Tarifverträge, Entlassungen in der Großindustrie und nicht nur dort, prekäre Beschäftigung nach Belieben dank dem Gesetz Nr. 30, Kürzungen bei den Sozialausgaben, Privatisierung der <öffentlichen> Dienste und Erhöhung der Gebühren und Tarife, Mieten und Zwangsräumungen im astronomischen Bereich. Eine Perspektive gegen die - wie wir glauben - die Organisation der Mobilisierung, um sich das, was wir in den letzten Jahren sowohl beim Lohn als auch bei den Rechten verloren haben, zurückzuholen, etwas ganz Natürliches ist.


Was gibt es Besseres für eine Regierung, die sich anschickt einen Haushalt zu beschließen, der Arbeiterinnen und Arbeiter, prekär Beschäftigte und Arbeitslose, Rentner und In-Rente-Gehende dieses Landes noch weiter "auspreßt", als zu versuchen den Protest im Keim zu ersticken ?


Der Angriff materialisiert sich wenige Tage nach dem Ende des Ferienmonates August in Form einer von der Garantiekommission für das Streikrecht an die Generalsekretäre der 7 im CNEL vertretenen Gewerkschaftsbünde (CGIL, CISL, UIL, CUB, CISAL, CONFSAL und UGL) verschickten Note, in der der Kommissionspräsident Martone zu erkennen gibt, daß er die Absicht hat, auch den Generalstreik zu reglementieren. Er behauptet sogar, daß der aus 6 Artikeln bestehende Beschluß bereits fertig sei und am 10.September der Kommission definitiv zur Verabschiedung vorgelegt würde. Wenn die Kommission ihre Absichten bestätigen sollte, könnten nur die gegenwärtig im CNEL vertretenen Gewerkschaftsbünde den Generalstreik ausrufen. Das neue Reglement sieht außerdem vor, daß die Branchengewerkschaften der Streikankündigung des <jeweiligen> Gewerkschaftsbundes eine eigene folgen lassen müssen und daß dabei die eine oder andere die <für ihre Branche geltenden> Ankündigungsfristen einhalten müßte. Praktisch bedeutet dies eine weitere Ausdehnung der "Vorankündigungsfrist" eines Streiks. Um von Artikel 6, Absatz b) des Beschlusses gar nicht zu reden, in dem ausgeführt wird, daß es sich die Kommission bei zeitlich nahe beieinander liegenden Streiks in derselben Branche auf der Grundlage des Prinzips der "objektiven Verdünnung" vorbehält zu überlegen, ob dadurch die Aufrechterhaltung der wesentlichen öffentlichen Dienstleistungen beeinträchtigt wird, wenn man "die potentielle Beteiligung und die mögliche Auswirkung der kollektiven Arbeitsniederlegung berücksichtigt". Praktisch maßen sich die Mitglieder der Kommission die außerordentliche Macht an, die Generalstreiks in Relation zu dem Gewerkschaftsbund zu bewerten, der sie proklamiert hat und seine Nutzung nach ihrem Belieben zu beschränken !


Wiedereinmal wird versucht die Rechte der Werktätigen in dem Augenblick zu beschneiden, in dem der größte Teil von ihnen im Urlaub ist und nicht sofort auf die Provokation der "Vasallen" der Regierung antworten kann. Es gibt Millionen Werktätige, die nicht Mitglied einer Gewerkschaft oder außerhalb der 7 vom CNEL "anerkannten" Gewerkschaftsbünde organisiert sind und die jedes Recht der Welt haben, den Generalstreik auszurufen und zu entscheiden wie, mit wem, wann und für was sie streiken.


Diese Maßnahme zielt darauf ab die nicht "gezähmten" Gewerkschaftsorganisationen zu beseitigen, die sich in den letzten Jahren oftmals allein, aber aus unanfechtbaren Gründen (wie die Fakten heute zeigen) der Gewerkschaftspolitik widersetzt haben, für die CGIL, CISL und UIL, aber auch die autonomen Gewerkschaften <wie die rechtschristdemokratische CISAL oder die Alleanza Nazionale nahestehende UGL> voll verantwortlich sind. Sprechen wir von der famosen "Konzertierten Aktion" (Sozialpartnerschaft), d.h. jener Gewerkschaftspolitik, deren giftige Früchte in jenen Jahren gereift sind und die zur Restauration der Unternehmer- und Regierungswillkür gegenüber dem Leben "ihrer Beschäftigten / Abhängigen" geführt hat.


STOPPEN WIR DIE VORHABEN DER ANTI-STREIKOMMISSION DER REGIERUNG BERLUSCONI !


HÄNDE WEG VOM STREIKRECHT !


<Sin Cobas>


Vorbemerkung, Übersetzung und Einfügungen in eckigen Klammern:

Antifa-AG der Uni Hannover und Gewerkschaftsforum Hannover