Antifa-AG der Uni Hannover & Gewerkschaftsforum Hannover:


Wir hatten bereits darauf hingewiesen, dass die unabhängigen italienischen Basisgewerkschaften (Cobas, CUB etc.) – unseres Erachtens vollkommen zu Recht – dem Generalstreik von CGIL, CISL und UIL am 26.März 2004 sehr kritisch gegenüberstehen. Da dieser Teil der italienischen Gewerkschaftslinken im deutschsprachigen Raum zumeist als entweder sehr positiv oder sehr negativ besetztes, konkret aber weitgehend unbekanntes, Phänomen durch linke und Gewerkschaftsdebatten geistert, hier die Übersetzung des Flugblattes, das der Sin Cobas zu besagtem Generalstreik herausgab. Die Branchenübergreifende Gewerkschaft der Basiskomitees (S.in.Cobas) entstand im Januar 1996 aus einer Abspaltung des SLAI Cobas. Er wird von Mitgliedern der offiziellen IV.Internationale geführt (nationaler Koordinator ist derzeit Luciano Muhlbauer), beteiligt sich sehr rege an allen außerparlamentarischen Bewegungen (vor allem an der Antiglobalisierungsbewegung) und zählt real 4.000 Mitglieder. Wir entnahmen das Flugblatt seiner Homepage (www.sincobas.it/).



26.März: Ein Streik der Auslassungen und Nachgiebigkeiten


Der von CGIL, CISL und UIL für den 26.März <2004> proklamierte 4stündige und in einigen Bereichen auf 8 Stunden ausgedehnte Generalstreik ist nicht nur was den zeitlichen Umfang anbelangt schwach, sondern stellt auch einen besorgniserregenden Rückzug auf der inhaltlichen Ebene dar. Es ist schwer darin einen Sinn und eine Perspektive zu sehen, wenn es sich nicht sogar um die Feier der Rückkehr der CGIL in Reih und Glied handelt.


4 Stunden Streik dienen nicht dazu eine Regierung aufzuhalten, die bekräftigt hat, dass die Rentenkürzung auf jeden Fall durchgezogen wird und die im Parlament unglaublicherweise auf die ausgestreckte Hand der Margerite <d.h. des liberalen und linkschristdemokratischen Teils des mitte-linken Olivenbaum-Bündnisses> sowie der Linksdemokraten (DS) zählen kann.


Der Generalstreik am 26.März steht im Zeichen der wiedergefundenen Einheit zwischen den drei großen Gewerkschaftsbünden. Er dient vor allem dazu deutlich zu machen, dass CGIL, CISL und UIL wieder vereint sind. Aber vereint für was ?


DIE „NEUE“ ALTE SOZIALPARTNERSCHAFT


Die Plattform des Streiks präsentiert sich als das Flicken des Risses, der zwischen den drei Gewerkschaftsbünden durch die fehlende Unterzeichnung des Paktes für Italien <im Mai 2002> seitens der CGIL entstanden ist. Auf dem Altar der wiedergefundenen Einheit mit CISL und UIL wurden zuerst die Straßenbahn- und Busfahrer, dann (mit der Unterzeichnung des Abkommens über die Eingliederungstarifverträge) die Opposition gegen das <der weiteren Prekarisierung dienende> Gesetz Nr.30 und schließlich (mit dem Abkommen über die Regionalisierung der Tarifverträge für die Handwerksbetriebe <auch> der nationale Tarifvertrag geopfert.


Die Plattform sagt nichts über das Gesetz Nr.30 der totalen Prekarität. Sie erwähnt nicht einmal eine mit der Confindustria anhängige Tarifauseinandersetzung. Sie hofft auf „territoriale Pakte“ und schlägt erneut jene katastrophale Einkommenspolitik vor, die seit 1993 Löhne, Gehälter und Renten an die betrügerische „veranschlagte Inflation“ bindet, während Gebühren und Preise machen können, was sie wollen.


Die Rentenkürzung wird gerade mal erwähnt und das <auch nur> zum Beweis, dass man bei diesem Kampf offenkundig nicht bis auf den Grund gehen will. Das erinnert an die Geschichte der Dini-Reform <von 1995> und vielleicht liegt das Wechselgeld bereits auf dem Tisch: Es nennt sich Überweisung der Abfindungen (TFR) in die Rentenfonds. Ein großes Stück vom Lohn, das Viele (die Gewerkschaftsbünde CGIL-CISL-UIL inklusive) in die Hand bekommen wollen. In der Praxis ist das ein weiterer Schritt zur Liquidierung der öffentlichen Sozialversicherung.


Nicht mehr und nicht weniger. Nicht mehr als unnütz und gefährlich für die Werktätigen.


Einheit der Apparate oder Einheit der Werktätigen?


Wer hat die Inhalte dieser Plattform beschlossen? Von oben, vom Himmel der Gewerkschaftsbünde fällt nicht nur eine Plattform, sondern man berücksichtigt nicht einmal das, was die Mobilisierungen der Werktätigen in den letzten Monaten von der Ablehnung der Rentenkürzung bis zu den Tarifkämpfen für einen gerechten und würdigen Lohn und für die Rechte an Aussagen hatten.


Heute ist es notwendig, sehr viel weiter zu gehen. Es bedarf einer echten Einheit, um die Kürzung der Renten und die grassierende Prekarisierung der Arbeit und des Lebens zu stoppen, um einen automatischen Mechanismus zurückzuerobern, der den Bankrott der Einkommenspolitik ersetzt und in der Lage ist den Wert von Löhnen, Gehältern und Renten zu wahren. Und es ist notwendig dem nationalen Tarifvertrag neue Qualität zu verleihen, weil uns die neuen Lohnkäfige nur ein auswegloses tarifpolitisches Gulasch bescheren würden. Für all das bräuchte es auch ein bisschen mehr gewerkschaftliche Demokratie, aber auch davon gibt es am 26.März keine Spur.


Der Sin Cobas hat – bei allen Unterschieden in den Inhalten und Forderungen <= den „Plattformen“> stets die maximale Einheit gesucht. Heute aber stehen wir vor einem Streik, der den Werktätigen nicht nützt, der nicht die Welt der Arbeit eint, sondern die Spitzen von CGIL, CISL und UIL und der mit Sicherheit keinen Einfluss auf die Arroganz von Regierung und Confindustria haben wird. Es bedarf keiner Auslassungen und Nachgiebigkeiten. Es bedarf keiner Rückwärtsgänge.


Aus all diesen Gründen


HAT DER SIN COBAS DEN STREIK AM 26.MÄRZ NICHT PROKLAMIERT.


Sin Cobas



Vorbemerkung, Übersetzung und Einfügungen in eckigen Klammern:

Antifa-AG der Uni Hannover und Gewerkschaftsforum Hannover