Antifa-AG der Uni Hannover & Gewerkschaftsforum Hannover:

 

Im Juni 2004 schloss die IG Metall-Führung mit der Siemens AG eines der folgenschwersten Abkommen auf Unternehmensebene ab, das die Geschichte der größten Industriegewerkschaft Europas kennt. Nach dem der Siemens-Vorstand mit der Schließung der Werke in Bocholt und Kamp-Lintford und der Verlagerung der dortigen Handy-Produktion nach Ungarn gedroht hatte, stimmte die IG Metall-Spitze der Wiedereinführung der 40 Stunden-Woche in den beiden Werken zu, was 5 Stunden unbezahlte Mehrarbeit pro Woche bedeutete und bekanntlich enorme Signalwirkung im gesamten Bundesgebiet und zwar in allen Branchen hatte. Allein in der bayerischen Metall- und Elektroindustrie erhob die Kapitalseite in 120 Betrieben die Forderung diesem leuchtenden Beispiel zu folgen. Im IG Metall-Bezirk Küste sind es mehr als 30 Betriebe und das ist nur ein kleiner Ausschnitt. Die Behauptung des IG Metall-Vorstandes in einer der beiden Begleitbroschüren zu seinem armseligen „Arbeitnehmerbegehren“ (eine Unterschriftensammlung als unsere ‚schärfste Waffe’ !) dieser „Ergänzungstarifvertrag ist ein Einzelfall, keinesfalls ein Präzedenzfall, weder für Siemens noch für die Metall- und Elektroindustrie“, ist vor diesem Hintergrund der reine Hohn. Wie die linke italienische Tageszeitung „Liberazione“ vom 12.11.2004 berichtet, hat dieser angebliche „Einzelfall“ nun auch in Italien Folgen. Und wieder macht die Siemens AG den Vorreiter:

 

Siemens: Mehr Stunden – derselbe Lohn

 

Längere Arbeitszeit für denselben Lohn, „um in Italien, ohne Konsequenzen für die 35.000 Beschäftigten des Konzerns, wieder konkurrenzfähig zu werden“. Jetzt will Siemens es machen wie in Deutschland, wo es die deutschen Gewerkschaften, mit Hilfe der Drohung, einige Werke zu verlagern und die Beschäftigung zu reduzieren, bereits gezwungen hat, das Abkommen über die Einführung der 40 Stunden-Woche, von der nur 35 Stunden bezahlt werden, zu akzeptieren. Die Übereinkunft erlaubte es dem multinationalen Konzern die Produktionskosten in Deutschland um mehr als 25% zu verringern und die „Kluft“ zu Italien, wo die Kosten durchschnittlich um ca.30% geringer waren, zu schließen. Unter dem Vorwand, das Gleichgewicht zwischen den beiden Märkten wiederherzustellen und um „auf Konzernebene konkurrenzfähig zu bleiben“, hat das, von Vittorio Rossi geführte, Management der Siemens Italia einen „detaillierten Plan“ ausgearbeitet, der für die nächsten 3 Jahre eine jährliche Produktivitätssteigerung von 10% vorsieht. Eine der von den Spitzen der italienischen Tochtergesellschaft in Betracht gezogenen Möglichkeiten ist genau die einer Erhöhung der Wochenarbeitszeit um mindestens ein paar Stunden, wobei das Gehalt unverändert bleiben soll. „Unser Problem“, warnt Rossi, „ist nicht China. Wir müssen in Europa konkurrenzfähig sein.“

 

Und wie denken die Gewerkschaften darüber ?  „Wir haben darüber gesprochen“, behauptet der Vorstandsvorsitzende von Siemens Italia, „und ich habe keine von vornherein feststehende Weigerung festgestellt. Natürlich wird es notwendig sein, Fall für Fall gründlich darüber zu diskutieren.“

 

Die Erwiderung der <mit Abstand größten und zum Gewerkschaftsbund CGIL gehörenden italienischen Metallarbeitergewerkschaft> FIOM fällt trocken aus: „Zuerst sollen sie mal die Wochenarbeitszeit bei gleichem Lohn auf 35 Stunden reduzieren, wie sie es in Deutschland getan haben, dann reden wir (vielleicht) darüber“, erklärt Giorgio Cremaschi <Anm. 1> kurz und bündig.

 

Roberto Farneti

 

Anmerkung 1: Giorgio Cremaschi ist Mitglied des nationalen FIOM-Sekretariats, einer der führenden Köpfe der italienischen Gewerkschaftslinken und Leitungsmitglied von Rifondazione Comunista (PRC).

 

Vorbemerkung, Übersetzung, Anmerkung und Einfügungen in eckigen Klammern:

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