Antifa-AG der Uni Hannover & Gewerkschaftsforum Hannover:


Ebenso wie Rifondazione Comunista-Generalsekretär Fausto Bertinotti äußerte sich auch der Arbeitsminister der letzten (im Mai 2001 abgewählten) Mitte-“Links”-Regierung, Cesare Salvi, der heute einer der Führer des linken Flügels der Linksdemokraten (DS) ist, sehr kritisch zu den politischen Strategievorschlägen des CGIL-Gewerkschaftschefs Sergio Cofferati. Was nicht einer gewissen Brisanz entbehrt, da Cofferati ebenso wie Salvi dem “correntone” angehört (d.h. der gemeinsamen großen linken Strömung innerhalb der DS, die dort 25% der Partei repräsentiert), allerdings nicht der von Salvi geführten Unterströmung “Socialismo 2000”. Das entsprechende Interview mit Cesare Salvi erschien in “il manifesto” vom 7.8.2002.



“Dieses Mal irrt sich Cofferati”


Der Vorschlag des Führers der CGIL spaltet den correntone. Cesare Salvi: “Nichts Neues. Es bedarf einer linken Partei.”


Andrea Colombo


Salvi, welche Einschätzung hast Du über Sergio Cofferatis Interview abgegeben ?


“Um die Wahrheit zu sagen, fand ich es ein wenig merkwürdig. Mir ist der Mangel an Sachelementen aufgefallen. Es erschien mir wie eine Intervention im traditionellen politischen Stil. Aus Schemata und nicht aus Inhalten bestehend.”


In dem Interview gibt es eine ausdrückliche Stellungnahme für das Mehrheitswahlrecht. Wie denkst Du darüber ?


“Ich denke, daß diese Gleichsetzung von Bipolarismus und Mehrheitswahlrecht schädlich ist. Ich denke, daß es eines neuen politischen Systems nach europäischem Modell bedarf, für das ich kämpfe: Ein Bipolarismus ohne Mehrheitswahlrecht.”


Cofferati schlägt eine radikale Reform des Olivenbaum-Bündnisses vor, quasi seine Neugründung...


“Groß oder klein, wie man es auch definieren will, der Olivenbaum, von dem Cofferati spricht, ist der, den es bereits gab. Meiner Ansicht nach muß man dagegen das alte Schema des Olivenbaum-Bündnisses überwinden, die Einheit der Linken schaffen und von dort ausgehen, um eine neue demokratische Koalition ins Leben zu rufen.”


Bist Du mit dem Vorschlag eines Komitees von Weisen einverstanden ?


“Ich hoffe, daß diese 20 oder 10 oder 30 Weisen wirklich weise sind, weil die Erarbeitung einer neuen Politik und neuer Programme für den Olivenbaum der entscheidende Punkt ist. Das Wichtige ist, daß die neue Mitte-Linke einen fortgeschritteneren sozialen Schwerpunkt hat als die alte.”


Kurz gesagt, die von Cofferatis entworfenen Grenzen des Olivenbaum-Bündnisses überzeugen Dich nicht gerade...


“Ich sehe nicht, warum man Rifondazione Comunista (PRC) ausschließen muß. Bei allem Respekt für den <ziemlich rechten Christdemokraten> Clemente Mastella, verstehe ich nicht, warum ich gemeinsam mit ihm und nicht mit Bertinotti 20 Weise haben soll.”


Vielleicht weil das Vorhaben des Sekretärs der CGIL die Bildung einer Partei der vereinigten Linken nicht vorsieht und stattdessen ganz und gar auf ein neugegründetes Olivenbaum-Bündnis abzielt...


“Ich weiß nicht, ob es wirklich so ist. Wenn es aber so ist, wäre mein Dissens eindeutig und radikal. Ich glaube, daß es hingegen gerade einer von den Prinzipien, den Ideen und der Geschichte des Sozialismus inspirierten Partei bedarf. Eine Hyper-Olivenbaum-Option würde mich in offenem Dissens erleben.”


Nur, daß es sich nicht um das Olivenbaum-Bündnis handeln würde, wie wir es bisher gekannt haben. In Cofferatis Entwurf wäre der Schwerpunkt ganz auf die Achse der Weisen und der sozialen Bewegungen verschoben...


“Wie immer in der Politik ist das Problem, wer darüber entscheidet, wer die 20 Weisen sind.”


Und die sozialen Bewegungen ?


“Die sind fundamental, aber die Aufgabe der Politik ist es dem, was sich in der Gesellschaft bewegt, Vertretung zu geben. Sonst gerät alles durcheinander.”


Mit Sicherheit wäre die Rolle der gegenwärtigen Führung der DS und der Margerite <= der Zusammenschluß der Kleinparteien und Einzelpersonen, die den rechten Flügel des Olivenbaum-Bündnisses bilden> in dem von Cofferati entworfenen Olivenbaum stark redimensioniert...


“Aber kurz gefragt: Kann wirklich irgendjemand meinen, daß er ohne die Parteien auskommt ? Ich wäre damit nicht einverstanden, aber das sage ich nicht nur aus Prinzip. Das sage ich auch als schlichte Realpolitik. Kann man wirklich meinen, daß - wenn der Augenblick der Entscheidungen kommt - <die beiden DS-Chefs> Fassino und D’Alema sagen: <Unsere Meinung> ‚Ist nicht wichtig. Wie denken die 20 Weisen darüber ?‘ ?”


Der von Cofferati gewiesene Weg überzeugt Dich nicht. Welche Alternative schlägst Du also vor ?


“Es wäre nötig beim Kern der Dinge zu bleiben. Da liegen die entscheidenden Elemente. Einige Beispiele ? Sind wir für die sozialen Abfederungen oder für den sozialen Lohn <d.h. das von Rifondazione, Gewerkschaftslinken, den autonomen centri sociali und Anderen geforderte staatliche Arbeitslosengeld> ? Und auch bezüglich des <Kündigungsschutz->Artikels 18: Sagen wir nur Nein zu den Dekreten oder sind wir für die Ausdehnung der Rechte ? Selbstverständlich könnte man die Liste fortsetzen. Ich möchte darauf aufmerksam machen, daß es sehr bald eine extrem relevante Passage geben wird: Das <von Rifondazione Comunista initiierte> Referendum über die Ausdehnung des Artikels 18 <auf die Kleinbetriebe mit 15 und weniger Beschäftigten>, für das bereits die Unterschriften gesammelt wurden. Rund um jenes Referendum wünsche ich mir, daß sich ein breiteres linkes und mitte-linkes Lager formiert als das, das sich bereits für die Unterschriftensammlung gebildet hat.”


Kehren wir zum Interview zurück. Cofferati strebt danach die Formel des Tickets <d.h. der unveränderbaren Führerpalette> zugunsten einer einzigen Führung zu überwinden...


“Diese Art von Ingenieurswissenschaft hat mich noch nie begeistert. Und dann frage ich mich, wer dieser einzige Führer sein könnte, der fähig ist ein Lager zu vereinen, das von Mastella bis <zum Parteipräsidenten des PDCI, einer opportunistischen Rechtsabspaltung von Rifondazione aus dem Oktober 1998> Cossutta und meiner Ansicht nach bis Bertinotti reicht. Und auch inwieweit das sinnvoll sein kann.”


Auch in diesem Fall: Welche Alternative schlägst Du vor ?


“Die der europäischen Demokratien (z.B. Deutschlands) in der jede Partei ihren Führer hat und dann nicht den Führer von Allen wählt, sondern den gemeinsamen Kanzlerkandidaten. Ich denke, daß man auch in Italien für ein ähnliches System kämpfen sollte. Ich glaube, daß es eine Partei mit sozialistischer Inspiration geben sollte, mit einem eigenen Führer, die dann - vor den Wahlen - Bündnisse bildet.”


Schlußfolgerung ?


“Ich würde mich auf die konkreten Dinge konzentrieren: auf die Programme, auf die Referenden. Auf jene Dinge, die in der Demokratie die Augenblicke der Wahrheit sind.”



Vorbemerkung, Übersetzung und Einfügungen in eckigen Klammern:

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